Waffenlieferungen aus Deutschland: Rüstungsexport fast auf Allzeithoch

Kleine Anfrage der Linkspartei: Mehr als ein Viertel der deutschen Rüstungsexportgenehmigungen wurde 2022 zugunsten der Ukraine erteilt.

Ausstellung mit einem Flugabwehrsystem Iris-T

Inzwischen in der Ukraine im Einsatz: Flugabwehrsystem Iris-T Foto: dpa

BERLIN taz | Rüstungslieferungen an die Ukraine im Wert von 2,24 Milliarden Euro sind in diesem Jahr bislang von der Bundesregierung genehmigt worden. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen hervor, die der taz vorliegt. Danach entfiel mehr als ein Viertel der bewilligten Rüstungsexporte an das von Russland überfallene Land.

Insgesamt summieren sich die deutschen Rüstungsexportgenehmigungen vom 1. Januar bis zum 22. Dezember auf rund 8,35 Milliarden Euro. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Nur im vergangenen Jahr lag die Zahl mit 9,35 Milliarden Euro noch höher, was vor allem einer 4,34 Milliarden schweren Last-Minute-Genehmigung der Großen Koalition Angela Merkels zugunsten Ägyptens geschuldet war.

Wichtigste Empfänger sind Nato-Staaten

Diesmal profitierten von dem Großteil der Rüstungsexporte Länder innerhalb der EU, der Nato oder der Gruppe der Nato-gleichgestellten Staaten: Sie kommen zusammen auf Liefergenehmigungen von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern im Wert von rund 5,12 Milliarden Euro. Wichtigste Empfängerländer waren hier die Niederlande (1,83 Milliarden Euro), die USA (863,7 Millionen), Großbritannien (453,0) und Ungarn (249,2). Auf Drittländer jenseits von EU, Nato und gleichgestellten Ländern sowie der Ukraine entfielen knapp eine Milliarde Euro. Hier lagen Singapur (175,1 Millionen Euro) und Südkorea (171,9) vorne.

Die Linken-Abgeordnete Dağdelen kritisierte die Zahlen scharf: „Das Kabinett von SPD, FDP und Grünen verantwortet die zweithöchsten Exporte von Waffen und Kriegsgerät aller Zeiten.“ Sie verwies darauf, dass auch nach Abzug der Unterstützungsleistungen für die Ukraine immer noch Exportgenehmigungen im Wert von 6,1 Milliarden Euro blieben. Das sei mehr als in den meisten Jahren der Kanzlerinnenschaft Merkels – was nicht zu dem im Koalitionsvertrag postulierten Anspruch einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik passe.

„Statt die Rüstungsexporte wie versprochen einzuschränken, liefert die Ampel massiv Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete und nimmt dabei Abertausende Tote und Verletzte billigend in Kauf“, sagte Dağdelen, die auch die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt. Ebenso kritisiert sie die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Von der Bundesregierung fordert sie, sich für einen nicht näher definierten „Kompromissfrieden“ einzusetzen.

Gezerre um Anfrage

Entgegen der üblichen Gepflogenheiten hatte das Bundeswirtschaftsministerium ursprünglich die kleine Anfrage Dağdelens nicht beantworten wollen. Stattdessen verwies Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) darauf, dass die Regierung ja die vorläufigen Genehmigungszahlen für das Jahr 2022 im Januar 2023 veröffentlichen werde. Erst nach einer Beschwerde des Parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion beim Kanzleramt und bei der Bundestagspräsidentin kam das Ministerium schließlich doch noch seiner Auskunftsplicht nach. Allerdings konnte sich Giegold nicht verkneifen, in seiner Antwort wortreich den entstandenen „erheblichen Mehraufwand“ zu beklagen.

Dağdelen hat dafür kein Verständnis. Offenbar brauche die grüne Führung im Wirtschaftsministerium „Nachhilfe in Sachen parlamentarischer Demokratie“, sagte sie der taz. „Zunächst der dreiste Versuch der Antwortverweigerung und dann der Vorwurf, dass man als Opposition das verfassungsmäßige parlamentarische Informations- und Fragerecht überhaupt nutzt, zeigen, wie abgehoben und demokratieverachtend die Grünen mittlerweile geworden sind“, empörte sie sich.

Was die militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine betrifft, so veröffentlicht die Bundesregierung seit Mitte Juni eine Übersicht, die regelmäßig aktualisiert und ergänzt wird. Laut Verteidigungsministerium liefert Deutschland das, „was verfügbar, entbehrlich, rasch umsetzbar und in der Ukraine effektiv einsetzbar ist“. Die Palette ist breit und umfasst sowohl leichte wie auch schwere Waffen. Sie reicht von 500 Stinger-Fliegerabwehrraketen über 14.900 Panzerabwehrminen bis hin zu inzwischen 30 Gepard-Flakpanzern.

Die 2,24 Milliarden Euro, die das Wirtschaftsministerium als Gesamtwert für die bislang erteilten Einzelgenehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern in die Ukraine angibt, sind allerdings etwas irreführend. Denn zum einen beruhen die Wertangaben für gebrauchtes Material aus Bundeswehrbeständen auf dem Zeitwert, der bedeutend unterhalb dem jeweiligen Neu- oder Wiederbeschaffungswert liegen kann. Zum anderen sind dabei nicht jene Panzer berücksichtigt, die im Rahmen des „Ringtauschs“ an andere Länder wie Polen, die Slowakei, die Tschechische Republik oder Griechenland gegeben werden, damit die aus ihren Beständen Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern.

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