Sanktionen des Westens: In Russland werden die Waren knapp
Viele kleine und mittlere Unternehmen in Russland geraten in existenzielle Nöte. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen greifen nur teilweise.
D ie Preise steigen, man mietet kleinere Büroräume und plant nichts mehr für das kommende halbe Jahr. Solche Maßnahmen müssen gerade praktisch alle kleinen Unternehmen ergreifen, um sich über Wasser zu halten. Die russische Wirtschaft befindet sich noch immer in einem Schockzustand, obwohl sie mit aller Kraft versucht, sich an die neue Realität anzupassen.
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Kleinere und mittlere Unternehmen sind schon während der Pandemie in Turbulenzen geraten, doch jetzt kommt es zu einem echten Einbruch. Durch Sanktionen und Warenknappheit sind die Beschaffungskosten um 20 bis 80 Prozent gestiegen.
Die Nachfrage ist hingegen gesunken, und folglich wird auch weniger produziert. Die Verbraucher warten ab und sparen. Werbeagenturen, Cafés und Restaurants, Kosmetiksalons – alles, was nicht für den täglichen Bedarf benötigt wird, ist aktuell von dieser Situation betroffen. Betriebe, die bis zum März noch staatliche Verträge mit festen Preisen hatten, leiden besonders stark. Schon wenige Monate nach Inkrafttreten der Sanktionen haben Geschäftsleute kolossale Einbußen zu beklagen.
Der Staat hat Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft ergriffen, viele davon schon während der Coronapandemie. In der Praxis haben sich aber nicht alle als effektiv erwiesen. Zum Beispiel die zinsgünstigen Darlehensprogramme für kleine Unternehmen. Der Leitzins der Russischen Zentralbank ist im März auf 20 Prozent gestiegen. Damals haben die Banken aufgehört, überhaupt noch Kredite zu vergeben. Sie konnten nur noch schwer beurteilen, ob die Kreditnehmer zahlungsfähig bleiben würden.
Als der Leitzins sank, begannen die Unternehmen, die Gehälter, Mieten und Steuern nicht mehr bezahlen konnten, zinsgünstige Darlehen zu beantragen. Gleichzeitig aber stiegen bei vielen von ihnen die Einnahmen nicht, sondern sind im Gegenteil gesunken. Deshalb verwendeten die Unternehmen das Geld nicht für Investitionen, sondern um ihre Schulden zu bezahlen.
Eine andere Unterstützungsmaßnahme ist die Ratenpause für Unternehmer. Um aber einen Zahlungsaufschub zu erhalten, muss ein Unternehmen dem Gläubiger zunächst nachweisen, dass es überhaupt von der Krise betroffen ist. Aber selbst wenn die Bank dann zu seinen Gunsten entscheidet, riskiert das Unternehmen, auf die „schwarze Liste“ gesetzt zu werden. Die Logik der Bank sieht es so: Wer die Krise nicht aus eigener Kraft übersteht, ist automatisch ein zukünftiger Risikokunde.
Das Schicksal vieler kleiner und mittlerer Unternehmen hängt jetzt zu einem Großteil davon ab, wann die westlichen Sanktionspakete gegen Russland wieder aufgehoben und die internationale Logistik wieder hergestellt werden. Viele Unternehmer richten jetzt Handelswege über Kasachstan und China ein, aber das ist teurer und nimmt mehr Zeit in Anspruch, die die Unternehmer nicht haben. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die Welt zu einer Einigung kommt.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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