SPD in der Regierung: Ist das die versprochene Erneuerung?
Die SPD schickt drei Frauen und drei Männer ins Kabinett. Die Besetzung ist in manchem verheißungsvoll, in anderem konventionell.
Um 10 Uhr erscheint das neue Machtzentrum der SPD im Willy-Brandt-Haus auf der roten Bühne. Olaf Scholz, wie immer mit gefrorener Mimik, und Andrea Nahles, wie oft mit kaum unterdrücktem Grinsen. Scholz, kommissarischer Parteichef, stellt die SPD-Ministerinnen vor. Alle haben „die Fähigkeit, große Apparate zu führen“, lobt er.
Die neue Justizministerin Katarina Barley kommt als Erste im weißen Hosenanzug nach vorne. Dann folgen Franziska Giffey und Svenja Schulze, die vor lauter Nervosität von einem Fuß auf den anderen tritt. Die Inszenierung hat etwas von einer steifen Abiturfeier. Der Rektor spricht, die Absolventinnen lauschen still. Danach stellt Nahles die Minister vor: Finanzminister Scholz, Außenminister Heiko Maas, Arbeitsminister Hubertus Heil. Nach weniger als 15 Minuten ist die Show vorbei. Noch ein Gruppenfoto. Keine Fragen.
Die Kabinettsbesetzung war eine Puzzelei. Der Osten sollte vertreten sein, zudem war der übliche Regionsproporz zu beachten. Kein Kabinett ohne Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Drei Männer, drei Frauen, neue und alte Gesichter. Die Aufteilung ist gendermäßig erwartbar: Die harten klassischen Ressorts – Arbeit, Außen, Finanzen – sind in Männerhand, Justiz, Familie und Umwelt sind weiblich besetzt.
Nahles und Scholz wollten die Namen unbedingt bis zu diesem Freitagmorgen unter Verschluss halten. Es sollte ein Zeichen sein, dass jetzt mit den Profis alles anders, seriöser wird, dass die Zeit der Selbstbezüglichkeit vorüber ist. Es hat nicht funktioniert. Was Geheimnisse angeht, ist die SPD ein rostiger Eimer. Manche Namen waren schon Donnerstag früh durchgesickert. Juso-Chef Kevin Kühnert twitterte entnervt: „Ist morgen um 9 Uhr wie geplant Parteivorstandssitzung oder machen wir’nen Umlaufbeschluss auf Spiegel Online?“
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Für die SPD fühle sich diese Hochzeit an „wie ein Begräbnis“, schreibt der britische Publizist Timothy Garton Ash im Guardian. So wenig Begeisterung für eine neue Regierung wie derzeit in Berlin habe er noch nie erlebt, so Ash.
Oder ist diese Ministerriege nun die versprochene Erneuerung? Löst sie das vollmundige Versprechen der SPD-Spitze ein, dass diesmal für die Partei alles besser wird als in der letzten Koalition? Oder wird die SPD wieder im Regierungsalltagsgeschäft in Merkels langem Schatten verschwinden?
Ein Aktivposten kann Justizministerin Katarina Barley werden. CSU-Innenminister Horst Seehofer wird mit Blick auf Bayern markige Ansagen machen. Das wird das klassische Gegenspiel von Innen- und Justizressort, von Sicherheit und Bürgerrechten, wiederbeleben. Barley war Richterin und hat am Bundesverfassungsgericht gearbeitet. Ihr Stil ist verbindlich, sie wirkt selten direkt konfrontativ. Aber sie ist linksliberal und von nicht zu unterschätzender Hartnäckigkeit.
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Das Kabinett ist nach Nahles' Geschmack
Etwas anders sieht es beim Arbeitsministerium aus. Das, so fürchten auch SPD-Linke, dürfte Hubertus Heil, ein bekennender Anhänger der Agenda 2010, eher verwalten als mit neuem Schwung und Ideen führen. Dabei liegt gerade bei dem „Kernressort für die Sozialdemokraten“ (Nahles) die Hürde hoch. Die Bekämpfung prekärer Jobs und die Rentenpolitik waren Schlüsselargumente, mit denen die SPD-Führung den Widerstand in der Partei gegen die Groko klein raspelte.
Ein zweiter Grund für die Groko lautete: Europa. Endlich Macrons Reformideen unterstützen. Noch wichtiger als Außenmister Maas wird Finanzminister Scholz sein. Der hat schon mal angekündigt, dass die strikte Haushaltspolitik bleibt. Auch in Sachen Stabilisierung des Euro wird sich Scholz nicht allzu weit von Schäubles Kurs entfernen. Denkbar ist allerdings, dass Scholz einen EU-Währungsfonds als Rettungsring für kommenden Finanzkrisen forcieren wird.
Diese Kabinettsliste ist in manchem verheißungsvoll, in anderem konventionell. Auf jeden Fall ist sie nach dem Geschmack von Andrea Nahles, die stets im Hinterkopf hat, wo Konkurrenz lauern könnte. Jetzt und in vier Jahren.
Die Machtverteilung ist für die SPD nun neu. Normalerweise ist der Parteichef auch Minister. Jetzt ist das anders. Nahles wird als Fraktions- und Parteichefin einen Machtpol bilden. Und im Kabinett gibt es zu ihr keine klare starke Gegenfigur. Natürlich wird Heiko Maas als Außenminister beliebt sein. Doch Maas ist kein Alphatier. Und auch nicht, wie sonst üblich, Vizekanzler. Diesen Bonus hat Olaf Scholz, der als Finanzminister aber eher einen Schwarzbrotjob hat – und in der Partei unbeliebt ist.
Die Macht ist unter den sozialdemokatischen MinisterInnen verteilt, nicht monopolisiert. Das ist nützlich für Nahles’ weitere Karrierepläne. Falls die SPD dann noch lebt.
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