SPD-Politiker zur Vermögensabgabe: „10 Prozent wären ein guter Wert“
Der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf fordert eine Vermögensabgabe und eine Übergewinnsteuer. Vom FDP-Finanzminister erwartet er eine ideologiefreie Debatte.
taz: Herr Klüssendorf, die Bundesregierung verspricht weitere Entlastungen, unter anderem soll die Mehrwertsteuer auf Erdgas sinken. Gleichzeitig will FDP-Finanzminister Christian Lindner weder Schulden machen noch Steuern erhöhen und hat vor der Sommerpause einen Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem 50 Milliarden Euro gekürzt werden sollen. Geht das mit der SPD?
Tim Klüssendorf: Wir treffen uns in zwei Wochen zur SPD-Fraktionsklausur, auf der wir unsere Positionen zu ganz vielen Themen festlegen. Es ist mit uns nicht zu machen, dass man bei wichtigen Projekten Kürzungen vornimmt, ohne über die Einnahmeseite zu sprechen.
geboren 1991 in Lübeck, ist seit 2021 direkt gewählter SPD-Abgeordneter im Bundestag und Mitglied im Finanzausschuss. Er gehört zum Vorstand der Parlamentarischen Linken der SPD, die eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der Krisenkosten vorschlägt.
Also Einnahmen erhöhen. Die Parlamentarische Linke der SPD-Fraktion, der Sie angehören, schlägt eine Vermögensabgabe für die Allerreichsten vor. Sie möchten Privatvermögen ab 2 Millionen und Betriebsvermögen ab 5 Millionen einmalig abschöpfen. Eine bekannte Idee, die es aber nicht mal in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Wieso schlagen Sie das jetzt noch mal vor?
Wir haben im Moment eine sehr herausfordernde finanzielle Situation. Die Inflation ist so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr, wir haben im Haushalt enorme Entlastungen beschlossen und werden noch weitere beschließen. In dieser Sondersituation muss man sich die Frage stellen, wer in unserer Gesellschaft in der Lage ist, die Lasten zu tragen. Aus Sicht der Parlamentarischen Linken werden die ganz großen Vermögen bisher zu wenig beteiligt. Sie sind gerade auch in den Krisen weiter angewachsen. Deshalb haben wir den Vorschlag einer Vermögensabgabe gemacht, um die gesellschaftliche Solidarität besser zu organisieren und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Wie genau stellen Sie sich die Besteuerung der großen Vermögen vor?
Im Moment gibt es eine vermögensbasierte Besteuerung nur im Zuge der Erbschaftssteuer. Dort werden hohe Vermögen jetzt schon erfasst und bewertet und die Erben, je nachdem, wie viel sie bekommen, besteuert. So stellen wir uns das auch mit einer Vermögensabgabe vor. Die hohen Vermögen werden bewertet, Schulden werden abgezogen und vom verbleibenden Nettovermögen wird dann ein Prozentsatz ans Finanzamt abgeführt.
Welchen Anteil wollen Sie abschöpfen?
Konkret wollen wir uns nicht festlegen, das muss politisch entschieden werden. Aber auf Basis der wissenschaftlichen Dokumente, die wir auch zur Erarbeitung dieses Konzeptes herangezogen haben, wären aus meiner Sicht zum Beispiel 10 Prozent ein ganz guter Wert.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 die damals geltende Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärt, weil Immobilien nicht gerecht bewertet wurden. Wieso sollte es denn jetzt klappen?
Das Verfassungsgericht hat damals nicht gesagt, dass die Besteuerung von Vermögen grundsätzlich verfassungswidrig ist, sondern nur eine Berechnungsmethode für verfassungswidrig erklärt. Und es wäre gut gewesen, das zu bereinigen und nicht für mehrere Jahrzehnte einfach auf diese Einnahmequelle zu verzichten. Schließlich schafft eine faire Besteuerung von Vermögen Gerechtigkeit. Unsere Aufgabe ist jetzt, für eine stabile Berechnungsmethode zu sorgen. Ich bin sicher, dass das gelingen kann.
Technisch könnte es also gehen, aber politisch wird es schwierig. Die FDP hält Steuererhöhungen für Sabotage. Scheitert eine Vermögensabgabe spätestens an Christian Lindner?
Christian Lindner hat erst mal die Aufgabe, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren, weil er ja 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten will. Und er schlägt gleichzeitig auch Steuerentlastungen im Zuge der kalten Progression vor. Am Ende muss er sich natürlich die Frage stellen, wie das mathematisch aufgehen soll. Und unserer Meinung nach geht es eben nicht auf, und wir brauchen weitere Einnahmen. Dieser Diskussion müssen sich Christian Lindner und die FDP ideologiefrei stellen.
Zurzeit kann Lindner sich noch der Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz gewiss sein. Wünschen Sie sich eine forschere Positionierung des Bundeskanzlers? Die Besteuerung von Vermögen hat die SPD schließlich in ihrem Wahlprogramm beschlossen.
Olaf Scholz hat zu diesen Themen ja schon eine klare persönliche Position, die auch bekannt ist. Ich sehe es vor allem als Aufgabe der Bundestagsfraktion, da weiter Druck zu machen. Und ich würde mir wünschen, dass die Regierung insgesamt am Ende zu dem Schluss kommt, dass eine einmalige Vermögensabgabe angesichts der enormen anstehenden Herausforderungen richtig ist.
Diskutiert wird gerade auch über eine Steuer auf Übergewinne, also Gewinne, die Unternehmen in und durch die Krisen über das normale Maß hinaus erzielt haben. Ist das eine Alternative zur Vermögensabgabe?
Es geht da um unterschiedliche Dinge. Bei der Übergewinnsteuer geht es um Krisengewinner, etwa Stromkonzerne, die jetzt in einem sehr kurzen Zeitraum sehr hohe Zufallsgewinne machen. Da könnte der Staat sagen: Dafür habt ihr nichts getan, also beteiligt euch im Gegenzug stärker am Gemeinwesen. Bei der Vermögensabgabe geht es vor allem um Privatvermögen, die über Jahrzehnte gewachsen sind. Ich glaube, wir brauchen beide Instrumente. Das sind verschiedene gerechtigkeitsorientierte Debatten, die aus meiner Sicht beide notwendig sind.
Nun gibt es ja auch von den Grünen Vorschläge, die in eine ähnliche Richtung gehen. Ist das ein Wettbewerb um „wer macht die forschesten Vorschläge, die am meisten bringen“ oder agiert man da gemeinsam?
Natürlich ist jeder Koalitionspartner erst mal frei und unabhängig in seinen Äußerungen. Ich freue mich aber, dass die Grünen ähnliche Ansätze in dieser Krisensituation haben, sowohl was die Vermögensabgabe angeht, aber auch in Bezug auf die Übergewinnsteuer.
Gibt es innerhalb der Ampel nun eine Blockbildung gegen die FDP?
Ich finde es gut, dass wir, SPD und Grüne, in dieser Sache ähnliche Positionen haben, aber es wird keine Blockbildung innerhalb der Koalition geben.
Aber wenn es in den kommenden Wochen um die Diskussion des Haushalts und dessen Verabschiedung geht, können in der Koalition doch schon ordentlich die Fetzen fliegen, oder?
Es ist gut so, dass wir in der Koalition engagiert diskutieren. Es ist gerade keine einfache Situation, und wir haben in dieser Frage eben sehr unterschiedliche Ideen. Aber ich bin sicher, dass wir einen guten Weg für unser Land finden werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen