Debatte über Übergewinnsteuer: Nicht sofort beiseitelegen

Eine Übergewinnsteuer einzuführen ist in Deutschland rechtlich kompliziert. Aber es kann nicht sein, die Idee sofort zu verwerfen.

Ölpumpen

Für die Demokratie wird es gefährlich, wenn Wenige hemmungslos profitieren: Wintershall-Ölfeld Foto: Richard Wareham/imago

Die Demokratie ist wunderbar, aber immer gefährdet, denn sie leidet an einem strukturellen Widerspruch. Demokratien gehen davon aus, dass alle Menschen gleich sind – weswegen jeder Erwachsene genau eine Stimme hat. Doch diese politische Gleichheit spiegelt sich nicht in der Wirtschaft wider. Das Volksvermögen ballt sich in den Händen weniger Familien und Konzerne.

Diese Spannung ist schon im Normalbetrieb schwer auszuhalten, doch in einer Krise wird es politisch gefährlich. Der Ukrainekrieg hat den perversen Effekt, dass die Energiekonzerne zusätzliche Milliarden scheffeln, während ärmere Familien an ihren Heizkosten verzweifeln.

Der Staat muss diese Ungerechtigkeiten minimieren. Sonst ist abzusehen, dass die Rechtsradikalen an Zulauf gewinnen, indem sie sich als Vertreter der „kleinen Leute“ inszenieren. Der damalige italienische Ministerpräsident Mario Draghi hatte diese Gefahr schon im März erkannt – und eine Übergewinnsteuer eingeführt, die Teile der Extraprofite wieder abschöpft.

Allerdings ist die Rechtslage in Deutschland anders. Das Grundgesetz verbietet es, Gleiches ungleich zu behandeln. Konkret: Nicht nur Energiekonzerne machen Übergewinne. Auch die Hersteller von Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen profitieren im Übermaß. Die Autokonzerne wiederum machen Extragewinne, weil sie durch die Corona-Lieferkettenprobleme höhere Preise durchsetzen konnten.

Gebrochenes Gleichheitsversprechen

Das Grundgesetz würde nun verlangen, dass alle Übergewinne gleich behandelt werden. Diese Berechnungen dürften kompliziert sein. Ebenfalls ungeklärt ist, was eigentlich passiert, wenn die Firmen irgendwann ein Minus machen sollten. Bekommen sie dann Geld zurück vom Staat, weil sie „Überverluste“ verbuchen?

Diese Fragen sind nicht trivial. Aber die Antwort kann nicht sein, eine Übergewinnsteuer von vornherein zu verwerfen. Denn für die Demokratie wird es gefährlich, wenn die BürgerInnen das Gefühl haben, dass das Gleichheitsversprechen gebrochen wird – und Wenige hemmungslos profitieren dürfen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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