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Russlands Aggression gegen die UkraineGanz nach Putins Plan

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Militärisch dürfte Russland einen Krieg mit der Ukraine gewinnen. Doch Putin beschränkt sich aufs Drohen: Der Blutzoll wäre wohl selbst ihm zu hoch.

Ukrainischer Soldat an der Linie zum pro-russischen Separatistengebiet Foto: dpa

S eit Wochen fährt der Kreml Kriegsgerät und Soldaten an der Grenze zur Ukraine auf. Mehr als 80.000 Mann sollen sich auf russischer Seite in Stellung gebracht haben. Es sind bedrohliche Truppenverlegungen, die allerdings nicht auf unbegrenzte Zeit vorgenommen werden können. Irgendwann muss das Provisorium einer anderen Lösung weichen.

Die Bedrohung der Ukraine ist real, seit der Annexion der Krim, der Besetzung des Donbass und der Ausgabe russischer Pässe an die Bewohner der besetzten Gebiete. Auch der Lärm in Russland beunruhigt, wo der Chef des ukrainischen Konsulats in Sankt Petersburg am Freitag wegen angeblicher Spionage festgenommen wurde. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß. Russlands Militaristen halten es für besonders propagandawirksam, einen Gegner der Spionage zu verdächtigen.

Die Logik kann nur die eines Geheimdienstes sein, der die Staatsgeschäfte führt. Moskau setzt auf Drohgebärden. Auch wenn sie zunächst nur der Abschreckung dienen, so könnte jeder unkontrollierte Funke doch einen Großbrand auslösen. Zweifellos: Moskau dürfte als Sieger aus einem kriegerischen Konflikt hervorgehen. Doch zu welchem Preis? Schon nach der Krimbesetzung hatte der Kreml die Ukraine verloren. Putin wird sie zu Lebzeiten nicht mehr „heimholen“ können, welche Manöver er auch unternimmt. Der Blutzoll wäre selbst ihm zu hoch.

Putins Trumpf ist die Unentschlossenheit des Westens. Der ist ukrainemüde. Moskaus Autoritarismus ist da schon geordneter. Nach wie vor beherrscht auch die Erinnerung an den 2. Weltkrieg die russische Opferdominanz. Der Blutzoll der „bloodlands“, der Ukraine und Belarus, hat es auch in der Historie neben Russland schwer, anerkannt zu werden.

Zunächst wird Putin den Druck nicht verringern. Der Kreml kann nicht verkraften, dass Kiew sich nicht an die Minsker Vereinbarungen halten und erneut zum Satellitenstaat werden möchte. Russlands politische Elite hält die Ukrainer für „Kleinrussen“, die zu den Großrussen einfach dazu gehören.

Wie wenig die Ukraine bislang im Umfeld der EU angekommen ist, belegt der Umgang der deutschen Kommissionspräsidentin mit Kiew. Ursula von der Leyen lehnte die Einladung zum ukrainischen Unabhängigkeitstag von der Sowjetunion im August ab: Terminprobleme – selbst im Urlaubsmonat?

Der Kremlchef dürfte sich auf die Schenkel klopfen. Alles läuft wie geplant, selbst Nord Stream 2 bauen die Berliner weiter. Noch gibt es für Putin keinen Grund, moderater aufzutreten.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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17 Kommentare

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  • Eine Rückkehr der Krim mitsamt der dort lebenden Bevölkerung, die dem Euro-Maidan eher kritisch gegenüber steht, zuzüglich der Menschen im Donbass würde die Ukraine die alten Mehrheitsverältnisse verschaffen, die mit dem Maidan überwunden werden sollten. Auch die derzeitige ukrainische Führung hat daher kein Interesse an einer Beilegung des Konflikts.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das alte Spiel. Was soll man auch anderes machen als Krieg führen, wenn einem langweilig ist?

  • Für Putin ist das Aufrechterhalten der Spannungen vor allem innenpolitisch motiviert, er wurd damit nicht aufhören, sondern durch einen ständigen Wechsel von vor und zurück sein Feuerchen am Laufen zu halten und die Ukraine zu zermürben. Ihn kostet das bislang nichts und höchstens eine sehr harte Politik der neuen US- Regierung kann vielleicht irgendetwas bewirken. Aber selbst das ist unwahrscheinlich. Das Hauptproblem, was die Ukraine betrifft, ist tatsächlich Deutschland. Aber vielleicht überrascht uns ja demnächst eine schwarz- grüne Bundesregierung positiv.

  • Faszinierend, dass der Text es schafft, die Situation scheinbar zu analysieren, ohne die Buchstabenkombination „NATO“ zu benutzen.

    Eine stark verkürzte und irreführende Darstellung. Wo bleiben die Hinweise auf „Defender Europe 2021“, das riesige NATO Manöver vor Russlands Haustür?

    Wollen Sie vielleicht mal die Einkreisung Russlands (und Chinas) thematisieren, die stark ungleichen Militärbudgets oder zumindest die ganze Vorgeschichte der aktuellen Ukraine Misere?

    • @Jon Lydon:

      LOL, Du liebe Güte, 28.000 Soldaten sind ein "riesiges Manöver"? Was waren dann "Kaukasus 2020" mit 80.000, oder "Tsentr 2019" mit 130.000 oder gar "Wostok 2018" mit 300.000 Soldaten?



      Und wie wäre es, wenn die Putinisten mal begännen, über Truppenstärken oder Zahlen von Panzern oder Raketen zu reden statt über Militärbudgets, wo jeder Grundschüler weiß, dass in verschiedenen Ländern Güter unterschiedlich viel Geld kosten?

      • @Kaboom:

        Ich bin kein „Putinist“, aber Pazifist. Und Freund der Wahrheit. Wollen Sie Krieg?

        DE 2021 ist ja nur ein Manöver von vielen. Was sagen Sie denn nun zur NATO Osterweiterung und der Einkreisung? Oder können Sie nur Nebelkerzen zünden?

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @Jon Lydon:

          Die NATO kann Russland nur einreisen wenn sie Russland gefährden kann, aber eine konventionelle Bedrohung Russlands durch die NATO existiert nicht. Die NATO Osterweiterung hat die Balten vor einem Schicksal wie das der Ukraine gerettet.

          • @83379 (Profil gelöscht):

            Sie könnten ja mal recherchieren:

            - Wieviele Militärbasen hat Russland/haben die USA im Ausland?

            - Wieviele Kriege aktuell wurden durch offene NATO Intervention begonnen, wieviele gehen auf das Konto Russlands? Syrien nicht mitzählen, denn Russland ist die einzige ausländische Macht, die dort im Einklang mit dem Völkerrecht gerufen wurde.

            - Wieviele angebliche Kriegsbegründungen der NATO haben sich inzwischen als unwahr herausgestellt?

            Wenn sie das alles objektiv geklärt haben, überlegen Sie doch noch mal, ob die aktuelle Story „Russland als Aggressor“ nicht doch ein bisschen zu plakativ und praktisch ist.

      • @Kaboom:

        Waffenzahl Truppenstärke angeführt von den USA.



        Man kann im übrigen bei streitenden Parteien keine bevorzugen und alle kritisch betrachten. Man ist nicht "Putinist", weil man das agieren der NATO-Partner ziemlich heuchlerisch sieht und die Feststellung absichtlich um entscheidende Punkte gekürzt.

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @Hampelstielz:

          Deren Kräfte über Die Welt verteilt sind was steht an Kräften für eine Verteidigung Osteuropas realistisch bereit? Glauben sie China, Iran etc. wartet ab ob die NATO ihren Verbündeten Russland besiegt? Sollte es zu einem Krige kommen werden die Europäer sich selber verteidigen müssen und da sieht es mau aus.

  • Das war wohl nichts Herr Donath.

    "Der Kreml kann nicht verkraften, dass Kiew sich nicht an die Minsker Vereinbarungen halten und erneut zum Satellitenstaat werden möchte"

    Die Vereinbarungen von Minsk sind zwischen der Ukraine und den Gebieten im Donbass ausgehandelt worden. Russland, Deutschland und Frankreich sind bestenfalls Mediatoren gewesen. Die Reglungen sehen eine begrenzte Autonomie vor. Wenn Herr Donath nun vom Satellitenstaat spricht, folgt er zwar dem Getöse der ukrainischen Regierung, die lieber heute als morgen die Gebiete gewaltsam zurückholen möchte, und dafür auch einen Bürgerkrieg riskiert, aber er schreibt nicht über die Vereinbarungen, und nicht über die Schikanen der Zentralregierung gegenüber der eigenen Bevölkerung. Er schreibt nicht darüber, dass Kiew keine einzige der Vereinbarungen umgesezt hat.

    Es wäre an der Zeit nicht Russland für die nicht Verwirklichung der Minsk2 Vereinbarungen zu sanktionieren, sondern auch Kiew.

  • Es ist schon spannend, wie hier manche Umkehrungen betrieben werden:

    "Der Kreml kann es nicht verkraften, dass Kiew sich nicht an die Minsker Vereinbarungen halten will ..."

    Ist es nicht eigentlich so, dass die Nichteinhaltung einer Vereinbarung ein unzulässiges Verhalten darstellt, und dass eigentlich DE und FR auch in der Pflicht wären, der Ukraine darzulegen, dass Vereinbarungen eingehalten werden müssen?

    Oder plädiert der Kommentator dafür, dass das Einhalten von Vereinbarungen beliebig ist? Letzteres wäre eher trumpsch.

  • Falsch! Putin beschränkt sich nicht aufs Drohen.



    Die Annektion des Ufers am Asowschen Meer ist seit lange beabsichtigt. Deshalb wird das Gebiet Noworussia genannt und für die vollständige Annektion des Donbass werden Pässe ausgeteilt.



    Seit Jahren wird die Braunkohle aus dem Donbass nach Russland abtransportiert.



    Diese weitere Offensive wird die EU auch weiter politisch zerstören.



    Jedes Appeasement ist falsch!

  • Absolut überfällig, dass die europäische Union die Energiewende so schnell es geht durchzieht, damit wir unabhängig werden von einer fragilen Energieversorgung aus Russland.

    • @Paule :

      Genau, wir brauchen unbedingt das Fracking- Gas des grossen Bruders.

  • "Noch gibt es für Putin keinen Grund, moderater aufzutreten."



    Eben, den wird es erst geben, wenn bei den Europäern der Groschen gefallen ist. Dass es nämlich eine erheblich härtere Gangart im Umgang mit Putin braucht: personale Sanktionen gegen Putins Umfeld. Wenn für dieses Umfeld Putin zum Problem wird statt zum Garanten für persönliche Bereicherung und Dolce Vita im Westen. Dann gibt es eine Chance auf Wandel in Russland.

    • @Michael Myers:

      Wie rührend sich doch alle um Russland und deren Einwohner sorgen oder dies vorgeben. Geostrategie und Moral und Ethik sollte man voneinander trennen und weder eigener, noch fremder Propaganda auf den Leim gehen.