Russland-Nato-Krise: Der Weg ist nicht das Ziel
Der Konflikt mit Russland kann nur dann dauerhaft gelöst werden, wenn der Westen – anders als in Afghanistan – weiß, was er eigentlich erreichen will.
W er Zweifel hatte, ob Olaf Scholz die Rolle des Bundeskanzlers ausfüllen kann, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Sein Auftritt mit Wladimir Putin in Moskau war großes Kino. Souverän und wortgewandt konterte er die Behauptungen des russischen Präsidenten. Die Bälle flogen hin und her – selten ist eine Pressekonferenz so spannend und aufschlussreich verlaufen. Gekrönt wurde Scholz' Besuch in der russischen Hauptstadt von der Nachricht, dass die ersten Soldaten von der russisch-ukrainischen Grenze zurück in ihre Kasernen beordert worden seien.
Doch was zunächst wie ein Schritt in Richtung Entspannung und Frieden aussah, hat sich inzwischen als eine weitere Nebelkerze des Kremls entpuppt. Tatsächlich hat sich die Lage weiter zugespitzt, denn Putin hat inzwischen mit der Behauptung, in der umkämpften Ostukraine drohe ein Genozid, eine Rechtfertigung für eine Invasion auf den Verhandlungstisch geknallt. Von Truppenabzug ist offenbar keine Spur und zum ersten Mal seit gut 30 Jahren nimmt Russland an diesem Wochenende nicht an der Münchner Sicherheitskonferenz teil.
Die diplomatischen Kanäle dürften gerade glühen und auch in München wird sich alles um die Frage drehen: Wie kann ein Krieg verhindert werden? Doch dieses kurzfristige und unbestreitbar wichtige Ziel reicht nicht, um außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig zu sein. Gerade die vergangenen Tage haben gezeigt, dass Putin nach Belieben die Alarmlampen aus- und wieder anknipsen kann und der Westen dabei keine gute Figur macht.
Der Grund dafür ist einfach: Die Nato-Staaten und die EU haben kein langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit Russland gemeinsam erreichen? Will der Westen durchsetzen, dass alle Staaten, auch die in Osteuropa, frei darüber entscheiden können, welche Bündnisse sie wählen und wohin sie sich orientieren? Oder ist das vorrangige Ziel, Russland sicherheitspolitisch zu integrieren, selbst wenn es bedeutet, dass man russische „Einflussphären“ anerkennt? Frei nach dem Motto: Hauptsache, es bleibt friedlich.
Kein zweites Afghanistan
Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, doch es hilft niemandem, sie beiseite zu schieben. Der Weg ist ja nicht das Ziel. Verhandeln allein bringt wenig, wenn man das Ende nicht mitdenken kann. Auch der Streit darüber, was der Westen Russland in Bezug auf Nato-Osterweiterung versprochen hat oder auch nicht, bringt nicht weiter. Die Gespräche sind lange her und Zusagen, so es sie denn gab, können nicht für alle Zeiten und unter allen Umständen gelten.
Wie fatal eine ziellose Sicherheitspolitik des Westens sein kann, hat der Einsatz in Afghanistan gezeigt. Während die einen nur irgendwie ein bisschen Frieden zu sichern gedachten, wollten andere Al-Kaida vernichten, die Taliban dauerhaft vertreiben und einen „Regime Change“ erreichen. Die einen sprachen von Krieg, bei anderen war es das Wort, das nicht genannt werden darf. Ob der lange Einsatz in Afghanistan am Ende Sieg oder Niederlage war, kein niemand sagen. Denn was war nochmal das Ziel? Genau, es gab kein gemeinsames.
Und Afghanistan ist keine Ausnahme. Auch bei anderen Einsätzen und Konflikten – Mali oder Irak etwa – bleibt im Nebel, welches Ende anvisiert ist. Selbst die besten Strategien sind aber nur dann wirksam und erfolgreich, wenn klar ist, was man erreichen will.Schon bei der Annektion der Krim war außer scharfen Verurteilungen und Sanktionen, die Putin nur mäßig beeindruckten, nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Will man erreichen, dass Russland die Krim wieder verlässt?
Oder soll verhindert werden, dass sich eine solche kalt durchgezogene Landnahme wiederholt? Und mit welcher Strategie soll sie verhindert werden? Es wird deshalb höchste Zeit, dass die Nato-Staaten und die EU sich über die aktuelle Krise hinaus verständigen, wie die zukünftige Sicherheitsarchitektur in Bezug auf Russland aussehen soll und wieviel sie kosten darf. Schließlich treffen harte Sanktionen nicht nur Putin.
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist der ideale Ort, um solche Ziele zu besprechen und Strategien zu entwickeln. Aber Reden allein ist noch keine Außen- und Sicherheitspolitik.
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