Roger Waters im Konzert: Putins britischer Nachtwolf

Der kontroverse Rockstar Roger Waters startet in Hamburg seine Tournee. Mit dabei ist ein fliegendes Schwein und die übliche Holocaustrelativierung.

Ein Mann hinter rot-weißem Hintergrund mit Mikrofon

Roger Waters in Hamburg Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

„Wer entscheidet, was gut und wer böse ist? Die Regierung! Die verdammte Regierung? Fuck me? Fuck you!“ Roger Waters hat eine Meinung. Und er hat ausreichend Ruhm und Geld, um sie in fünf Meter hohen leuchtenden Versalien vor gut 7.000 Menschen über eine Leinwand flackern zu lassen. Wir sind in Hamburg, in der großen Mehrzweckhalle im Westen der Stadt. Der Mitbegründer der Band Pink Floyd spielt am Sonntag das erste Deutschland-Konzert seiner Tour. „This Is Not A Drill“ hat er sie betitelt – „Dies ist keine Übung“.

Es gibt sicher gute Gründe, den Ernstfall auszurufen. US-Präsidenten von Ronald Reagan bis Donald Trump auf der Riesenleinwand als Kriegsverbrecher zu bezeichnen, auch das lässt sich begründen. Auch Joe Biden wird diese zweifelhafte Ehre zuteil, mit dem Zusatz „Just getting started“ – er habe gerade erst begonnen. Vor dem Hintergrund von Waters’ Äußerungen zum Angriff auf die Ukraine – der Westen als Provokateur, Putin sei angetreten, gegen die ukrainischen Faschisten zu kämpfen – wiegt das schwerer als der übliche platte Antiamerikanismus des 79-jährigen Briten.

Die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen hatten versucht, das Waters-Konzert in der Frankfurter Festhalle Ende des Monat verbieten zu lassen, mit Hinweis auf die wiederholten antisemitischen Äußerungen des Musikers. Waters ist gerichtlich dagegen vorgegangen und hat gewonnen. Jetzt lässt er in einer Ansage in Hamburg verkünden: Ein Gericht in Frankfurt habe festgestellt, dass er kein Antisemit sei, und dass er das „exzellent“ finde.

Festgestellt hat das Verwaltungsgericht lediglich, dass bei Waters’ Konzert nicht mit Volksverhetzung und der Verwendung verfassungswidriger Symbole zu rechnen sei. Das Urteil, ob Waters Antisemit ist oder nicht, dürfte ein Gericht nur schwer fällen können.

George Orwell hatte recht

Aber was juckt das einen Lautsprecher wie Waters, der auf der Hamburger Bühne seinen „White Saviour“-Komplex in eitelster Weise auslebt: Bilder von Bombenexplosionen und hungernden Kindern flimmern über die Leinwand, während er in die Gitarrensaiten greift und Pink-Floyd-Songs spielt – oder, wie er sagt: Musik aus einer früheren Zeit, „als ich meine Songs in einer anderen Band gespielt habe“.

Aldous Huxley und George Orwell hatten recht mit ihren Dystopien, verkündet Waters. Und er hätte genauso recht gehabt, als er seinen Song „Sheep“ schrieb, in dem er Menschenmassen als Schafherde beschreibt, die sich willenlos zur Schlachtbank führen lässt. Zu seinem Song „The Powers That Be“ laufen Bilder von schlagenden Uniformierten, dazu Namen wie George Floyd und dazwischen – aus dem Kontext gerissen – Anne Frank und Sophie Scholl.

Die Relativierung des Holocausts gehört zu Waters’ Standardrepertoire. Das fliegende Schwein, das sein Markenzeichen wurde, taucht auf der Leinwand ständig auf, bis es schließlich im Saal aufsteigt und ferngesteuert über die Ränge schwebt. Einen Davidstern trägt es nicht, aber die Verbindung mit diesem Symbol hat Waters bei seinen Konzerten so etabliert, dass es kaum noch einen Unterschied macht.

„Steal from the poor, give to the rich“ steht auf dem Schwein – und man fragt sich, ob der Multimillionär sein Publikum für so dumm hält, dass es nicht einmal auf die Idee kommt, eine Parallele zu ihm zu ziehen, der für die billigsten Plätze noch über hundert Euro verlangt.

Totalitäre Bühnenshow

Am Auffälligsten ist, was für totalitäre Züge die Bühnenshow selbst trägt. Waters haut nonstop Slogans raus. Bis auf einige Stücke, bei denen er am Klavier sitzt, liegt eine visuelle Inszenierung über der Musik, die schon immer einen Hang zur Überwältigung hatte – an diesem Abend geht sie voll auf die zwölf. Die mitgelieferten Slogans sind so eindeutig wie die Bilder von Gewalt, Krieg und Armut.

Kunst sollte immer mehrdeutig sein, geistige Freiräume schaffen. Waters geht es vor allem darum, den Leuten seine Weltsicht einzutrichtern. In einer Ansage hat er es deutlich gemacht: „If you are one of those 'I love Pink Floyd, but I can’t stand Roger’s politics’ people, you might do well to fuck off to the bar right now.“ Wer Waters’ Musik will, hat gefälligst zu denken wie er. Jubel hat er in Hamburg selbst hierfür bekommen.

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