Religiöse Fußballspielerinnen: God first
Die Deutschen Sarai Linder und Giovanna Hoffmann tragen ihren christlichen Glauben offensiv nach außen. Anders als bei Muslimen ist das kein Problem.
Wenn Sarai Linder zur EM fährt, hat sie immer ihre Bibel mit dabei. So erzählt sie es unter anderem dem Podcast „Sportschau F“ der ARD. Vor jedem Spiel bete sie, manchmal bekomme sie von der Familie noch einen Bibelvers zugeschickt. Auch, was Sarai Linder betet, weiß man. Zum Beispiel: „Herr, schenk mir ein gutes Spiel, pass auf uns alle auf, dass wir verletzungsfrei aus dem Spiel gehen und alle Spaß haben.“ In ihrer Insta-Bio steht „God first“. Dort postet die deutsche Linksverteidigerin Bibelverse oder kommentiert ihren Abschluss als Physiotherapeutin mit dem Spruch „Für Gott ist nichts unmöglich“.
Ähnlich offensiv religiös präsentiert sich DFB-Angreiferin Giovanna Hoffmann. Auch sie hat nach eigenen Angaben ihre Bibel dabei und liest darin jeden Tag. Hoffmann trat gar beim Sender „Bibel TV„auf, wo sie Dinge sagt wie:„Es war für mich nie fraglich, dass die Bibel Autorität hat und dass es wirklich die Wahrheit ist.“ Sünde habe sie einst von Gott getrennt, jetzt ist das aber wohl in Ordnung gebracht.
Hoffmann ist auch aktiv beim Verein „Fußball mit Vision“, eine 2022 gegründete Gruppe von Fußballprofis, die ihre Plattform nutzen wollen, um „Gott die Ehre zu geben“. Der Verein will etwa Fußballer:innen „nach biblischen Prinzipien“ supporten, geht aber auch an Schulen oder bietet Trainingseinheiten an, wo Schusstechnik und Nächstenliebe zusammenfinden sollen. Hoffmann sei regelmäßig an Schulen unterwegs.
Gegen die pfeilschnellen Französinnen hilft Rumpeldeutschland wahrscheinlich tatsächlich nur noch Beten. Ganz ironiefrei aber ist es auffällig, dass mindestens zwei Spielerinnen des aktuellen Teams streng religiös sind und ihren christlichen Glauben auch so offensiv nach außen tragen. Im deutschen Frauen-Nationalteam ist das neu.
Üblich bei den Männern
Im Männerfußball ist christlich-religiöse Missionierung vor allem bei Profis aus Südamerika und Südeuropa fester Bestandteil der Fußballkultur, inklusive tätowierter Rosenkränze, Madonnen und Engelsflügel. Und vor allem viele muslimische Kicker präsentieren sich offensiv fromm und konservativ, wenngleich das nicht immer mit dem Lebenswandel einhergeht. Zu den prominenten muslimischen deutschen Kickern mit großem religiösem Pathos zählen Mesut Özil und Antonio Rüdiger.
Während muslimische Spieler für ihre religiösen Posts und Gesten immer wieder deutlicher Medienkritik oder rassistischer Hetze ausgesetzt waren, wirft den christlichen Fußballerinnen kaum jemand Radikalität oder Missionierungsversuche vor. Überall dürfen sie völlig ohne kritische Fragen referieren. Natürlich ist ihre Religiosität nicht per se problematisch. Es ist gut, wenn Fußballerinnen sich ethische Gedanken machen. Doch dem autoritären Diskurs von Sünde, der Bibel als totaler Wahrheit und Jesus, der als Einziger „wirklich nachhaltige Lösungen für alle Probleme hat“ (Giovanna Hoffmann), könnte man ja schon mal kritische Fragen stellen. Zumal bei Hoffmanns Engagement für die zweifelhafte Missions-Organisation „Fußball mit Vision“, deren Mitglied Felix Nmecha auch queerfeindliche Äußerungen tätigte. Was Hoffmann oder Linder darüber denken, weiß man nicht.
Wenn muslimische Fußballer an Schulen für den Propheten werben gingen, bliebe das jedenfalls nicht so unwidersprochen. Ob das strenggläubige Doppel Linder und Hoffmann eine statistische Zufälligkeit ist oder durchaus mit dem Aufstieg neukonservativer und christlich-fundamentalistischer Ideologien zusammenhängt, bleibt zu beantworten. Beide schildern einen ähnlichen Weg: Nach eigenen Angaben aus sehr christlichen Familien stammend, und für beide sei der Fußball nicht das Wichtigste im Leben, sondern ein Werkzeug Gottes. „Gott hat mir das Talent geschenkt, er wird einen Grund dafür haben“, beschreibt Linder ihren erleuchteten Kick. „Gott hat mich dafür gemacht und mir Talent gegeben, diesen Beruf zu machen, aber es ist zu seiner Ehre“, doziert Hoffmann fast wortgleich.
Fürs Spiel gegen Frankreich gilt aber leider: Gott ist kein Wunschautomat, so nämlich Hoffmann in einem Video von „Fußball mit Vision“. „Wer nur am Spieltag Bibel liest, verliert das Leben. Wer nur die Bibel missbraucht, um Kraft von Gott zu bekommen, verliert.“ Noch schnell zweckmäßig mit der Bibellektüre anfangen zum Schutz vor Baltimore und Katoto, das lohnt also auch nicht mehr.
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