piwik no script img

Rechtsextremer Anschlag in HalleBestürzung nach den Schüssen

Nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle herrscht Fassungslosigkeit unter Politikern und in der jüdischen Gemeinde. Die Tat war wohl lange geplant.

Zwei Frauen zünden eine Kerze auf dem Marktplatz von Halle zum Gedenken an die Ermordeten an Foto: dpa

BERLIN taz | Nach dem rechtsextremen Anschlag von Halle haben Menschen in mehreren Städten der zwei Toten und Verletzten gedacht. In Berlin beteiligte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend an einer Solidaritätsaktion an der Synagoge in der Oranienburger Straße. Ihr Sprecher sprach von einem „Zeichen der Verbundenheit“. Der Zentralrat der Juden forderte derweil einen besseren Schutz für jüdische Einrichtungen.

Am Mittwoch hatte der Rechtsextremist Stephan B., schwerbewaffnet und in Kampfmontur, versucht, die Synagoge in Halle (Sachsen-Anhalt) zu stürmen. Die Tat übertrug er live ins Internet. Als der 27-Jährige an der Tür des Gebetshauses scheiterte, erschoss er eine Passantin. Dann fuhr er mit seinem Auto, einem Leihwagen, durch die Stadt und erschoss, als er einen Dönerimbiss entdeckte, auch dort einen Mann – einen „Kanaken“, wie er in dem Video sagte. Nach einem Schusswechsel mit der Polizei floh Stephan B. aus der Stadt, kaperte ein Taxi und wurde später auf einer Landstraße außerhalb von Halle festgenommen.

Der Anschlag hatte für einen Polizeigroßeinsatz und einen stundenlangen Ausnahmezustand in Halle gesorgt. Anfangs hatte auch die Polizei von mehreren flüchtigen Tätern gesprochen. Später war in Sicherheitskreisen nur noch von einem Einzeltäter die Rede: Stephan B.

Inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft zu dem Fall. Noch am Abend gab es eine Durchsuchung nahe Eisleben (Sachsen-Anhalt). In der Region soll Stephan B. leben. Der 27-Jährige selbst wurde nach seiner Festnahme medizinisch behandelt, weil er bei seiner Tat eine Verletzung am Hals erlitt.

Gezielt an Jom Kippur

Derweil zeichnet sich ab, dass Stephan B. die Tat längere Zeit vorbereitete. In einem im Internet veröffentlichten Manifest, das B. zugeschrieben wird, ist die Rede davon, dass ursprünglich ein Anschlag auf eine Moschee oder ein „Antifa-Kulturzentrum“ geplant gewesen sei. Der Hauptfeind aber seien die Juden, so der Autor. Den Anschlag habe er gezielt für Jom Kippur geplant, dem Feiertag, den Juden am Mittwoch begingen. Denn auch nichtreligiöse Juden würden an diesem Tag oft die Synagoge besuchen.

Auch hatte der Attentäter die Synagoge zumindest grob ausgekundschaftet. In dem Manifest wird beschrieben, wie schwierig es sei, in das Gebetshaus in Halle zu kommen, da dieses von hohen Mauern und einer gesicherten Tür geschützt sei. Er wolle es dennoch versuchen, schreibt der Autor. Wenn nur ein Jude getötet würde, wäre es das schon wert.

In dem Manifest werden zudem die Waffen für den Anschlag präsentiert: fünf Gewehre, eine Pistole, ein Schwert, dazu mehrere Handgranaten, Rohr- und Nagelbomben sowie 730 Schuss Munition. Etliche Waffen seien selbst ausgebaut, die Granaten etwa „Monate im Voraus“ präpariert worden, heißt es.

Einige der Waffen sind auch in dem knapp 36 Minuten langen Tatvideo zu sehen, das der taz vorliegt. Gleichzeitig ist zu erkennen, wie Stephan B. immer wieder Probleme mit seinen Gewehren hat. Er selbst nennt sich daraufhin einen „Versager“. „Ich habe definitiv bewiesen, wie wertlos improvisierte Waffen sind.“ Wäre es nicht zu den Aussetzern gekommen und wäre B. in die Synagoge gelangt, hätte es wohl weit mehr Opfer gegeben.

Plattform Twitch: „Geschockt über die Tragödie“

Seine Tat richtete der 27-Jährige dabei offenbar gezielt an eine rechte Online-Community. Dort wurde vor der Tat ein Link zum Livestream verschickt. Das Manifest ist in Englisch verfasst, teils bewusst zynisch. Auch in seinem Tatvideo spricht Stephan B. auf Englisch, nennt sich selbst „Anon“ – ein beliebtes rechtes Online-Pseudonym. Dann leugnet er den Holocaust, macht den Feminismus für niedrige Geburtenraten verantwortlich, die zu Massenimmigration führten. Und nennt „den Juden“ als Grund aller Probleme.

Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

Vorbild für die Tat von Halle scheint damit das Attentat im neuseeländischen Christchurch vom März zu sein. Dort hatte ein Rechtsextremist in zwei Moscheen 51 Menschen erschossen. Auch er hatte sich in Kampfmonteur gekleidet, seine Tat online übertragen und in einem Manifest rechtsextreme Motive angeführt. Anders als der Christchurch-Anschlag wurde die Tat von Stephan B. in einschlägigen Internetforen indes kritisiert: Diese sei viel zu dilettantisch ausgeführt worden.

Die Livestream-Plattform Twitch, auf der die Tat übertragen wurde, teilte mit, man sei „geschockt und betrübt über die Tragödie“. Fünf Personen hätten das Video live, 2.200 Menschen nachträglich angeschaut. Dann sei es gelöscht worden. Auch Facebook, Google und Twittert erklärten, eine Verbreitung des Videos stoppen zu wollen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte die Tat von Halle einen „neuen Ausdruck des wachsenden Antisemitismus in Europa“. Er forderte die deutschen Behörden auf, „weiterhin entschlossen“ dagegen vorzugehen.

Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sprach von „Entsetzen und Erschütterung“ über den Anschlag. „Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock.“ Gleichzeitig formulierte Schuster scharfe Kritik. „Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös. Wie durch ein Wunder ist nicht noch mehr Unheil geschehen.“

Jüdische Gemeinde in Halle kritisiert die Polizei

Auch Max Privorozki, der Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Halle, kritisierte, dass seiner Synagoge trotz wiederholter Anfragen ein Polizeischutz verwehrt worden sei. Es habe immer geheißen, alles sei „ruhig“, sagte Privorozki in einem Video des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. Stattdessen habe am Mittwoch ein eigener Sicherheitsmann den Angreifer auf einer Überwachungskamera entdeckt. Die gut 50 anwesenden Gemeindemitglieder, darunter zehn Gäste aus den USA, hätten darauf den Flur verbarrikadiert. Privorozki kritisierte auch, dass die Polizei „zu spät“ an der Synagoge aufgetaucht sei, mehr als zehn Minuten nach seinem Notruf. Erst nach Stunden wurden die Gläubigen in Bussen evakuiert.

Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, am Donnerstag mit Zentralratspräsident Schuster nach Halle zu reisen und dort auch Gespräche mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zu führen. Die Tat sei „ein abscheulicher Angriff auf unser friedliches Zusammenleben“, sagte der CSU-Mann. Seehofer versprach dem Innenminister von Sachsen-Anhalt „jede erforderliche Unterstützung“.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kündigte an, am Donnerstag die jüdische Gemeinde in Halle besuchen zu wollen. In der Stadt sei passiert, was in Deutschland unvorstellbar schien, sagte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Sehr geehrter Herr Steinmeier,

    in den Artikel werden Sie zitiert mit dem Satz "In der Stadt sei passiert, was in Deutschland unvorstellbar schien", in der SZ stand zudem, dass diese Tat "ein Anschlag auf uns alle" sei.



    Diese Äußerungen entblößen Sie (und andere Politiker mit ähnlich wohlfeilen Worten) mehr als ein Teil des Problems als dessen Lösung, so aufrichtig Ihre Anteilnahme sicher ist.

    Nein, dieser Anschlag war in Deutschland keineswegs "unvorstellbar", ganz im Gegenteil, leider.



    Jedem halbwegs aufmerksamen Beobachter des rechten Umfelds, von dem sich dieser Täter animiert fühlen durfte, konnte schon lange gewahr werden, dass hier ein übles rassistisches, antisemitisches, ausgrenzendes, gewaltverherrlichends, gewaltbereites, sich über demokratische Normen hinweg setzendes und sich selbst als das Gesetz und dessen Vollstrecker empfindendes faschistisches Geschwür mehr und mehr ausbreitet.



    Und dass es außer wirkungslosen wohlfeilen Anteilnahmen offensichtlich keine nenneswerten Bestrebungen in der Politik gibt, dieses Geschwür konsequent zu bekämpfen.

    Im Gegenteil, müssen die jüdischen Gemeinden, vor deren Synagogen tatsächlich Polizisten Wache halten, sogar befürchten, dass es unter eben diesen "Bewachern" womöglich Sympathisanten der hasserfüllten Hetzer gibt!

    Ich schäme mich für diese nach wie vor verharmlosende und verniedlichende und dabei unwillige und unfähige "Politik".



    Selbst der Mord an einem aus ihren Reihen, Dem RP Walter Lübcke, hat nicht zu einem für mich erkennbaren Aufwachen geführt.

    Dabei liegt alles offen auf dem Tisch, die geistigen Wegbereiter dieses rechten Terrors sitzen in unseren Parlamenten und - noch öfter - in den Talkshows, und werden - wie nett - als Gutbürgerliche tatsächlich noch in der Mitte der Gesellschaft integriert.

    Doch genau diese gehörten ausgegrenzt, entlarvt, angeklagt, sie sollten den Widerstand spüren, überall in diesem Land.

    Herr Steinmeier, andere waren nicht überrascht, sondern kundig. Hören Sie jenen zu!

    • @jlMG:

      Zu der Aussage "ein Anschlag auf uns alle" möchte ich noch ergänzen, dass genau das nicht stimmt. Sicher das als Ausdruck einer Solidarität gemeint.



      Der Täter hat jedoch ganz ausdrücklich die jüdischen MitbütgerInnen gemeint, ebenso die Muslimischen, sich aber für diesen Terrorakt die jüdische Gemeinde Halle ausgesucht.

      Die mit diesem Ausdruck gemeinte "Solidarität" verwischt aber die Konturen dieses Terrors. Auf Nazis und Vertreter der AfD hätte der Täter keinen Anschlag verübt. Hat er auch nicht.



      Solidarisch kann nur der Teil der Gesellschaft sein, der nicht auf der rechten, faschistischen Seite steht, ihr nahe steht und Sympathien für sie hegt, oder gar diese vertritt.

      Die Solidarität in Worten bleibt auch solange hohl und unglaubwürdig, solange nicht wirklich konsequent gegen das rechte Gedankengut vorgegangen wird, solange staatliche Organe auf dem rechten Auge kurzichtig, wenn nicht blind bleiben, wie es es schon so lange praktiziert und eingeübt haben, wie das völlige Versagen der Ermittlungen gegen die Mörder der "NSU" hinlänglich bewiesen hat.

      Nein, Herr Steinmeier, Sie geben sich sicher Mühe und ich bestreite nicht Ihre aufrichtigen Ansichten und Absichten.



      Vor der Kulisse einer Empörung seitens der amtierenden Politik, die mehr Theaterdonner ist als zielgerichtetes und konsequentes Handeln, muss jedes Bemühen aber verpuffen und als letztlich liebloses und erfolgloses Stammeln von rhetorisch aufpolierten Worthülsen sich in heiße Luft auflösen.

      Für jeden abgelehnten Asylbewerber, der außer Landes geschafft werden soll wird, so scheint es jedenfalls, mehr Aufwand getrieben und mehr "Konsequenz" gezeigt als zur Abwehr von echten Gefahren aus dem rechten Sumpf.

      Herr Steinmeier, sorgen Sie mit dafür und setzen Sie Ihre Bemühungen dafür ein, dass sich das endlich und tiefgreifend ändert!

      Hochachtungsvoll,

      JLMG

  • Die Verharmlosung des Terros von Rechts beginnt schon damit, dass gewisse Publikationen (z. B. "Augsburger Allgemeine") respektvoll vor AfD, FPÖ, Trump und Konsorten buckeln und sich hier auffällig mit Kritik zurückhalten. Im Gegensatz dazu wird alles verteufelt, was sich irgendwie dem linken Lager zuschieben lässt (Klimademos).

    Übt man beim Gespräch in der Öffentlichkeit laut Kritik an der AfD, kann man schon mal böse Blicke ernten. So zumindest erlebt im Süden der Republik.

    Dieses ganze rechte Gedankengut, es ist wohl doch nicht so sehr weit entfernt von der Denkweise mancher, die eh schon ein kleines bisschen rechts von der Mitte stehen. Entsprechend dürftig der Widerstand gegen Rechts.

  • Sorry, aber sowas kommt dann dabei raus, wenn Politiker Vollfaschos in einem Anflug von Zweckoptimismus zu „besorgten Bürgern“ umdeklarieren.



    Kleiner Tipp an die „Sicherheitsbehörden“ - „Besorgte Bürger“ könnt ihr heute unschwer daran erkennen, dass sie sich jede Menge Waffen besorgen. Ihr braucht sie also gar nicht zu suchen, früher oder später treffen sie Euch schon.

    Die Kritik an der Polizei vom Zentralrat der Juden und von der jüdischen Gemeinde finde ich absolut berechtigt. Warum ausgerechnet an diesem Festtag trotz einer entsprechenden Bitte weit und breit keine Streife im Umfeld der Synagoge unterwegs war und die Polizei auch sonst wohl dort keinerlei Präsenz zeigte, ist überaus erklärungsbedürftig.



    Man darf jetzt schon auf die gängigen einschlägigen Ausreden sehr gespannt sein. Wie? Ihr könnt nicht an jedem Dönerstand einen Polizeiposten aufstellen? Interessant! Und 'ne einfach Fuß- oder Fahrradstreife ist nicht drin?



    Könnte es nicht so sein, dass die Polizei in manchen Gegenden die ganze braune Scheiße einfach nicht mehr wegkriegt, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten?

  • Noch ein Detail: gerade hat es die erstenUrteile in Dresden gegen die rechtsextreme „Oldschool Society“ wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ gegeben: einer hat zwei Jahre auf Bewährung bekommen.



    Kein Wunder, dass die Rechten dich da bestärkt fühlen...



    Genau so viel kriegen Linke leicht mal wegen „tätlichem Angriff“ oder „Widerstand“

  • _Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, am Donnerstag mit Zentralratspräsident Schuster nach Halle zu reisen und dort auch Gespräche mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zu führen."



    Wie wäre es stattdessen Mal mit Taten?



    Achja, gibt es ja. "EXIT" das Geld streichen zum Beispiel

  • Der rechte Dreckhaufen wird immer größer, immer dreister, und wir sind wieder einmal »tief betroffen«.



    Wie oft noch? Wann wird gehandelt?

    • @Gregor Tobias:

      Der "rechte Dreckshaufen" besteht statistisch aus jedem vierten oder fünften Ihrer und meiner Nachbarn. So eine Unterstützdichte ist für linke, kapitalismuskritische, feministische, antirassistisische, antifaschistische und auf sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit zielende Positionen unerreichbar. Warum ist das wohl so? Von nichts kommt nichts!

      • @Drabiniok Dieter:

        Ja warum ist das denn so?

        Glauben Sie dass jeder 5. Ihrer Nachbarn generisch bedingt Rassist ist? Oder zu blöd um komplizierte Antworten auf komplexe Fragen zu kapieren? Oder zu faul? Oder zu engstirnig?

        Sie scheinen in keiner schönen Nachbarschaft zu wohnen...

        • @Paco:

          "Statistisch" meint, die empirisch ermittelte Sympathie für antisemitische und rechtsradikale Positionen in unserer Gesellschaft: Jeder Fünfte = 20%; jeder Vierte = 25%

          In der Tat, ich halte eine Mehrheit in diesem Land für nicht mehr in der Lage, zu erkennen, wer und was ihr Denken bestimmt, warum ihnen immer alte und neue "Feindbilder" präsentiert und aus welchen Gründen, Abstiegsängste geschürt werden.

          Eine überwältigende Mehrheit scheint immer noch der Meinung zu sein, dass wahlweise Juden, Flüchtlinge, Muslime, Frauen, Linke... die Ursache und verantwortlich für die vielfältigen Missstände in unserer Gesellschaft sind.

          Wie ich aus Ihrem unten stehenden Beitrag ("... tatsächlichen Ursache der Frustration- der globale Raubtierkapitalismus...") entnehmen kann, haben Sie verstanden, warum das so ist. Und benannt, wer ein Interesse hat, dass es so bleibt.

          MfG

          • @Drabiniok Dieter:

            Als Ergänzung:



            Ja, zum einen würde ich Mündigkeit nicht bei den meisten Gesellschaftsmitgliedern vermuten. Zum anderen hat Nazismus, Rassismus, Nationalismus usw. aber nicht allein etwas mit Bildung oder Intelligenz zu tun. Es gibt eben auch schlaue, gebildete Nazis, Antifeminist*innen usw..

  • Noch ein pikantes Detail zu Thema Verharmlosung des rechten Terrors: nach dem Lübcke-Mord sollte ja alles getan werden, um rechtsextremistische Strukturen besser in den Blick zu kriegen, u.a. mit 400 neuen Stellen im BKA, die Seehofer angekündigt hat. Allerdings hat er dafür kein Geld in den neuen Haushalt eingestellt. Die zusätzlichen Stellen gegen islamistische Bedrohungen sind dagegen drin....

    Ich glaube die ständige Verharmlosung rechter und gleichzeitige masslose Übertreibung islamistischer und „linksextremistischer“ Bedrohungen ist vorsätzlich.



    Der Zorn der unterprivilegierten und von Abstiegsängsten geprägten Schichten wird auf Minderheiten projiziert, die Hetze und die Morde bilden ein Ventil für die Frustrationen auch derjenigen Menschen, die selbst nicht aktiv hetzen oder morden. mit dem Effekt, dass die tatsächlichen Ursache der Frustration- der globale Raubtierkapitalismus und die daraus folgende Verteilungsungerechtigkeit nicht hinterfragt werden.



    In dieser Logik sind Rechtsextremisten dann auf einmal staatstragend, wo vielleicht der eine oder andere mal „über die Stränge schlägt“.

    • @Paco:

      "Ich glaube die ständige Verharmlosung rechter und gleichzeitige masslose Übertreibung islamistischer und „linksextremistischer“ Bedrohungen ist vorsätzlich. "

      Und die Rechte würden sagen: "Ich glaube die ständige Verharmlosung linker und islamistischer und gleichzeitige masslose Übertreibung rechter Bedrohungen ist vorsätzlich."

      Mir gehen diese dämlichen Relativierungen und die Verharmlosung der "eigenen" Seite auf den Sack.



      Es gibt linken und muslimischen Antisemitismus sowie es den rechten gibt. Welche Position nun statistisch weniger Gewalttaten für sich beanspruchen können, ist scheissegal.



      Bekämpfen muss man jede Gewalttat, jeden Rassismus, jede Ausgrenzung, frei von links oder rechts verorteten Schubladen.

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Stefan L.:

        Ja, es gibt linken Antisemitismus. Den gibt es auch regelmäßig hier in der TAZ-Kommentarspalte und ich argumentiere oft genug gegen dieses Wahngebilde an, wenn es mal wieder um BDS und ähnliches geht. Auch über den linken Anteil der Verbreitung antisemtischer Verschwörungstherorien wird zu reden sein, aber....

        aber es gibt einfach Zahlen die eine ganz eindeutige Sprahce sprechen.



        2018 gab es zum Beispiel 1603 Fälle von rechtsradikaler antisemtischer Hasskriminalität, 154 Fälle von ausländischer religöser o.a Ideologien und 14 Fälle von links. www.zeit.de/gesell...smus-ueberlebender

        "Welche Position nun statistisch weniger Gewalttaten für sich beanspruchen können, ist scheissegal."

        ^^Nein, das ist ganz und gar nicht egal. Das ist nicht egal wenn es um die Gefaheneinschätzung geht und es ist ausserdem nicht egal, wenn damit gleichzeitig Linke in den Dreck gezogen werden sollen. So von wegen: "Ist ja eh das Gleiche".



        Wer meint das wäre egal, der steht einer effektiven Bekämfung von Antisemitismus im Weg und ist Teil des Problems.

      • @Stefan L.:

        Hmmm.... Haben Sie sich schon mal mit den Tatsachen beschäftigt? Was war der schwerste Terroranschlag in der BRD? Genau: Der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest. Täter: Neonazis.



        Wieviele Menschen sind seit der Wiedervereinigung von Rechten ermordet worden? Laut „Tagesspiegel“ und „Zeit“ mindestens 169.



        Von Islamisten? Laut BKA 17.



        Von Linken? Null.

        Wieviele Polizisten sind in den letzten 20 Jahren von Rechten ermordet worden? Sechs.



        Von Linken und Islamisten? Null.

        Von Körperverletzungen, Brandanschlägen und was sonst noch zum Repertoire des rechten Mobs gehört ganz zu schweigen.

        Alles ist gleich gefährlich?



        Wer „Rechtsextremismus“ sagt muss immer auch „Islamismus“ und „Linksextremismus“ sagen“?

        Nö, muss man nicht, das lenkt nur ab.

        • @Paco:

          Zustimmung.

  • Bestimmt ein Einzeltäter, wie zwischen '33 und '45. Waren auch alle nur Einzeltäter - ein paar Millionen!

    D: Ewig Mörderland!

    • @amigo:

      Die Erwähnung von Einzeltätern ist in den letzten Jahren ganz gross in Mode gekommen - egal welchen politischen oder religiösen Hintergrund oder Antrieb die Leute hatten. Ist schon seltsdam, würde man doch sonst zugeben, etwas verschlafen/unterschätzt/nicht beachtet zu haben.

  • "Unvorstellbar" war in den vergangenen Jahren vieles in Deutschland. Der rechtsextremistische Terror des NSU, brennende Flüchtlingsheime, Menschenjagden, Nazi-Aufmärsche, rechtsextremistische Drohfaxe aus Polizeidienstellen, Waffendiebstähle und Anschlagsplanungen von rechtsextremistischen Bundeswehroffizieren, Angriffe auf Kippa-Träger im öffentlichen Raum, die Ermordung des demokratischen CDU Politiker Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten,...

    "Unvorstellbar" war dieser rechtsextremistische Anschlag auf eine Synagoge nicht! Es war nur eine Frage der Zeit! Wen adressiert die Verharmlosung der Nazidiktatur als "Vogelschiss"? Wen motiviert das als "Denkmal der Schade" bezeichnete Holocaust-Mahnmal? Was bringt Menschen dazu, jüdische Friedhöfe zu schänden und Hakenkreuz Schmierereien anzubringen. Wenn es "unvorstellbar" war, weshalb müssen Synagogen von Polizisten bewacht werden?

    Aber es ist nicht "unvorstellbar", sondern Realität, dass in der CDU über Koalitionen mit der AfD nachgedacht wird. Es ist nicht "unvorstellbar", dass die Höckes, Weidels, Storchs und Gaulands demnächst auf einer Regierungsbank sitzen.

    Und worüber redet der innenpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, heute morgen im dfl? Für mehr Personal bei Polizei und Verfassungsschutz, weniger Datenschutz, Hintertüren für Verschlüsselungsprogramme...

    An die Strukturen, die hinter den Kulissen stehen und den parlamentarischen Arm der rechtsextremistischen und faschistischen Ideologie unterstützen, denkt offenbar niemand, oder traut sich niemand heran. An die alten Seilschaften, Verbindungen, Burschenschaften, anonymen Großspender...

    Der Landesbischof der evangelischen Landes-Kirche Sachsen ist Mitglied einer schlagenden Verbindung, trat 2013 bei der Neuen Rechten auf. "Unvorstellbar"?



    www.deutschlandfun...:article_id=460556

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @Drabiniok Dieter:

      Und dann gibt es noch die vielen Anschläge und Drohungen in Neukölln gegen linke Demokraten und seit Jahren angeblich nicht rauszukriegen, wer diese Typen sind, die da immer wieder Menschen gefährden. Nur Glück verhinderte bisher Tote und Verletzte.



      www.daserste.de/in...hen-video-100.html



      Da muss man eben, wenn nicht gar von heimlicher Sympathie, zumindest von absoluter Blindheit gegen diesen Rechtsradikalen ausgehen.

    • @Drabiniok Dieter:

      Bestätigt!



      Der Ruf nach mehr Polizeischutz ist eine Bankrotterklärung der Politik und Gesellschaft. ER kann allenfalls Symptome bekämpfen. Die armen Polizisten da rumstehen zu müssen und Strafdienst!



      Was wir brauchen ist:



      Den Nazis auf den Füßen rumlatschen Tag und Nacht, mit (Bundes)Polizei, Verfassungsschutz. Druck machen per Durchsuchungen, Sperrungen von INternetadressen, Verfahren wegen Verhetzung, Aufstachelung... Server wegnehmen, Treffpunkte filzen, temporär verhaften, Konzerte und Sprache als Anlass für VERBOTE, usw.

      Die Kumpaneien aufbrechen zwischen (AfD-) Politik und Bodensatz...



      Was man denen alles durchgehen lässt ist das allerletzte. Zahnloser Staat! Und die jüdische Gemeinde muss auch noch die eigene Sicherheitstür selbst bezahlen um sich vor den Typen zu schützen und Tag und Nacht Polizei davor...



      Und dann wohlfeile Entsetzenssprüche vom Inneminister bis zum Bundes-Präsi.



      Aufwachen bitte!

  • Die naive Sicht mancher Politiker auf dieses Naziland betrübt mich tief: Ich nehme jeden Tag Rassismus, Diskriminierung und Vorurteile wahr, obwohl ich in einer wirklich humanen, multikulturellen Gegend der Republik zuhause bin. Ich habe die Blicke vieler Menschen auf Andersaussehende oder sich nur anders Verhaltende, gerade bei Alkohol- und Suchtkranken bis zu syrischen Mittelschichtsflüchtlingen in anderen Gegenden umso stärker wahrgenommen, aber diese Politiker, ein Teil des Verfassungsschutzes, die diese Synagoge am höchsten Tag des Judentums unbewacht ließen, haben offensichtlich rein gar nichts kapiert oder das apathisch einfach schleifen lassen.



    Rechte Netzwerke bei der Polizei sind schon länger bekannnt, und müssen gerade intern, von den Kollegen* stärker bekämpft werden. Was übrigens nicht leicht ist, denn gerade die Polizei ist am stärksten mit den negativen Seiten unserer Gesellschaft konfrontiert. Und bei wenig gebildeten oder gebildeten, aber hasserfüllten jungen Leuten dient das Netz zur Verstärkung ihrer Vorurteile.



    Wenn es stimmt, dass nach einer Messerattacke auf einen bewaffneten Polizisten vor der Synagoge in der Oranienburgerstraße kein Haftbefehl ausgestellt wurde, dann fragt man sich wirklich, was mit dieser Justiz los ist (siehe auch die unterirdischen Beleidigungen gegen Renate Künast, die nichts nach sich zogen).

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Ataraxia:

      "dann fragt man sich wirklich, was mit dieser Justiz los ist "

      "Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft liegen keine Voraussetzungen für einen Haftbefehl vor. Es bestünde kein dringender Tatverdacht einer Straftat, sondern nur ein Anfangsverdacht wegen Hausfriedensbruch. Strafrechtlich sei der Verdächtige bislang nicht in Erscheinung getreten. Er befinde sich derzeit in einer Psychiatrie."

      Quelle FAZ

      • @06313 (Profil gelöscht):

        Es geht darum einen täglichen Druck aufzubauen und denn das Treiben zu erschweren.

        Und nicht per Staastanwalt Haftbefehltsicher eine Tatverdacht zu definieren.

      • @06313 (Profil gelöscht):

        Haben Sie den Link?



        Ich konnte auf der FAZ-Seite keinen Artikel mit dieser Aussage finden.

      • 0G
        06313 (Profil gelöscht)
        @06313 (Profil gelöscht):

        "Staatsanwalt Feuerberg über Vorfall vor Synagoge „Es spricht viel für eine Erkrankung“

        Steht im Tagesspiegel.

        • @06313 (Profil gelöscht):

          Positiv muss vermerkt werden dass ja die Bundesstaatsanwaltschaft den Fall sofort an sich gezogen hat. Und auch wenn sich herausstellt dass der Täter psychisch krank sein sollte, mindert das nicht die Relevanz und Gefahr der dahinterstehenden rechtsideologischen Netzwerke und Geistesströmungen die bereits ein Drittel der Gesellschaft ansteckten und deren wahnhafte Tendenzen hervorbrachte. Auf ähnliche Weise war und ist der IS sehr erfolgreich. Neben gezielt organisierten Terroranschlägen lockt er auch wahnhafte Individuen an die länger geplant oder spontan auch ohne direkten Auftrag im Sinne des IS handeln und morden. Auch krankhafte Einzeltäter sind dabei Teil der Strategie gegen die definierten Feinde überall auch überraschend zu zu schlagen und mit Terroranschlägen die Minderheiten die im Visier sind in Angst und Schrecken zu versetzen und die Gesamtgesellschaft zu verunsichern und weiter zu polarisieren.

        • @06313 (Profil gelöscht):

          Da hat der Herr Staatsanwalt ja wohl nur vergessen zu erwähnen, wen er für krank hält.

          Ein Staat, dessen oberster Repräsentant nach allem, was seit der Staatsgründung an menschenfeindlichen Vorfällen passiert ist (und selbst noch angesichts der dramatischen Entwicklung der letzten Jahre) öffentlich erklärt, die Ereignisse von Halle seien „unvorstellbar“ gewesen, kann meiner Ansicht nach tatsächlich nicht gesund sein.

          Herr Steinmeier WILL ganz offensichtlich nicht erkennen, was vorgeht in seinem Zuständigkeitsbereich. Genau wie all die anderen Verantwortungsträger, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Der Ruf nach einer Polizei, die selber immer wieder auffällt durch Grenzverletzungen, setzt dem Ganzen dann irgendwie die Krone auf aus meiner Sicht. Dass hinter jeder Person, die etwas tut oder ist, was Nazis nicht gefällt, ein Polizist steht, der aufpasst, dass ihr nichts passiert, kann ja wohl nicht das (Fern-)Ziel eines demokratischen Rechtsstaates sein, oder etwa doch?

          Selbst wenn der Täter ein paar lockere Schrauben hätte in seinem Oberstübchen (wovon ich fest überzeugt bin), wäre das noch lange kein Grund, den Mann zur Gefahr für andere werden zu lassen. Die kranke deutsche Gesellschaft, scheint mir, hat mal wieder insgesamt vollkommen versagt. Leider hat ja da, wo sehr viele nicht oder gar falsch gehandelt haben, fast nie jemand so etwas wie ein Verantwortungsgefühl. Da ist es dann schon konsequent, wenn nicht einmal dieser nur zufällig nicht final erfolgreiche Möchtegern-Massenmörder schuldfähig ist.

          • 0G
            06313 (Profil gelöscht)
            @mowgli:

            Die Aussage des Staatsanwalts Feuerberg bezieht sich auf den Messerangreifer an der Neuen Synagoge in Berlin. Man muss also auf "nicht zurechnungsfähig" machen, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden und "lediglich" in die Psychiatrie zu kommen, aus der man dann geheilt entlassen wieder kommen kann. Vielleicht macht der Attentäter aus Halle das auch für sich geltend.

  • Angesichts der Tatsache, dass nur eine gut verschlossene Tür, nicht der unterbelichtete Verfassungsschutz, BND etc ein Massaker von neuseeländischen Proportionen verhindert hat, muss auf diesen Anschlag auch mit derselben Konsequenz wie in Neuseeland reagiert werden.



    Die zuständigen Innenminister (Land und Bund) müssen zurücktreten. Im übrigen bin ich nicht fassungslos, nach dem halbherzigen juristischen Vorgehen gegen die NSU, die den ganzen Sumpf unangetastet gelassen hat, war



    von Nazis nichts anderes zu erwarten. Etwa ein Viertel der Deutschen ist für ausländerfeindliche Ideologie anfällig. Was diese Menschen wählen, wissen wir.

    • @Ataraxia:

      Die Tat und das nur durch Dillettantismus und eine gut verschlossene Synagoge ausgebliebene Massaker machten mich erst mal Sprachlos. Stimme zu: das Laissez Faire gegenüber rechtsideologischer Gewalt die in zwei Wellen (Anfang der 90er und erneut seit 2015) zunächst auf Geflüchtete und Migrant_innen zielte, und die ja auch von mittigen Politikern, Medien und Menschen entwertet wurden dabei wurden Kriegsflüchtlinge zu "Schmarotzern" die "unser" Sozialsystem ausbeuten (alte antisemitische Begriffe und Logik) bezeichnet wurden ist verantwortlich für die Eskalation von wieder sagbarem Rassismus und machbaren Gewalttaten. Dabei wurde mit diesen menschenverachtenden Wellen auch Antisemitismus der ja nie aus ca 20 Prozent der Köpfe verschwand wieder sagbar und machbar. Rechte Ideologiezirkel und Geldgeber nutzten seit den 90ern die verbreitete Ablehnung Geflüchteter Menschen und intensivierten strategische Netzwerke bis in Sicherheitsbehörden, Parteien, Medien aus und verschoben die öffentlichen Debatten in Politik und Gesellschaft immer weiter nach rechts. Allerdings ist das keine "Ausländerfeindliche" Ideologie. Es geht nicht um alle ohne deutschen Pass (z.B. weiße christliche Franzosen). Es geht bei diesen Taten um den Jahrhundertealten Antisemitismus und neueren antimuslimischen Rassismus bzw. in der Logik der neuen Rechten um "Ethno" Rassismus sowie gegen alle, die Rechtsideologische Parolen, Taten und Strategien öffentlich kritisieren und entlarven. Der Anschlag auf Lübke überraschte viele doch der CDU Politiker passte mit seiner öffentlichen und klaren Zurückweisung dumpfer Hetze genau ins Feindbild das sonst eher Antifaschistische Aktivisten und Linke traf. Die veröffentlichten Aussagen des Täters von Halle zeigen die Bandbreite. "Der" Jude ist ihm der "Hauptfeind" aber "Kanaken" oder das offenbar ursprüngliche Anschlagsziel, ein antifaschistisches Zentrum waren ihm ebenso Recht.