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Rechtsextreme Demo in FriedrichshainAntifa, da geht noch was

Mehrere tausend Menschen haben in Berlin einen rechtsextremen Aufzug blockiert. Die Demo der 60 Nazis wurde vorzeitig beendet.

Auf jeden Fall in der Überzahl: antifaschistische Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen am Samstag in Friedrichshain Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Um 14:30 Uhr, 1,5 Stunden nach dem geplanten Start einer Demo der neuen rechtsextremem Gruppierung „Aktionsbündnis Berlin“, stehen die rund 60 Jung­fa­schis­t:in­nen noch immer am Startpunkt in der Neue Bahnhofsstraße am Ostkreuz. „Für Recht und Ordnung: gegen jeden Linksextremismus“, steht auf dem Banner, hinter dem sich die auffällig jungen Teil­neh­me­r:in­nen versammelt haben.

Viele der Nazis tragen Seitenscheitel oder Glatze, Lonsdale Pullover und Northface Jacken, trinken Energydrinks und Bier und brüllen „Zecken raus!“. Von den Balkonen schallt es zurück „Nazis raus!“. Ein Mann hält NPD-Sticker in eine Kamera, eine Russlandflagge wird geschwenkt, immer wieder wird das als Hasssymbol eingestufte „White Power“-Zeichen gezeigt, bei dem Daumen und Zeigefinger einen Kreis formen, während die anderen Finger abgespreizt sind.

Angemeldet waren rund 500 Demonstrant*innen. Die Senatsverwaltung für Inneres hatte von einer „gezielten Provokation junger und durchaus auch gewaltaffiner Personen einer neuen rechtsextremistischen Internet-Jugendkultur“ gesprochen.

Blockade wird geräumt

Fünfzig Meter vor den Nazis haben etwa 30 An­ti­fa­schis­t:in­nen die eigentlich hermetisch abgesperrte Straße blockiert, unter ihnen der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak. Dann entscheidet sich die Polizei, den Nazis die Straße frei zu räumen. Ein:e Antifa nach dem anderen wird von der Polizei weggezogen, unter Anwendung von Schmerzgriffen, und in die umliegenden Kundgebungen entlassen – ohne Anzeige. Und plötzlich ist die Straße frei, die Nazis dürfen laufen.

Doch an allen Seitenstraßen warten Antifaschist:innen. Insgesamt hätten sich etwa 2.500 bis 3.000 Gegendemonstranten versammelt, sagte ein Polizeisprecher. Teilweise, wie am Wiesenweg, versuchen sie militant durchzubrechen. Steine und Pyrotechnik fliegen, abgestellte Polizeiautos werden zerstört. Polizist:innen, die hinter Absperrungen postiert sind, antworten mit Pfefferspray. Teilweise werden Barrikaden aus Mülltonnen und anderem Straßenmöbel errichtet, um Alternativrouten abzuschneiden. Währenddessen warten mehr als 1.000 Antifas in einer großen Blockade am Ende der Gürtelstraße.

Die etwa 1.000 Meter, die die Nazis runter bis zur Frankfurter Allee laufen, sind für die Polizei nur schwer zu bewältigen. Von jedem zweiten Balkon wird gepöbelt, aus Hauseingängen kommen Menschen, um „Scheiß Nazis“ zu rufen. Von einem Balkon wird Klopapier geworden.

Frühzeitig abgebrochen

Selbst direkt neben den Nazis hört man von ihnen nicht mehr viel. Das liegt aber weniger an ihnen, als an der Lautstärke der Gegendemonstrierenden. Die jungen Rechtsextremem wirken völlig aufgelöst und aggressiv. Den Gegendemonstrant:innen, die es auf ihre Demoroute geschafft haben, rufen sie „Halt die Fresse“ zu und beschimpfen sie als „Du Mädchen“. Aus der linksalternativen Wagengruppe Rummelplatz tönt es aus einem Lautsprecher: „Ihr glaubt auch, ihr könnt einfach durch Friedrichshain laufen! Friedrichshain bleibt antifaschistisch!“

An der Frankfurter Allee bellen Polizeihunde. Um festgenommene Antifas abzuführen, räumt die Polizei sich teils brutal den Weg frei. Doch hier ist Schluss für die Nazis. Sie werden auf eine Grünfläche geführt und müssen dort ausharren. Die Polizei löst ihre Demo vor dem geplanten Ende an der Lichtenberger Brücke auf. Sie rufen noch: „Ganz Deutschland liebt die AfD.“ Niemand hört sie mehr. Schließlich müssen sie sich in die U-Bahn flüchten.

Einige der Demo-Teilnehmer:innen seien aus anderen Bundesländern angereist, teilte die Polizei mit. Darunter fünf mutmaßlich Rechtsextreme, die sich auf dem Weg zum Aufmarsch befanden, jedoch vor Beginn festgenommen wurden. Sie hatten am Mittag SPD-Mitglieder in Lichterfelde angegriffen. Es sei zunächst zu verbalen Streitigkeiten mit Personen gekommen, die einen Stand der SPD betrieben hätten, dann zu Körperverletzungen, so ein Polizeisprecher. Nach Tritten in Gesicht und Bauch sei das Parteimitglied ins Krankenhaus eingeliefert worden, teilte die SPD Steglitz-Zehlendorf mit.

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41 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Es war eine riesengroße solidarische Kiezbewegung, Nachbar:innen, Kinder, Queers, Senior:innen, autonome Antifas haben getanzt gesungen und "Nazis raus" skandiert oder "Siamo tutti antifaschisti" Aufgewärmt im Falafelladen, Kuchen und Tee verteilt, Kreuzungen blockiert. Natürlich muss die Bevölkerung sowas mitgestalten und klare Kante zeigen. Politik und Polizei setzen nur den Rahmen. Es war eine absolut großartige kraftvolle Gegendemo, genau sowas ist die richtige Antwort auf faschistische Meinungsäußerung und Hass. Ignorieren ist gefährlich, wir müssen uns zeigen und die Netzwerkmuskeln trainieren. Wir müssen das selber tun.

    @Irm mit Schirm Das Zitat von Esther Bejerano ist sehr treffend.

  • Danke!

  • Karoline Preisler und Ferat Kocak auf derselben (Gegen-)demo...!



    www.youtube.com/watch?v=iW-lvrjOXjo



    :-)

    • @Kai Ayadi:

      Natürlich "Ferat Kocak".

    • @Kai Ayadi:

      Wenn ich den verlinkten Artikel richtig verstehe, stehen sich Ferhat Şentürk



      und Ferhat Kocak auf den Demos gegenüber.

      Und nun?

  • Schön!



    Aber die AgD versucht es wie auch die NSDAP es tat, über die Parlamente und die Unterwanderung demokratischer Institutionen. Die Fragen sind doch: werden die "konservativen" Kräfte wieder oberschlau sein und vergeblich versuchen die Nazis, zu instrumentalisieren und wo bleiben die antifaschistischen Demokraten in den Institutionen?

  • Wie kann die Politik so einen Aufzug rechter Pöbel überhaupt zulassen? Wieso versucht die Polizei, solchen den Weg frei zu prügeln?

    Da muss erst die Bevölkerung dafür sorgen, dass die Stiefel gestoppt werden. Und leider wird auch die AfD von den großen Parteien nicht gerade bekämpft, sondern deren Positionen (Asyl, Sozialabbau) übernommen.

    • @Uns Uwe:

      Die Politik bestimmt nicht, wer hier demonstrieren darf.

      Wäre ja noch schöner.

      Und die Polizei schützt das Versammlungsrecht, dafür ist sie da.

      Sind Sie sicher, dass Sie mit der Demokratie nicht auf Kriegsfuß stehen?

      • @rero:

        "Sind Sie sicher, dass Sie mit der Demokratie nicht auf Kriegsfuß stehen?"

        Auf Kriegsfuß mit der Demokratie steht der Neonazi-Mob, der sich da versammelt hat, und alle die das kleinreden.

        • @Ajuga:

          Den Nazistaat erkennen Sie



          auch daran, dass Politiker bestimmen, welche Demos stattfi den, und die Polizei willkürlich entscheidet, wer demonstrieren darf.

          Faschistische H



          Demonstrationen sollte man nicht schönreden

      • @rero:

        Eine Demokratie ohne antifaschistischen Konsens ist keine Demokratie.

        Faschismus tritt grundsätzlich für menschliche Ungleichheit und Ungleichberechtigung ein. Dies widerspricht den Menschenrechten, dem Grundgesetz und der Demokratie.

        Und so etwas soll sich in Deutschland wieder ungehindert artikulieren und breit machen dürfen? Ihr Ernst?

        • @Uns Uwe:

          Zustimmung und Danke.

        • @Uns Uwe:

          Wenn Sie das Grundgesetz mögen, verstehe ich Ihre Erwartung nicht, dass Politiker entscheiden, was für Demonstrationen stattfinden und die Polizei kleinen Demonstrationen ihr Versammlungsrecht vorenthalten soll, solange es um eine grundrechtlich vertretbare Forderung geht.

      • @rero:

        Mit der Demokratie auf Kriegsfuß stehen ausschließlich die Nazis. Das Vesammlungsrecht von Nazis ist leider bei der Polizei fast immer "heilig", wärend bei Antifa Demos von der Polizei oft jede Kleinigkeit genutzt wird, um diese zu drangsalieren bzw. zu zerschlagen. Das sage ich als 70 zigjährige Frau, die jahrelang auf Antifa Demos unterwegs war und viele üble Situationen diesbezüglich erlebt habt. Daß sich bei der Polizei immer wieder rechtsradikale Umtriebe finden, trägt leider nicht dazu bei, diese als "neutral" zu betrachten. Bei einer linken Demo wäre eine Vermummung, wie sie die Nazis trugen von den Cops niemals geduldet worden. In Zeiten, in denen auch demokratische Politiker den Parolen der Nazis hinterherhecheln und sich darin überbieten, rechter und menschenverachtender zu sein, gilt umso mehr der Satz von Esther Bejarano: "Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen."

        • @Irm mit Schirm:

          Nein.



          Neben den Nazisl stehen auch noch verschiedene andere Gruppen auf Kriegsfuß.

          Es hilft nicht, das zu leugnen.

          Vielleicht gehen Sie auch mal auf andere Demos, dann merken Sie, wie viele Demos noch so stattfinden, die an der Schwelle des Tolerierbaren stehen.

          Islamistische, antisemitische, prorussische, kalifatsfreundliche, ...

          Und damit will ich nicht Ihre Erlebnisse kleinreden.

          Vielleicht lesen Sie sich noch mal durch, was Uns Uwe für politische Vorstellungen hat und vergleichen die mit den Merkmalen von faschistischen Staaten oder dem Traumland von Höcke.

          • @rero:

            Das Traumland von Höcke bedeutet freie Märsche für Nazis.

            In einer demokratischen Gesellschaft gibt es dagegen keine Freiheit für selbsternannte Übermenschen, sehr wohl aber für politische Aktivitäten, die sich für Gleichheit und Menschenrechte für Alle einsetzen.

            Aber vielleicht sind Ihnen solche Unterschiede ja egal.

            Ich finde es befremdlich, mit welcher Energie Sie hier für die Demonstrationsfreiheit von Neonazis in die Bresche springen, deren Menschenfeindlichkeit und Brutalität in dem Artikel lediglich angedeutet wird.

          • @rero:

            Sie wissen schon, daß ich mich bei meinem Kommentar ausschließlich auf die Aussage von UnsUwe "Wie kann die Politik so einen Aufzug rechter Pöbel überhaupt zulassen? ...



            und ihre Antwort darauf "Die Politik bestimmt nicht, wer hier demonstrieren darf"... bezogen habe. Von daher ist Ihre pauschalisierte Unterstellung völlig daneben. Falls Sie eine Privatfehde mit UnsUwe haben, versuchen Sie bitte in Zukunft nicht jeder Person, die ihm in einem bestimmten Punkt zustimmt, Dinge zu unterstellen.

  • Demonstrieren ist halt ein Grundrecht.

    Wie wärs, wenn sich einfach alle demonstrativ umdrehen, wenn die kommen. Rolläden runter, Türen zu. Einfach ignorieren. Viel stärkeres Signal als dumm zurückbrüllen.

    • @Wonneproppen:

      Super Vorschlag. Vor allem historisch so kenntnisreich und fundiert.



      Einfach wegignorieren die Faschisten, die Nazis.



      So verhindert man Verbrechen und Katastrophen von weltumspannenden, monströsen Aussmass!

      Lasst uns alle mal zusammen und ganz feste was ganz Neues probieren: Die Deutsche Mittelstands-Mitte-Liberale-Gutbravbürgerlichkeit ignoriert einfach mal Faschisten.



      Das hat er ja noch nie probiert. Und war ja auch noch nie bei irgendwas dabei gewesen...



      ...ja Mensch, dass da noch keiner drauf gekommen ist - das rechtsretardierenden Biedermeier einfach zur Kunst erheben!

    • @Wonneproppen:

      Nazis ignorieren = tun und machen lassen.

      Mit Verachtung reagieren ist angemessener.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Solange sich dabei jeder an Verfassung und Gesetz hält, meinetwegen. Erwartet man ja auch beim politischen Gegner.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Das wollen die doch. Dass sich jeder schön aufregt.

  • „Zecken raus!“. Von den Balkonen schallt es zurück „Nazis raus!“.

    Wer lauter brüllt hat Recht?

    • @Wonneproppen:

      Nein, wer die meisten Kommentare im Internet abgibt ;) Aber deine Argumentation ist schon erstaunlich, sie scheint einen Dritten vorrauszusetzen, welcher sich so gar nicht für das Zeitgeschehen interessiert und keinen Unterschied zwischen Faschos und Anwohnern sieht

      • @Genosse Luzifer:

        Mr. Luzifer, wenn man noch kein Bier miteinander getrunken hat, Siezt man sich. Respekt und Höflichkeit und so.

    • @Wonneproppen:

      hör bitte auf, hier faschos zu verharmlosen und faschismus zu relativieren...

      • @Pflasterstrand:

        Ich "relativiere Faschismus", weil ich für (in meinen Augen) wirksamere Bekämpfung von Rechten bin.

        Da fällt mir echt nichts mehr ein.

        • @Wonneproppen:

          Ihre Vorstellung von wirksamer Bekämpfung haben sie ja in ihrem Kommentar v. 14.12 kundgetan

          "Jetzt gibt's nur noch eine Partei, die man noch nicht versucht hat. Und die ganz offen sagt, wir zuerst. Lassen wir sie halt mal vier Jahre pfuschen"

          Ergänzt sich gut mit Aussagen in ihren anderen Kommentaren und ergibt ein recht klares Bild.

          • @Sam Spade:

            Ganzen Kommentar lesen. Entzaubert sie vielleicht, wenn die Leute sehen, die kriegen auch nichts gebacken.

      • @Pflasterstrand:

        Die Gewalt und Straftaten der Antifa sollte man dann aber auch nicht verharmlosen und relativieren.

      • @Pflasterstrand:

        Wonneproppen hat doch recht.

        So wird Faschismus nicht ansatzweise bekämpft.

        Deshalb werden die Rechten immer mehr.

        Weil man nichts Konstruktives hinkriegt und stattdessen so ein Theater aufführt.

  • Danke Antifa! Alerta!

  • Wieder ein großartiger Tag für die Polizei, Neonazis den Arsch zu pudern und ihnen den Weg frei zu prügeln.



    Antifaschismus muss sich halt nicht nur Faschisten erwehren, sondern auch der mit ihnen verbündeten Polizei.

    • @TeeTS:

      Ist doch Quatsch, sowas zu behaupten.

      Es ist der Job der Polizei, die Leute demonstrieren zu lassen.

      Dafür schickt der Rechtsstaat sie hin.

      Sie spielen nur das Spiel der Neonazis, wenn Sie deren Wunschträume als Realität darstellen.

      • @rero:

        Geh ich mit und hoffe, die Polizei in anderen BL stellt sich auf 500 Faschos ein und sorgt wenigstens dafür, daß die im Zweifelsfall kleinere Gegendemo ned von denen zerlegt wird.

  • Polizeiautos "zerstört" wurden keine, in der Wiesenstr wurden Spiegel an zwei Poilzeiautos kaputtgemacht

    • @Jona:

      Unverschämt das. Sofort wegsperren ohne Bewährung!

    • @Jona:

      Die Polizei definiert jeden noch so kleinen Schaden als linksextrem. Macht sich später dann gut in der Statistik. Flüchtlingsheime anzünden und Bürgermeister bedrohen durch Rechtsextreme geht aber Ordnung. Sind ja nur besorgte Bürger.

      • @Minelle:

        Weil du halt auch schlicht keinen Schaden zu verursachen hast. Es ist egal ob von Rechts oder Links!

        • @Walterismus:

          nee, ist nicht egal. ist ein unterschied ums ganze.