Rassistischer Angriff auf 17-Jährige: Brisanz nicht erkannt

Die Polizei korrigiert sich: Der rassistische Übergriff am Samstag war kein Maskenstreit. Wie konnte es zu der Falschmeldung kommen?

S-Bahn-Station Greifswalder Str

Der rassistische Angriff ereignete sich am Samstagabend an einer Straßenbahnhaltestelle Foto: Monika Skolimowska/picture alliance

BERLIN taz | Es ist ein Vorfall, der zu Recht für viel Aufruhr gesorgt hat: Ein 17-jähriges Mädchen wird erst in der Straßenbahn und dann an einer Haltestelle in Prenzlauer Berg von drei Männern und drei Frauen rassistisch beleidigt und zusammengeschlagen. Dilan Sözeri trägt in der Bahn eine Maske, die An­grei­fe­r*in­nen nicht.

Als der Fall in den Tagen darauf durch die Medien geht, ist die Situation angeblich eine andere: „Sechs Fahrgäste schlagen Maskenverweigerin krankenhausreif“, schreibt die Berliner Zeitung, „Erwachsene verprügeln 17-Jährige, weil sie keine Maske trägt“, titelte der Focus. Die Berichterstattung basiert auf einer Meldung der Polizei, in der von einem „Streit über eine fehlende Mund-Nase-Bedeckung“ die Rede ist. Als Sözeri in einem Instagram-Video den Tathergang schildert und Überwachungsaufnahmen ihre Aussage bestätigen, korrigiert die Polizei ihre Pressemitteilung. Doch wie konnte es überhaupt zu der Falschmeldung kommen?

„Die Pressemitteilung war nicht falsch“, sagt Polizeisprecher Michael Gassen. „Sie entsprach den Informationen, die uns zu dem Zeitpunkt vorlagen. Wir haben aber von Anfang an geschrieben, dass es ein rassistischer Angriff war.“ Das stimmt, auch in der ersten Meldung ist von rassistischen Beleidigungen die Rede – aber erst im dritten Satz. Vorher heißt es, die fehlende Maske der 17-Jährigen habe zu dem Streit geführt. „Allerdings“, räumt Gasser ein, „haben wir den Auslöser des Vorfalls falsch interpretiert. Es ging nicht darum, dass die Geschädigte keinen Mund-Nasen-Schutz getragen hat.“

Er führt die Falschinformation auf ein Missverständnis bei der Aufnahme der Strafanzeige zurück: Beteiligte hätten den Einsatzkräften geschildert, dass rassistische Beleidigungen gefallen seien und Sözeri aufgefordert wurde, ihre Maske aufzusetzen. Zwei richtige Aussagen – aus denen die Be­am­t*in­nen die falschen Schlüsse gezogen haben. „Das haben wir dann auch festgestellt, nachdem die Videoaufnahmen der BVG gesichtet wurden und ganz klar feststand: Ne, so war es nicht, ganz im Gegenteil.“

Es gibt keine Auslöser für Rassismus

Denn sicher ist, dass Sözeri als einzige Beteiligte eine Maske trägt, als die Gruppe sie in der Bahn angeht. Erst als alle aussteigen, zieht sie die Maske ab. Daraufhin, so schildert es Sözeri, habe eine der Frauen ihr „ins Gesicht gegrabscht“, und sie aufgefordert, ihre Maske wieder anzuziehen. Die Jugendliche wird weiter bedroht, geschlagen und getreten, später kommt sie mit etlichen Prellungen und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus. Wann und wie lange die 17-Jährige selbst von der Polizei zu dem Vorfall befragt wurde, konnte Gassen der taz nicht beantworten.

Doch auch wenn die Polizei den Tathergang zunächst falsch kommuniziert hat – auf eine mangelnde Sensibilität der Be­am­t*in­nen für Rassismus lässt der Fall zunächst nicht schließen: Die Einsatzkräfte vor Ort haben den Vorfall als rassistischen Übergriff aufgenommen und an den Staatsschutz weitergegeben, sagt Gasser. Dass sei schon vor der Richtigstellung passiert, schließlich habe der Auslöser der Tat für die Bewertung des Sachverhalts erstmal keine Bedeutung.

Sprich: Ein rassistischer Übergriff ist ein rassistischer Übergriff, egal, was ihm vorausgegangen ist. Keine Provokation, keine angebliche Mitschuld, kein Fehlverhalten rechtfertigt Rassismus und Gewalt. Offen bleibt, warum die Polizei die Ereignisse nicht auch in ihrer ersten Pressemitteilung genau so gewichtet hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.