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Rassismus in DeutschlandOsmose des Hasses

Nach Hanau gibt es Stimmen, die ein AfD-Verbot fordern. Doch die AfD ist nur ein Symptom für einen tief verwurzelten gesellschaftlichen Rassismus.

Eindeutige Schuldzuweisung beim Gedenken in Hanau Foto: Roland Geisheimer/attenzione

W ir leben in einer gesellschaftlich aufgeladenen Situation, in der Rassismus, Opportunismus und tiefgreifende strukturelle Probleme in der demokratischen und medialen Praxis eine gefährliche Verbindung eingehen. Erfurt und Hanau sind nur zwei Chiffren für etwas, das sehr lange Kontinuitäten hat, das nicht plötzlich gekommen ist und nicht leicht wieder verschwinden wird, selbst wenn man, wie es die Auf-einmal-Aufgewachten jetzt unter gegenseitigem Applaus fordern, die AfD verbieten würde.

Aber die AfD ist nur ein Symptom für eine viel tiefer reichende illiberale und demokratiefeindliche Tradition in der deutschen Gesellschaft. Sie ist die Ausprägung eines Rassismus, der sich nach 1945 eine andere Form und Gestalt gesucht hat und immer präsent war: im Diskurs über die sogenannten Gastarbeiter seit den 1960er Jahren und das kommunale Wahlrecht in den 1980er Jahren, die Brandanschläge der 1990er Jahre und die folgende Verschärfung des Asylrechts. Die AfD ist die parlamentarische und politische Form für etwas, das sehr viele Menschen in diesem Land denken, und die Trennlinie ist nicht so sauber zu ziehen, wie es sich die vorstellen, die von Verbot reden oder wenigstens von klarer Abgrenzung.

Um den Widerspruch klarzumachen: Diejenigen, die nun das Verbot der AfD fordern, sind oft genau diejenigen, die in der Eurokrise von 2010/2011 die rassistische Logik der „faulen Griechen“ etablierten – aus dieser Zeit, aus dieser Logik stammt die AfD. Es sind diejenigen, die im Sommer 2015 und danach davor warnten oder sich entschieden dagegen engagierten, dass Deutschland seinen Teil der Verantwortung für die Geflüchteten in Europa trug und eine menschliche Politik machte. Es sind diejenigen, die immer nach Integration und Leitkultur riefen, wenn sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr sahen, und dann doch dafür stimmten, wichtigen zivilgesellschaftlichen Projekten und Institutionen die finanziellen Mittel zu streichen.

Kurz gesagt: Diejenigen, die nach den Morden von Hanau im Verbot der AfD eine Lösung für die rassistische und rechtsextreme Bedrohung in diesem Land sehen, sind vor allem die, die in den vergangenen Monaten und Jahren selbst ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich Rassisten in diesem Land wieder sicher fühlen dürfen, zu hetzen und zu morden. Und das macht den Diskurs über die AfD auch so verlogen: Wer neun Morde braucht, um zu verstehen, wie menschenverachtend die AfD ist und war, hat ein sehr eingeschränktes Verständnis von Humanität, Wahrheit und Würde.

Antimuslimische Schlagzeilen

Es ist deshalb nicht falsch, die AfD für die Morde in Hanau in Haftung zu nehmen. Es ist aber problematisch, weil es die Tiefe und Gefahr der Bedrohung nur scheinbar greifbar und lösbar mit parlamentarischen oder verfassungsschutzrechtlichen Mitteln macht. Und es tun eben vor allem dieselben Leute, die seit Jahren antimuslimische Schlagzeilen drucken; Leute, die schreiben, dass Deutschland durch seine Geschichte nicht in der Lage sei, verantwortungsvolle Politik zu machen, und die Aufnahme und Offenheit für Geflüchtete nutzen, um grundsätzliche Verschiebungen im demokratischen Gefüge zu legitimieren und den Raum für Ausgrenzung und Hass zu bereiten.

Es sind eben – und das haben die Tage von Erfurt gezeigt, die nicht von der Tat von Hanau zu trennen ist – bis weit in die CDU und Teile der Medien hinein Stimmen präsent, die immer noch die Vorstellung ausdrücken, dass Deutschland irgendwie homogen ist oder sein sollte, und letztlich Menschen, die Ferhat Ünvar oder Kalojan Welkow heißen, keine „deutsche Namen“ tragen, wie es Bild-Chef Julian Reichelt formuliert hat. Der Übergang vom gemäßigten Rassismus zum extremen zum militanten Rassismus ist fließend, der eine baut auf den anderen auf, und dieses osmotische System des Hasses lässt sich nicht dadurch reparieren, dass man den Grad der Gefährdung bei neun Morden ansetzt.

Scheinheilige Hufeisentheorie

Die Diskussion über die AfD ist aber auch deshalb so scheinheilig, weil sie vor dem Hintergrund der Hufeisentheorie geführt wird, der angenommenen und geometrisch dargestellten gleichen Gefährlichkeit von rechts wie von links – auch nach den Morden von Hanau konnte man das immer wieder lesen, und die Intention, der argumentative Magnetismus, um im Bild zu bleiben, ist so klar wie verwerflich, weil diese andauernde Parallelisierung nur den Blick auf die jeweils unterschiedlichen Ursachen, Ausprägungen und Bedrohungsszenarien verwischt.

Das Ergebnis ist exkulpatorisch, und wie so oft reicht die Logik bis zur Schoah zurück, die ja – in der Argumentation von Ernst Nolte, Gegenstand des Historikerstreits der 1980er Jahre – auch durch die „asiatische Tat“ erklärt werden könne, durch die kommunistische Bedrohung also, die sich zum Judenmord demnach verhält wie Ursache zu Wirkung. Und auch diese Debatte wurde geführt im Kontext eines kontinuierlichen gesellschaftlichen Rassismus, in einem Land, geprägt von der Elitenkontinuität in Politik, Polizei, Beamten und auch Kunst (wie die aktuellen Diskussionen um Berlinale und Documenta noch mal zeigen) sowie vom mörderischen Hass „ganz normaler Männer“.

Was sich in diesen Tagen zeigt: Die deutsche Gesellschaft ist an einem Tipping Point, es kann in die eine oder andere Richtung gehen. Vielleicht wird Rassismus endlich als Realität gesehen, die alltäglich ist und strukturell und ein gesamtgesellschaftliches Problem; vielleicht aber führt die eher strategische Abgrenzung gegenüber Leuten wie Alexander Gauland auch dazu, einer Koalition von CDU und AfD den Boden zu bereiten. Die Rede davon jedenfalls, dass nach Hanau „alles anders“ sei, ist verkürzt bis verlogen. Hanau ist die mörderische Form einer deutschen Wirklichkeit, die lange verdrängt wurde.

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41 Kommentare

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  • Die Wahrheit schafft Klarheit.

    Die Krokodilstränen der Heuchler und Brandstifter.

    »Die Vertreter der bürgerlichen Parteien erklären uns, der Rassismus einer kleinen extremen Minderheit sei die Wurzel des faschistischen Terrors. Doch der Rassismus ist das Ergebnis aus jahrelanger Politik und Stimmungsmache gerade durch die bürgerlichen Parteien und durch den Großteil der Medien. Sie haben fleißig Feindbilder wie den kriminellen Ausländer oder den terroristischen Muslim aufgebaut. Rassistische Hetze ist für die herrschende Klasse eine nützliche und notwendige ideologische Begleitung und Legitimierung ihrer Macht. Rassismus spaltet die Arbeiterklasse untereinander und bringt sie gegeneinander auf, anstatt sich zu solidarisieren. Rassismus dient der Rechtfertigung der Ausplünderung anderer Länder, der Verschärfung von Gesetzen – seien es die Asylgesetze oder der Ausbau von staatlichen Repressionen und Überwachung. Der Rassismus ist die Begleitmusik zur tagtäglichen Erfahrungen von Konkurrenz und Ungleichheit, von verstärkter Vereinzelung und Entsolidarisierung. Eine gespaltene Arbeiterklasse ist gut für die Herrschenden, damit sie ihre Löhne immer weiter drücken können.« –

    Ein Auszug, vgl. kommunistische.org...-und-brandstifter/

  • Islam und Islamkritik:



    wichtig sind zwei Dinge:



    1. die Ausgrenzung der migrantischen Strebsamen und Aufsteiger, die den biodeutschen Mittelklassen womöglich Konkurrenz machen. Allgemein: die Ausgrenzung vom Zugang zu allen gesellschaftlichen Ressourcen - das ist eine Intention von Rassismus. Die alte Hierarchie soll bleiben.



    2. die Kultivierung des Feindbildes: "alle Muslime wollen ihren Glauben mit Krieg durchsetzen, und wir müssen verhindern, dass sie zu einer Mehrheit werden."



    Der Muslim sei wie ein Automat vom Glauben gesteuert.



    - Das ist die Grundlage für die Weigerung anzuerkennen, dass es in und aus Syrien nach wie vor eine demokratie-fordernde Bürgerrechtsbewegung gibt, so wie in Libanon, Irak und Iran auch.



    Dass viele KünstlerInnen und SchriftstellerInnen von Yasmine Hamdan bis Rafik Schami seit Jahrzehnten den Sturz der Regime fordern, und dabei kein Instrument von irgendjemandem sind.



    - Die Türkenfeindlichkeit ist traditioneller Teil der deutschen Kultur und hier kennen wir schon eine Menge Trotzreaktionen.



    Auch eine Türkeikritik muss sich gut informieren.



    - Ja der Rassismus ist in dieser Richtung tief verwurzelt: ein arabisch-türkischer Arzt wird eher nicht aufgesucht, die Urteilskraft solcher Fachkräfte eher ignoriert.



    - ich meine damit ausdrücklich die bürgerlichen Geschäftsleute, die ich vor kurzem in der Mensa an der Uni neben mir reden hörte. Geflüchtete nannten sie "Goldstücke". z.B. www.stern.de/digit...-sein-8763618.html



    - ja die industriellen Burschenschaftler sind noch schlimmer.

    • @nzuli sana:

      Islamismus ist eine faschistische Ideologie. Da können Sie sich mit Ihrem Identitätsgehampel auf den Kopf stellen.

    • @nzuli sana:

      Bitte unterlassen sie das Wort "biodeutsch". Es ist ein Synonym für "reinrassig" bzw. "arisch".

      Besonders absurd wird es, wenn es sich in einem Kommentar gegen Rassismus wiederfindet.

      • @cazzimma:

        Einen Begriff zu verbieten bedeutet nicht, das die Realität, die er bezeichnet verschwindet. Biodeutsch-arisch-autochont u.ä. Begriffe bezeichnen eine bestimmte rassistisch-kulturalistische Gruppeneinteilung, die ja objektiv in den Köpfen existiert. Oder sind Ihnen Antibeschreibungen wie POMADE (Person Ohne Migrationshintergrund, Ausser es handelt sich um ehem. Deutche Ostgebiete Ect ) lieber?

  • Die Klimadebatte nennen Sie überheblich. Interessant.



    Die Debatte findet weltweit statt, für Sie ist die Debatte überheblich deutsch.



    Für Sie ist es beruhigend, die AfD zu haben, auch interessant. Die AfD - Anhänger sind bekennende Klimaleugner.



    Da gibt es sicher Zusammenhänge...

    • @Traverso:

      Sorry, sollte Antwort auf Rolf.B. unten sein

      • @Traverso:

        Und ich habe unten dazu Stellung genommen und hoffentlich helfen können bei der richtigen Sinnentnahme von Texten.

  • Auf die Gefahr hin, mich in die Nesseln zu setzen:

    Es gibt kein Leben ohne Lügen, ohne Vorurteile und Ressentiments, ohne Ungerechtigkeiten und Gemeinheiten, ohne Ethnozentrismen und Egoismen, ohne Selbstgerechtigkeit und Eitelkeit. Etc.

    Das ist kein Grund, sich nach Möglichkeit und Notwendigkeit vor diesen Untugenden zu bewahren, vor allem, wenn sie drastisch werden, aber ich persönlich möchte hiermit bekannt geben, dass ich es nicht völlig und zweifelsfrei schaffe, rein und gut und tugendhaft zu sein.

    Ich bin ein Mensch und habe Fehler und mache Fehler - und verlange auch das Recht auf ein bisschen Spielraum in dieser Hinsicht.

    Zuallererst wende ich mich gegen den Fundamentalismus der Reinen, gegen die Inquisition der Selbstgerechten.

    Und werbe für Humor und Großzügigkeit angesichts menschlicher Schwächen. Auch in der Politik. Auch, wenn es zum Beispiel um das geht, was hier alles als Rassismus bezeichnet wird.

    Natürlich weiß ich, was mir jetzt an Prügeln droht: "Du willst also auf Hanau mit Humor und Großzügigkeit reagieren!"

    Nein. Aber ich mache Gradunterschiede. Und möchte gern Menschen Menschen sein lassen - auch in der Politik.

    Ich habe selber zu viele Fehler, als dass ich mir erlauben könnte, andere ständig streng beurteilen zu dürfen. Ich bin selber nicht rein genug, um anderen die kleinen Flecken auf ihrer Weste verübeln zu können.

    ---

    Frage an die User, die hier gerade kommentieren:



    Auf welche Weise definierst DU DEINE Überlegenheit?



    Dass DU etwas Besseres bist als gewisse andere?

    • @Leo Brux:

      Wenn man gegen Mord, Vergewaltigung, Folter, Betrug usw. ist ist derjenige in Ihren Augen dann auch der Überlegene, einer, der sich als was Bessere fühlt?



      Oh weia....oh weia....

      • @Traverso:

        Wer ist denn nicht gegen Mord, Vergewaltigung, Folter, Betrug?

        Dagegen zu sein ist mir wie Ihnen und erfreulicherweise den allermeisten Menschen selbstverständlich.

        Fühle ich mich deswegen als besserer Mensch? - Nein. Ich fühle mich als der, der mehr Glück gehabt hat als diejenigen, die ins Kriminelle abgeglitten sind. Mir ist klar, dass ich es nicht einer persönlichen Leistung, sondern meinem biographischen Glück verdanke, wenn ich kein Verbrecher und kein Rassist geworden bin.

        Aus dem Umstand, dass ich Glück gehabt habe, folgt nicht, dass ich was Besseres bin. Was daraus eher folgt, ist Dankbarkeit gegenüber den Umständen und Menschen, denen ich meine relative "Tugend" verdanke.

        Politisch folgt daraus, dass wir die STRUKTUREN so entwickeln müssen, dass sie die Heranwachsenden möglichst vor dem Weg hin zu Kriminalität und Rassismus bewahren.

    • @Leo Brux:

      Niemand ist völlig rein und gut und tugendhaft. Auch ich nicht. Auch ich bin rassistischer, als es mir lieb ist.

      Dennoch möchte ich behaupten, dass es kein Recht auf Fehler im engeren Sinne gibt. Im Gegenteil, es gibt die Pflicht, sich zu entschuldigen, wenn wir Fehler machen. Darüber hinaus besteht die Pflicht, dass wir anschließend mit aller Kraft, die uns zur Verfügung steht, darauf hinarbeiten, dass sie uns nicht erneut unterlaufen. Ein Recht auf Fehler im engeren Sinne würde Betroffene von Machtmissbrauch (und das ist Rassismus) dazu verpflichten, Vergebung zu gewähren. Vergebung ist aber ein Geschenk: Wir sind dazu verpflichtet, darum zu bitten, wenn wir unsere Macht missbraucht haben – aber wir haben keinerlei Anspruch darauf.

      Wir müssen endlich lernen, zwischen Absicht und Effekt einer Handlung zu unterscheiden. Ich möchte behaupten, dass niemand wirklich bewusst das Böse tun will. Alle Menschen betuppen sich aber von Zeit zu Zeit, indem sie vor ihrem eigenen Gewissen für gut erklären, was eigentlich böse ist. Einige wenige sehr stark ausgeprägt, wie zum Beispiel Terroristen egal welcher Richtung; und alle von Zeit zu Zeit ein bisschen. Böse ist, was Schwächeren schadet. Völlig unabhängig davon, ob die Handlung in bester Absicht erfolgte oder nicht.

      Und was die Überlegenheit aus Ihrer Frage betrifft: Die Art und Weise, wie Sie sie stellen, legt aus meiner Sicht nahe, dass Sie sich wegen Ihrer Humor-Großzügigkeits-Haltung gegenüber ihren Leser*innen für überlegen halten. Ich nehme an dieser Stelle an, dass Sie weiß sind, so wie ich. Gerade uns Weißen würde aber in Bezug auf Rassismus Demut besser zu Gesichte stehen.

      Quelle: Robin DiAngelo, White Fragility. Erscheint demnächst auch auf Deutsch.

      • @Smaragd:

        Da ich mir meiner Fehler und Schwächen bewusst bin, tendiere ich zur Großzügigkeit gegenüber den Fehlern und Schwächen der anderen.

        Das IST auch Demut.

        Ich empfinde die Art, wie hier über Rassismus geredet und geschrieben wird, als blind - blind für die eigenen Schwächen.

        Halte ich mich überlegen - etwa wegen meiner Neigung zum Humor und zur Großzügigkeit angesichts menschlicher Schwächen? - Na, genau das gehört zu meinen eigenen Schwächen - eben darüber habe ich geschrieben! Wenn ich hier schreibe, merke ich schon, dass ich nicht ganz ohne Eitelkeit tue.

        Schlimm finde ich vor allem die Exzesse. Da allerdings ist Härte und Konsequenz geboten.

        Im übrigen glaube ich nicht, dass Schwarze oder andere Gruppen, die diskriminiert werden, deswegen, weil sie diskriminiert werden, bessere, reinere, tugendhaftere Menschen sind. Was mich nicht daran hindert, mich mit ihnen zu solidarisieren.

        Ich traue denen, die benachteiligt sind, nicht so recht und nehme an, dass sie - wenn sie eines anderen Tages oben auf sein werden - selber zu Diskriminierern werden.

        "Umgekehrter Rassismus" ist auf jeden Fall auch ein Problem. Vermutlich ein Fall von Projektion: Um sich nicht selbst als Rassist entdecken zu müssen, projiziert man den eigenen Rassismus in andere hinein und wird dabei extrem pingelig. Ein schiefes Wort - und schon bist du Rassist - für diese nervösen Pseudo-Anti-Rassisten.

    • @Leo Brux:

      Anders herum wird ein Schuh draus: Wer rassistisch denkt, hält für etwas Besseres und nicht derjenige, der sich dagegen wendet!

      • @boidsen:

        Boidsen, was Sie da sagen ist Unsinn. Ich brauch mir die Antirassisten nur anzuhören, um zu spüren, für wie überlegen auch sie sich halten. SIE sind die Reinen und Guten!

        Dabei ist gegen Anti-Rassismus nichts einzuwenden. Es kommt darauf an, ob man ihn fanatisch- fundamentalistisch oder eher nachdenklich-skeptisch vertritt.

        Man achte auf den Ton: Ist er fanatisch? Ist er fundamentalistisch?

        Meine Kritik gilt primär den Fundamentalismen, den Fanatismen.

      • @boidsen:

        Vielen Dank für Ihre Worte ! Sie bringen es auf den Punkt.



        Habe so ein ungutes Gefühl daß gerade diejenigen jetzt als rassistisch beschimpft werden die sich mit viel Engagement dagegen wehren.

  • Die AfD ist nicht nur ein Symptom, sondern ein Katalysator, der Rassismus verstärkt und verbreitet.

  • Ich kann dem Artikel nur zustimmen und würde das sogar noch krasser formulieren.

    Wir bewundern jene als Helden, die Attentate gegen Diktatoren oder ähnlich organisieren, übersehen dabei aber, das die Rechtsradikalen Attentäter im Grunde aus sehr ähnlichen Motiven handeln.



    Nur das wir diese Motive nicht teilen.

    Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sind keine Spaßhobbies, sondern entstammen Ängsten oder Unzufriedenheiten, die nicht spezifisch für diese Leute sind.

    Veränderungen, Korruption, die Verlogenheit der Politiker, Ausbeutung, der Verlust der lokalen Identität wegen Mobilität und Migration und vieles mehr.



    Dies Probleme sind allgemein als solche akzeptiert, nur die persönlichen Reaktionen darauf sind unterschiedlich.

    Von daher macht es keinen Sinn, ständig auf der AfD herumzuhacken, denn die AfD ist eben nur ein Symptom. Andererseits ist der Radikalismus eine Folge ungelöster Probleme und fehlender Teilhabe der Gesellschaft und DAS ist das eigentliche Risiko für unsere Zivilisation.

    Eine friedliche Lösung dafür habe ich in Zeiten, in denen Markus Söder oder F. Merz Kanzler werden könnten nicht.

  • "Um den Widerspruch klarzumachen: Diejenigen, die nun das Verbot der AfD fordern, sind oft genau diejenigen, die in der Eurokrise von 2010/2011 die rassistische Logik der „faulen Griechen“ etablierten – aus dieser Zeit, aus dieser Logik stammt die AfD."

    Man sollte dieses Beispiel einmal konsequent zu Ende denken. Das deutsche Überheblichkeitsdenken hat sich seit Wilhem II nie grundlegend geändert. Und der Anspruch, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll, wird ja nicht nur in der Klimadebatte deutlich. In Deutschland herrscht ein geradezu verwerflich aggressiver Anspruch, zu definieren, wer auf dieser Welt gut oder böse ist. Dieses teutonische Überlegenheitsgetue ist die Grundlage für Rassismus. Da ist es beruhigend, die AfD zu haben, weil man gerne mit dem Finger auf Schuldige zeigt und es sich so erübrigt, selbstkritisch über Rassismus nachzudenken.

    Ich habe da keinerlei Hoffnung. Die Ursachen des Rassismus sind begründet in einer Klassengesellschaft, deren moralischer Motor die Selbstvergötzung ist.



    Die viel beschworene und von allen beanspruchte politische Mitte ist quasi das Epizentrum einer verlogenen Rassismusdiskussion. Schon deshalb, weil einfache Erklärungen gerne akzeptiert werden.

    • @Rolf B.:

      Die Klimadebatte nennen Sie überheblich. Interessant.Die Debatte findet weltweit statt, für Sie ist die Debatte überheblich deutsch.

      Für Sie ist es beruhigend, die AfD zu haben, auch interessant. Die AfD - Anhänger sind bekennende Klimaleugner.

      Da gibt es sicher Zusammenhänge...

      • @Traverso:

        Na, da haben Sie sich viel Mühe gegeben, mich falsch zu interpretieren.



        Aber irgendwie bestätigen Sie meinen Eindruck, dass sich Menschen, die sich stets als die Guten empfinden, keinen Millimeter aus ihrer Blase heraus kommen.



        Bei mir ist weder die Rede davon, dass die Klimadebatte "überheblich" geführt wird noch davon, dass die AfD für MICH irgendwie beruhigend ist. Im Gegenteil. Ich sehe andere Parteien im Windschatten der AfD und die Klimadebatte insofern eingeschränkt, weil originelle und kreative Beiträge zur Klimapolitik von den nationalistisch orientierten CO2 Jüngern überhaupt nicht zur Kenntnis genommen werden.

        • @Rolf B.:

          Und Sie vergötzen sich nicht selber ?



          Mit der AfD habe ich, was Sie angeht, falsch interpretiert. Sorry.



          Das Thema Klimadebatte haben Sie mit dem Überheblichkeitsdenken in Bezug gebracht. Da habe ich wohl richtig interpretiert.



          Nun geben Sie sich aber auch richtig Mühe die Dinge, die ich sage, so zu verdrehen wie es Ihnen passt.



          Lassen wir es einfach.



          Einen schönen Abend noch...

          • @Traverso:

            Wenn ich Sie richtig verstehe, lehnen auch Sie Debatten über eine wirklich wirkungsvolle Klimapolitik ab. Da erlaube ich mir doch lieber kritisches Denken.



            Auch Ihnen einen schönen Abend.

  • ...."Diejenigen, die nun das Verbot der AfD fordern, sind oft genau diejenigen, die in der Eurokrise von 2010/2011 die rassistische Logik der „faulen Griechen“ etablierten – aus dieser Zeit, aus dieser Logik stammt die AfD..."



    Dieses finde ich eine äußerst gewagte These. Das klingt ja so als würde der tötliche Raser selber das Tempolimit fordern.



    Ja, wer von faulen Griechen redet denkt in Ressentiments, der Nährboden für Rassismus. Warum soll der das AfD- Verbot fordern, das ist doch schlichtweg Unfug.



    Es ist ein Stück weit traurig daß sich scheinbar diejenigen jetzt dafür entschuldigen müssen daß sie die AfD verboten sehen wollen.



    Rechtsextremismus ist verfassungsfeindlich. Die AfD ist rechtsextrem, der Gedanke an ein Verbot liegt doch nur zu nahe.



    Schwieriger ist es die Ressentiments in den Köpfen eines Großteils der Deutschen zu begegnen.



    Das völkische Gedankengut der überlegenen Rasse ist schon in der Zeit vor den Nazis in die deutsche Gesinnung gehämmert worden und fleißig weitervererbt worden. Auf diesem Nährboden konnte der Nationalsozialismus gedeihen. Und das genau weiß die AfD.



    Die Ressentiments aus den Köpfen zu bringen geht natürlich nicht über Verbote. Das ist eine riesengroße psychologische Herausvorderung.



    Da sehe ich den richtigen Ansatz. Und das geht auf jeden Fall jeden Einzelnen an

    • @Traverso:

      Machen Sie es sich da bitte nicht zu einfach. Zu Recht schreiben Sie, dass völkisches Gedankengut schon vor den Nazis vorhanden war. Und neben der AfD gibt es ein viel ausgeprägteres Überlegenheitsgetue bei denjenigen, die genau wissen, dass nur am deutschen Wesen die Welt genesen kann. Da wäre jetzt einmal Selbstkritik angebracht. Da reicht es einfach nicht, mit dem Finger auf die AfD zu zeigen. Der Anspruch, dass wir die Guten sind und genau wissen, wer gut oder böse ist, kann nicht als Ressentiment abgetan werden, weil es die Grundlage rassistischen Denkens ist. Solange der "gute Besserdeutsche" das nicht verinnerlicht, wird der Rassismus immer verharmlost.

      • @Rolf B.:

        Ich schreibe Ressentiments sind der Nährboden für Rassismus.



        Damit verharmlose ich doch nicht Rassismus. Oder was meinen Sie genau ?



        Dann schreibe ich Ressentiments haben die meisten Deutschen.



        Warum meinen Sie dann daß ich nur auf die AfD zeige.



        Sie müssen schon richtig lesen.

  • Die Sache ist komplex und hat viele Aspekte. Einer dieser Aspekte ist, dass Leute mit rechtsextremen Ansichten, die demokratische Parteien wählen wenigstens durch diese Parteien nicht weiter radikalisiert werden. Ein anderer ist, dass gewaltbereite Rechtsradikale nicht durch Erfolge rechtsextremistischer Parteien meinen, "das Volk" oder "die Bevölkerung" stünde hinter ihnen.



    Das aber Konservative einen maßgeblichen Einfluss auf das Triggern rechtsradikaler Positionen haben, ist eine Banalität. Frau Merkel selbst hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Wiedererstarken der Rechtsradikalen. Nicht nur durch die Ereignisse 2015, sondern auch den Wahlkampf für "Kinder-statt-Inder"-Rüttgers, als sie die Lüge von den faulen Sudeuropäern gesellschaftsfähig machte.

  • Also wenn man sich das Abstimmungsverhalten im deutschen Bundestag zu außenpolitischen Fragen anschaut, kann man der Hufeisentheorie durchaus etwas abgewinnen. Und als Putin damals für sein völkerrechtswidriges Referendum auf der Krim eine Legitimation europäischer Politiker haben wollte, sind seinem Ruf nicht nur sämtliche rechtsradikale Parteien von AfD bis Front National brav gefolgt, sondern auch Vertreter der Linkspartei.

    • @Tom Berger:

      Ja, der Putinismus ist ein sehr inklusiver Fetisch. Allerdings ist das eigentliche Verwerfliche an der Hufeisen-Sache die schleichende Gleichsetzung der inländischen gewaltsamen Entladungen der "Wut" - und da ist es nun mal so, daß zur Rechten sehr regelmäßig Mörder und Totschläger zu finden sind, zur Linken jedoch schlimmstenfalls einige Brandstifter und Körperverletzer.

  • Rassismus in Deutschland.

    Zur historischen Erinnerung und Gegenwart.

    Bekanntlich wurde der Faschismus in Deutschland vor 1945 nicht beseitigt.

    Die staatliche Macht des deutschen Faschismus wurde von Außen - von den Alliierten - militärisch niedergeschlagen, aber bis heute nicht in den Köpfen beseitigt.

    Vor 1945 hatte die kapitalfaschistische NSDAP zwischen 8 und 9 Millionen freiwillige Parteikameraden. Jede zweite Familie in Deutschland und Österreich hatte ihren Kameraden in der NSDAP.

    Die Finanz und Monopolbourgeoisie, der IG-Farben, der Quandts, Krupps und Thyssen, wurde nicht enteignet und erblühte noch mehr als je zuvor - nach 1949 in der BRD und nach 1989/1990 in ganz Deutschland.

    Rund 99 Prozent der vormaligen Aktivisten, Nationalisten, Militaristen, Antisemiten und Rassisten, der NSDAP hatten keine Strafverfolgung nach 1945 in Westdeutschland zu erwarten. Sie fanden ihren Posten in Wirtschaft [Schleyer] und Beamtenschaft [Globke] Landes- und Bundesregierung [Filbinger und Kiesinger] der CDU der Finanz- und Monopolbourgeoisie.

    Die einzigen die mit ihrer Beseitigung und Berufsverbot in ganz Deutschland rechnen konnten, waren die Antifaschisten, humanistischen Kriegsgegner und Kommunisten, so bis heute.

    Im westdeutschen Bonner Bundestag lag nach 1949 der Anteil vormaliger NSDAP-Mitglieder bei rund 30 Prozent. [Die KPD, die Partei der Antifaschisten, wurde 1956 in Westdeutschland verboten.]

    Die ostdeutschen Brüder und Schwestern konnten vor 30 Jahren nicht schnell genug ins westliche Wirtschafts- und imperialistische Konsumparadies wechseln, einschließlich deren pseudohumanistischen und christlichen Bürgerbewegten.

    - die Wahrheit ist stets ungeschminkt.

    • @Reinhold Schramm:

      "- die Wahrheit ist stets ungeschminkt."

      Und deshalb setzt sie sich nicht durch.

      Bringen sie einmal einem deutschen Besserwisser der radikalen Mitte, der genau weiß, was gut und böse ist und wer gut und böse ist, bei, dass seine Ressentiments der Nährboden für Rassismus ist.

  • "Aber die AfD ist nur ein Symptom für eine viel tiefer reichende illiberale und demokratiefeindliche Tradition in der deutschen Gesellschaft. Sie ist die Ausprägung eines Rassismus, der sich nach 1945 eine andere Form und Gestalt gesucht hat und immer präsent war"

    Das Deutschland von heute ist n i c h t das Deutschland von 1945 ist n i c h t das Deutschland von 1933 ist n i c h t das Deutschland von 1870 etc.

    Der essentialistische Blick ist ahistorisch und verkennt die Fortschritte, die gemacht wurden, z.B. durch die 68er 'Kulturrevolution'.

    Mit (Über-)Dramatisierung ist niemand geholfen, wir brauchen realistische Analysen.

    'Rassismus' ist hier und heute eine (durchaus gefährliche) Minderheitenposition.

    Überdies:

    " Beware the politics of identity. They help legitimise the toxic far right"



    by Kenan Malik

    www.theguardian.co...se-toxic-far-right

  • RS
    Ria Sauter

    Ja, die Lösung ist das nicht, die AfD zu verbieten.



    Ich denke aber, es wäre hilfreich den Nazis keine politische Bühne in irgendwelchen Parlamenten zu bieten.

  • "[...] die AfD ist nur ein Symptom für eine viel tiefer reichende illiberale und demokratiefeindliche Tradition in der deutschen Gesellschaft [...]"

    Nicht nur in der deutschen, wohlgemerkt. Ich lebe hier lange als Gast, komme von wo anders, und die Menschen dort sind... nicht so viel anders.

    Aber um bei der obigen Metapher zu bleiben: manchmal sind die Symptome so akut, das diese explizit bekämpft werden müssen -- sonst ist die Patientin kurz darauf tot.

    In der derzeitigen Lage sehe ich die AfD in dieser Rolle: obwohl "nur" symptom für etwas, das es immer schon gegeben hat bezieht sie ihr Geschäftsmodell daraus, diese Angst, diesen Hass zu steigern.

    Ob es für ein juristisches Verbot ausreicht -- das wage ich zu bezweifeln. Aber wir müssen sie zurückdrängen wo es geht, die tun unserer Gesellschaft nicht gut. Wohl wissend, dass das Kernproblem bestehen bleibt. Sie sind nur Symptom.

    Wenn wir uns in diesem Kampf plötzlich an derselben Seite wie Herr Reichelt finden (huch?), dann müssen wir uns halt kurz die Nase zuhalten. Dass dessen Haus ähnlich trübe Geschäfte wie die AfD hat, das wissen wir schon lange.

    • RS
      Ria Sauter
      @tomás zerolo:

      Sehr gut auf den Punkt gebracht, danke!

  • Georg Diez, der Mann, der in konkret als "Hauch von Vernunft" bei Spiegel Online beschrieben wurde.

    Was sich hier auch wieder beweist. Ich kann nur zustimmen. Mein Höhepunkt dieser Entwicklung, die sich auf eine merkwürdige Art schlagartig vollzog, zumindest einen Ruck machte, war das "Nazis raus" Gebrülle der Sozis nach der Hamburg Wahl.

    Das haben die vorher nie gemacht. Die Tonality hat sich verändert. Man hat den giftigen kleinen Unruhestifter gefunden und jetzt muss man ihn nur beseitigen und alles wird gut.

    Von wegen.

    • @Jim Hawkins:

      Vollste Zustimmung.

    • @Jim Hawkins:

      Ich glaube, da haben einige Berufsstänkerer einfach Angst, dass sie durch den Antifaschismus der Mehrheit jeglichen Distinktionsvorteils beraubt werden.

      • @El-ahrairah:

        Wollen wir hoffen, dass es die Mehrheit ist.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Treffend beschrieben.

      Genau Ihre Art des Postens.

      Von dannen.

  • Sehr guter Artikel.