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RKI-Chef Wieler zu Corona und MigrationUngleichheit macht krank

In der „Bild“-Zeitung stellt Lothar Wieler Covid-Infektionen als ‚Integrationsproblem‘ dar. Das ist rassistisch, offenbart aber auch ein Problem der Krankenstatistik.

Seine Behörde ist zuständig für den Schutz der Bevölkerung vor Krankheiten: RKI-Chef Lothar Wieler Foto: Michael Kappeler/dpa

Obwohl die Neuinfektionen steigen, wurden am Mittwoch „Lockerungen“ und somit wohl auch eine dritte Welle beschlossen. Am gleichen Tag suggerierte die Bild-Zeitung, dass der Großteil der Covid-Intensivpatient*innen Menschen mit Migrationshintergrund seien – womit sie schlechte Deutschkenntnisse meint. Der Autor beruft sich auf Zitate von RKI-Chef Lothar Wieler und weiteren Medizinern. „Es ist ein Tabu“: Man dürfe nicht darüber sprechen, sonst habe man eine Rassismusdebatte an der Backe.

Ja, hat man auch – aber aus einem anderen Grund als dass es verboten ist, rassistische Sachen zu erzählen. In der Bild wird versucht, eine neue Integrationsdebatte wie in den Nullerjahren aufzumachen. In einem Wieler zugeschriebenen Zitat redet er von Parallelgesellschaften. „Beinharte Sozialarbeit in Moscheen“ sei nötig, aber die erreiche man nicht. Er redet von 4,8 Prozent der Bevölkerung, deren Anteil aber mehr als 50 Prozent der In­ten­siv­pa­ti­en­t*in­nen ausmache. Gemeint sind offensichtlich Muslime. Ein Chefarzt redet von 90 Prozent der intubierten Pa­ti­en­t*in­nen mit „Migrationshintergrund“, die er „Patienten mit Kommunikationsbarriere“ nennt.

Das RKI stellt später klar, dass sich die 50 Prozent nur auf drei Bespiele aus Großstädten beziehen und es sich nur um Überlegungen und keine abschließenden Feststellungen gehandelt habe. Die einzige konkret revidierte Aussage bleibt diese. So bleiben Anekdoten wie die von Wieler angeblich bemühte verstorbene Mutter eines „Clanchefs“ bestehen. Auch andere Behauptungen aus dem Artikel wurden aber bereits durch Faktenchecks entkräftet.

Auf der Intensivstation? Selbst schuld

Der Subtext: Wer mit Covid auf der Intensivstation landet, ist ein bisschen selbst schuld. Darf man aber nicht sagen. Außerdem: Die Intensivstationen sind nicht etwa deshalb voll, weil die Regierung die Bevölkerung nicht angemessen vor der Pandemie schützt, sondern weil die Menschen sich nicht an die Regeln halten. Und zwar Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen. So werden die Verhältnisse auf den Kopf gestellt und die Verantwortung den Schwerkranken selbst zugeschoben. Zur Erinnerung: Wieler ist der Kopf der Behörde, die für Krankheitsprävention zuständig ist.

Die DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfalldisziplin) widersprach prompt, dass es nicht stimmen würde, dass 90 Prozent der Covid-Intensivpatient*innen einen Migrationshintergrund hätten. Zum einen gebe es die Daten nicht, zum anderen würden alle Pa­ti­en­t*in­nen gleich behandelt, die Aussagen seien diskriminierend.

Es ist schön, dass die DIVI der rassistischen Stoßrichtung des Bild-Artikels widerspricht. Allerdings wird es als anstößig dargestellt, dass es tatsächlich einen höheren Anteil von wie auch immer definierten Menschen mit Migrationshintergrund auf den Intensivstationen geben könnte. Denn dass es plausibel sein könnte – wenn auch bundesweit nicht im behaupteten Ausmaß –, ist ein Problem. Und es ist auch ein Problem, dass wir es nicht wissen, weil entsprechende Daten nicht erhoben werden.

Denn wenn wir nicht wissen, was die Risikofaktoren sind, können Menschen auch nicht entsprechend geschützt werden. (Jetzt mal unabhängig davon, dass „Risikogruppen schützen“ hauptsächlich eine Chiffre dafür geworden ist, dass sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung alleine zu Hause einschließen soll, damit sich der Rest nicht einzuschränken braucht).

Es fehlen Daten

Weil wir Daten anhand der Zugehörigkeit zu rassistisch diskriminierten Gruppen kaum erheben, können wir sie auch schlecht sichtbar machen und verändern. Deswegen gibt es Initiativen wie den Afrozensus, die das ändern wollen. Der Datenmangel betrifft die Ungleichheiten, die es schon vor der Pandemie gab – und die jetzt durch sie verstärkt werden. Wer in beengten Verhältnissen wohnt, bei der Arbeit viel Kontakt zu Menschen haben muss oder auch dem Virus direkt ausgesetzt ist, wie zum Beispiel Personal in medizinischen Bereich, ist stärker gefährdet. Und ja, Zugang zu medizinischer Versorgung und zu verständlichen Informationen ist auch nicht gleichermaßen gegeben.

Wir wissen aus anderen Ländern, dass aufgrund von Rassismus diskriminierte und marginalisierte Gruppen ein teilweise deutlich höheres Risiko haben zu erkranken, schwere Verläufe zu haben, und zu sterben. Indigene und Schwarze US-Amerikaner*innen haben beispielsweise ein gegenüber Weißen mindestens doppelt so hohes Risiko für einen tödlichen Covid-Verlauf (Stand März 2021, um den Faktor Alter bereinigt.)

Wir wissen aber auch aus Deutschland, dass Armut beziehungsweise ALGII-Bezug das Risiko für schwere Verläufe stark erhöht. Viele Benachteiligungen können das Risiko für Menschen verschärfen, die in Deutschland unter „mit Migrationshintergrund“ gefasst werden – diese sind sehr vielfältig, mit Faktoren wie Alter, Geschlecht, Religion, finanziellem Status verschränkt. Sprachkenntnisse sind wohl einer dieser Faktoren – seine Gewichtung unklar. Man lehnt sich wohl nicht sehr weit aus dem Fenster zu vermuten, dass die meisten Menschen verstanden haben, dass Abstand und Masken wichtig sind. Die Frage ist, ob sie überhaupt Abstand halten können, etwa in Massenunterkünften oder auch im ÖPNV zur Rush-Hour auf dem Weg zur Arbeit.

Ins öffentliche Bewusstsein sind vor allem extrem ausbeuterische und gefährliche Arbeitsverhältnisse wie in der Fleischindustrie geraten. Doch systematische Daten fehlen, sowohl für die Risikofaktoren, sich anzustecken, als auch zu Diskriminierung und ungleichem Zugang im Gesundheitswesen selbst.

Es sind zwei unterschiedliche Probleme, die jetzt in der Pandemie zusammenlaufen: Daten zu Diskriminierungskategorien werden nicht systematisch erfasst. Und Daten zum Infektionsgeschehen sind mangelhaft: Wo stecken sich Leute wirklich an? Wir wissen es nur über einen Bruchteil der Fälle.

In der Schublade

In der Standardantwort der RKI-Pressestelle zu den Bild-Zitaten wird auf eine Handreichung an die Gesundheitsämter verwiesen mit dem Titel „Allgemeine Hinweise für Gesundheitsbehörden zur Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen“. Darin werden zum einen diskriminierende Strukturen als Faktoren von Ausbrüchen analysiert und zum anderen ein inklusiver Ansatz aufgezeigt, um diese zu verhindern:

„Grundhaltung der vorliegenden Hinweise ist, dass es weder ‚schwer erreichbare‘ noch ‚schwierige Populationen‘ gibt. Mit antidiskriminierenden und adressatinnen- und addressatengerechten Vorgehensweisen werden alle Bürgerinnen und Bürger befähigt, bei der Eindämmung der Pandemie mitzuwirken.“ Eine Anfrage, inwiefern die Gesundheitsämter nach diesen Hinweisen arbeiten, blieb bislang unbeantwortet. Auch wenn dies die offizielle Haltung vom RKI ist – Aufmerksamkeit bekam Wieler genau mit den Aussagen, die laut diesem Papier vermieden werden sollen.

Die RKI-Handreichung endet mit: „Reproduktion von Stereotypen und Vorurteilen sollte sowohl in der internen Kommunikation, sowie in der Berichterstattung und in der Planung und Umsetzung von Maßnahmen (Do-no-harm-Prinzip) vermieden werden.“ Vielleicht sollte Wieler es lesen.

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35 Kommentare

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  • ...Menschen mit geringerem Einkommen, geringerer Bildung, Wohn- und Ernährungsqualität etc. sind gesundheitlich grundlegend gefährdeter. Altbekannt. Warum soll das bei einer "neuartigen" Erkrankung die auf geschwächte und chronisch Kranke Menschen trifft anders sein? Das hat mit Migrationshintergrund insoweit zu tun das genau diese Menschen eben in diesen Kreisen (weltweit) dominieren. Also weiterhin ein gesellschaftliches Problem, und auch hier zeigt "Corona" nur wo wir hinschauen müssen. Danke Covid, weiter so...

    • @hendrik flöting:

      Dann sollte man solche Menschen nicht ausbeuten anstatt Schadensfreudig Freuen. #MehrLohn

    • @hendrik flöting:

      Sie treffen den Nagel auf den Kopf.



      Es ist peinlich wie alles abläuft. Schon "ewig" trugen TBC infizierte zum Fremdschutz Masken und TBC war überwiegend eine Krankheit der Armen.



      Es freut mich dass ich Ihren Kommentar gelesen habe.

  • Sollten 90% (oder 80 oder 50 oder 10 oder 5 oder 1 %) der Intensivpatienten einen Migrationshintergrund haben, ist an dieser Aussage nichts rassistisch und nichts diskriminieren. Es wäre eine Tatsache.

    • @Strolch:

      Artikel lesen Rassismusapologist.

      • @Beskar:

        Habe ich. Was steht da drin außer Mutmaßungen? Es wird darauf hingewiesen, dass es viele Ursachen für einen vermeintlich hohen Anteil an Corona Infektionen bei Menschen mit Migrationshintergrund geben könnte. Von der Unterstellung "selbst schuld" bis "Sprachbarriere". Wenn man aber die Zahlen nicht kennt, weil Menschen wie Sie in diesen gleich Rassismus sehen, wird man nichts verbessern können, da man nicht weiß, wo man ansetzen soll. Aber ich denke, um Verbesserungen geht es Ihnen auch nicht.

  • "Der Subtext: Wer mit Covid auf der Intensivstation landet, ist ein bisschen selbst schuld"

    Kann man so interpretieren und so sollens sicher auch die BILD Leser lesen.

    Wischt man sich aber mal den Schaum vom Mund gehts bei den Aussagen Wielers und dem Intensivermediziner, also einer "Kommunikationbarriere" um ein Integrationsproblem. Per se ist ein Integrationsproblem aber nicht einfach die Schuld des Migranten.



    Und wenn beosnders viele Migranten nicht an die notwenigen Informationen gelangen, weil ihnen der sprachliche Zugang fehlt, dann ist das auch -und ganz besonders bei zeitnah angekommenen Asylsuchenden- ein Integrationsproblem des Staates.

    Dass es bei hunderttausdenden Menschen mangelnde Deutschkenntnisse gibt, wusste man bereits weit vor der Pandemie. Dass diese aber trotzdem mit den notwendigen Informationen versorgt werden müssen, damit die Maßnahmen Wirkung zeigen, war ebenfalls klar.

    Und mal ab von der BILD, in der sowieso alles tendenziös ist. Aber auch hier in diesem Artikel wird doch deutlich, wie schwer es ist, unfallfrei und allumfänglich korrekt einen Fakt anzusprechen, ohne dass das eigentlich Thema sofort in den Hintergrund einer Rssismusdebatte rückt.

    • 0G
      04405 (Profil gelöscht)
      @Deep South:

      Sie biegen bewusst oder unbewusst in dieselbe Richtung falsch ab wie von der Bild Zeitung angeblinkt: Das eine "Kommunikationsbarriere" für großes Corona-Risiko ursächlich sei, ist eine unbewiesene Vermutung. Vielmehr werden - auch im Text - diverse plausible und belegte Gründe angeführt, warum Armutsrisiko und Corona-Risiko korrelieren: Von viel zu oft getragenen Einweg-Masken über Arbeitstellen außerhalb des Homeoffice, zudem mit ÖPNV erreicht.

      Das Menschen mit Migrationshintergrund in den prekären sozialen Schichten überrepräsentiert sind, ist tatsächlich ein gesellschaftliches Problem. Die offensichtlichen sozialen Gründe außen vor zu lassen und stattdessen mangelnde Sprachkenntnisse für hohe Fallzahlen verantwortlich zu machen - was gerne auch mit "integrationsunwillig" übersetzt wird - ist jedoch einzig: Rassistisch.

  • Die Pandemie ist weltweit - und nicht nur in Deutschland. Somit ist es jedem, der irgendwie Internet-Zugang hat (und Handys haben quasi alle), möglich, an Informationen zu kommen, und die Maßnahmen von Lockdown bis Maske sind weltweit ziemlich identisch. Wer die dann nicht kennt und nicht befolgt, will vermutlich nicht.

    • @Holger Steinebach:

      Ich merke vorallem im wenig gebildeten Bereich das dort die Maßnahmen abgelehnt werden. Hat nichts mit der Herkunft zu tun.

  • Dieses Land hat ein massives Integrationsproblem. Das betrifft beide Seiten. Wenn die Politik sowenig und sowenig strukturiert das Problem lösen will, fällt dann das Problem spätestens bei einer Pandemie der Gesellschaft auf die Füße. Migranten nur ein paar unqualifizierte Kurse an einer VHS anzubieten bei denen die Lehrenden noch nicht einmal eine besondere Qualifikation in Sprach - Kultur und Rechtsstaatsvermittlung aufweisen müssen reicht eben nicht.

    • @Friedrich Spee:

      Das ist ein sehr großes Problem, aber niemand betont das. Es wird einfach gemacht mit dem Gedanken das es gut gehen wird. Nein wird es nicht. Probleme sind durch sowas vorprogrammiert, letztens im Ersthelferkurs drei Migranten ohne Deutsch kenntnisse. Die Übungen wurden nicht verstanden, trotzdem haben die das Zertifikat für den Führerschein bekommen. Wenn ein Unfall passiert und diese drei sind vor Ort wird genau garnichts passieren und im schlimmsten Fall ein Mensch sterben. Warum? Weil der deutsche Staat zu wenig fordert und fördert und die Migranten leider auch zu wenig lernen(zumindest in diesem speziellen Fall, kann man ja auch nicht verallgemeinern!) danke für den guten Beitrag!

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Hervorragenden Debattenbeitrag.



      Oder soll es Satire sein?

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Ist alles Satire. Psst, nicht verraten.

  • "Der Subtext: Wer mit Covid auf der Intensivstation landet, ist ein bisschen selbst schuld." - als es darum ging, dass in AfD-Hochburgen ein deutlich höherer Wert an Intensivpatienten vorlag oder sogar einige AfD-Politiker dort landeten und zT starben, war meiner Erinnerung nach dieser Satz in Ordnung - auch wenn er immer falsch ist. Bzw. richtiger würde er lauten, dass "mancher" selbst schuld ist, weil er die Gefahr ignoriert hat, egal ob aus "Gottvertrauen", als Covid-Leugner oder aus welchen Gründen auch immer.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Ihr Argument gilt nur dann, wenn unterstellt wird, die Menschen, die AfD wählen, seien selbst schuld an ihrer politischen Einstellung. Nun ist es aber weder so, dass ein großer Teil meiner Mitsachsen und -sächsinnen einfach nur einen Charakterfehler hätte, noch haben sie sich ihre Entaufklärung ausgesucht.



      Selbstverständlich kann man sagen, jemand sei schuld am Tode eines anderen Menschen, wenn der- oder diejenige ihn durch fahrlässiges Verhalten angesteckt hat. Das heißt aber nicht, dass er oder sie schuld sei, wenn er/sie selbst durch eigenes fahrlässiges Verhalten stirbt. Schließlich wird ein derartiger kurzsichtiger Egoismus im liberalen Kapitalismus systemisch durch Belohnungen permanent bestätigt und das führt dazu, dass sich Subjekte dahingegehend konstituieren, genau solches rücksichtsloses Verhalten gegenüber anderen sich selbst zu zeigen.



      Dass es gesellschaftliche Ursachen für diese Dialektik der Aufklärung gibt, heißt nicht, dass die Subjekte, die diesem Machtprozess unterworfen sind, schuldunfähig seien, allerdings ist niemand am eigenen Tod schuld. Sich zu verschulden, weil das eigene Handeln den eigenen Tod mitversursacht hat, ist absurd.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Was ist daran absurd?



        Wie hoch war Kredit, also die Schulden des nicht mehr unter uns weilenden? absurd hoch?

    • @Dr. McSchreck:

      VIELEN DANK!!! Damit ersparen Sie mir das Schreiben und ernten lediglich Zustimmung.

  • Wer ernsthaft daran interessiert ist, die offenbar deutlich höhere Rate an Covid-19-Infektionen und an schweren Krankheitsverläufen in migrantischen Milieus zu reduzieren, braucht zunächst einmal eine differenzierte – d.h. multikausale - Analyse aller möglichen Einflußfaktoren.

    Erst mit einer solchen Analyse in der Hand können punktgenaue und erfolgversprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

    Genauer in den Blick zu nehmen wären neben den bereits genannten (wie Arbeits- und Wohnsituation, Kommunikationsprobleme) KULTURELLE FAKTOREN, wie großfamiliale Strukturen; die größere Bedeutung von Gemeinschaft (gerade auch in der ‘Diaspora’) vgl. mit der ‘individualisierten’ Mehrheitsgesellschaft; Religion und Kinderreichtum sowie SUBKULTURELLE FAKTOREN v.a. männlicher Jugendgruppen, deren (u.a. Begrüßungs-) Rituale schwer vereinbar sein können mit ‘Distanz’; und in denen ‘vorsichtiges’ Verhalten als ‘unmännlich‘ und ’feminin’ gelten kann; in denen ‘risk taking’ generell als ‘Männnlichkeit’ ausweist, und in denen gerade das Ignorieren ‘von oben’, 'von der Mehrheitsgesellschaft' vorgegebener Regeln den Status in der Gruppe verbessern kann.

  • 2G
    20104 (Profil gelöscht)

    "Auch andere Behauptungen aus dem Artikel wurden aber bereits durch Faktenchecks entkräftet."

    In dem Link ist nichts davon zu lesen, dass die Aussage entkräftet wurde. Nicht wissen und widerlegen sind zwei verschiedene Dinge.

    "Eine statistisch begründete Aussage zu Nationalitäten oder Religionen von Covid-Patienten in deutschen Krankenhäusern lässt sich laut des Bundesgesundheitsministeriums, des RKI und des DIVI nicht treffen – weil solche Daten nicht erfasst werden."

  • Die Aussage von Herrn Wieler war eben nicht: Wer auf die Intensivstation kommt ist selber Schuld. Nein, aber es ist notwendig, dass in den Communities auch etwas getan wird, um Ansteckungen zu vermeiden. Dieser Hinweis ist richtig. Ind er weist darauf hin, dass es schwierig ist bedtimmte Gruppen zu erreichen. Doeser Hinweis ist richtig und wichtig - insbesondere mit den öffnungen und der kommenden dritten Welle. Sie glauben nicht, wue nervig und schwierig es für mich ist die Maskenpflicht in meinem Unterricht durchzusetzen ...

  • Es gibt tatsächlich ein massives Integrationsproblem und zwar von Seiten der verantwortlichen Behörden. Ich nehme mal die offizielle Seite des Berliner Senats "www.berlin.de/corona" auf der die aktuellen Infektionsschutzverordnungen und vorab die jeweils wichtigsten Regeln veröffentlicht werden. Zwar gibt es ein beeindruckendes Mehrsprachangebot anklickbar am Ende der Seite, doch übersetzt werden die relevanten Nachrichten, Regeln und Gesetze erst jeweils Wochen später wenn überhaupt. Klickt man "English" an, werden die Überschriften von vor zwei Wochen ins Englische übersetzt alle weiterführenden Links mit den tatsächlichen Infos sind und bleiben auf Deutsch. Als DaF Lehrerin für Neuberliner:innen bekomme ich seit der ersten Welle im März wöchentlich Anfragen meiner Schüler:innen was denn gerade die Regeln in Berlin sind. Egal ob Journalist:innen aus den USA, Hochschuldozent:innen aus Syrien, Studierende aus dem Jemen oder Menschen mit Fluchtgeschichte aus egal welchem Land sie wollen sich informieren können es aber nicht und das Defizit belastet dann die ohnehin stark nachgefragten Beratungsstellen von Vereinen, Selbsthilfeorganisationen etc. die dann erst mal die grundlegenden Infos und Gesetze übersetzen müssen um adäquat beraten zu können. Das ist Berlin 2021 ...

    • @Nina Janovich:

      Naja, man kann auch deutschsprachige Texte in die eigene Sprache übersetzen. Dafür gibts kostenlose Angebote im Netz. So kann man sicher, nicht immer fehlerfrei und grammatisch korrekt, aber den Kern der Aussage übersetzen. Mach ich regelmäßig bei meinem jobbedingten Internetrecherchen. Man könnte sogat Freunde und bekannte fragen...Wer sich infomieren möchte schafft das auch, sogar in D.

    • @Nina Janovich:

      In wie vielen Sprachen soll denn zukünftig veröffentlicht werden? Ich werde nächstes Jahr auch auswandern und erwarte dann eher nicht amtliche Bekanntmachungen in deutscher Sprache vorzufinden. Deswegen lernt man ja möglichst vorher die Landessprache.

      • @Šarru-kīnu:

        naja, es geht ja nicht um wohlstandsausandern, sondern um Menschen die geflüchtet sind. Darunter sind auch welche, die nie in die Schule gegangen sind, z. B. Jesidinnen aus dem Irak - die durften dort nicht die Schule besuchen. Eine neue Sprache zu erlernen ist hier dann durchaus möglich, aber sehr mühsam. In ihrem Heimatland war das ausgeschlossen. Also, das ist nicht so ein Super Argument. Wenn es um Migranten geht, die hier schon länger leben, dann sollte esnöglich sein die deutschsprachigen Informationen zur Kenntnis zunehmen und zu befolgen. Das ist aus meiner Sicht kein sprachliches sondern ein sozio-kulturelles. Denn ganz unabhängig von der Arbeits- und Lebenssituation, ist es sicher nicht abgebracht während der Pandiemie grosse Hochzeitsfeietn mit über 100 Gästen abzuhalten ....

      • @Šarru-kīnu:

        Lernen Sie dann zurzeit auch alle Sprachen der Welt? Denn falls hier in D oder in ihrem baldigen Wohnort in den kommenden Jahren die Bomben fallen sollten, werden Sie doch sicher bestens vorbereitet sein. Egal, wer Sie dann aufnimmt.



        Sie tun so, als gäbe es kein Problem, bzw dass es einseitig auf der Seite der Minderheiten läge. Aber eine Gesellschaft von 80 Millionen sollte die grundlegendsten Infos in den 15-20 aktuell gefragtesten Sprachen abbilden können, meinen Sie nicht?

        • 2G
          20104 (Profil gelöscht)
          @Orwell1984:

          "Aber eine Gesellschaft von 80 Millionen sollte die grundlegendsten Infos in den 15-20 aktuell gefragtesten Sprachen abbilden können, meinen Sie nicht?"

          Nein, die Sprache des Landes zu lernen, in dem man Leben will, ist eine Pflicht der Person, die hier länger leben will.

          Es geht bei diesen Texten ja auch nicht um die Erörterung komplexer Sachverhalte, sondern um einfache Aussagen zu einer Virusinfektion. Da sollte einfache Sprache reichen.

        • @Orwell1984:

          Gibt es auch nur ein Land der Welt in dem alle amtliche Kommunikation in 20 Sprachen abläuft? Englisch kann ich ja noch irgendwie nachvollziehen. Warum behandeln wir das Lernen der Landessprache immer als Zumutung? Meine Frau und meine Schwägerin mussten damals noch eine recht schwere Deutschprüfung ablegen bevor die Einreise überhaupt genehmigt wurde und das trotz vorliegender Arbeitsstelle. Heute ist das aber scheinbar nur noch eine Einbahnstraße.

        • @Orwell1984:

          Nun kommen die meisten Flüchtlinge doch recht gezielt nach Deutschland. Die meisten mühen sich schnell um Spracherwerb, aber eben nicht alle.

        • @Orwell1984:

          Nein, ich denke nicht, dass übersetzungen in 15-20 Sprachen grundsätzlich vorliegen müssen. Für Flüchtlinge sind grundsätzlich Schutzinformationen über die Heime zu Verfügung zu stellen. Alle die schon eine Wohnung haben , sollten knzwischen über gewisse Sprachkenntnisse verfügen. Darüber hinaus gibt es Übersetzungprogramme im Internet. Die Schüler in meinem Kursen sprechen in der Regel Arabisch, Farsi, Russisch, wenn sie aus Afrika kommen sprechen sie in der Regel Französisch oder Englisch oder italiensich. Ich komme hier nicht auf 15 - 20 Sprachen .... Wenn ihr Bekannte eine ausländische Journalistin ist, bin ich mir sicher, sie kennt und kann umgehen mit Übersetzungsprogrammen ....

        • 4G
          4813 (Profil gelöscht)
          @Orwell1984:

          Naja, wenn ich in ein Land in Urlaub fahre, lerne ich die Grundbegriffe in Landessprache. Wenn ich länger dort bin, dann sollte ich schon in dieser Sprache kommunizieren können. Das ist höflich.



          Wenn ich frisch Geflüchtet bin, dann kann das keiner erwarten. Aber hier geht es ja um Leute, die hier schon länger leben.



          Und wenn es da ein Problem mit der Einhaltung von Corona Regeln gibt, sollte man das analysieren und benennen dürfen. Wie wollen sie Probleme lösen, wenn es ein Tabu gibt, darüber zu reden.



          Informationsübermittlung in Gebärdensprache und Braille sollten schon sein.

        • @Orwell1984:

          Also in unserem Projekt wurden, ich meine im April vergangenen Jahres, die Corona-Regeln ausgehängt und auch versandt. Wir hatten die Übersetzungen zugesandt bekommen und mussten das nicht selbst macheb (hätten auch die Mittel nicht gehabt). Die Regeln sind nach wie vor: Abstand halten, Maske tragen, Menschenansammlungen meiden. Dies muss nicht ständig aktualisiert werden. Das ist aus meiner Erfahrung kein Problem. Aber fragen Sie bitte mal, in Berlins Krankenhäusern bei den Mitarbeitern nach. Ich habe aus zwei Berliner Krankenhäusern schon im Frühjahr erzählt bekommen, dass extrem viele Migranten dort mit Corona liegen. Das solange nicht darüberberichtet wurde - ist sehr auffällig. Aus meiner Sicht hat es damit zu tun, dass mN umgehend des Rassismus bezichtigt wird, wie es Herrn Wieler ergangen ist. Die Dinge müssen schon benannt werden - sonst können auch keine Lösungen gefunden werden. Übrigens erzählen meine Schüler mir, (Flüchtlinge), dass es in Syrien und Libanon kein Corona gibt. Die Falschonformationen kommen aus den Heimatregionen, von den Verwandten - und denen wird geglaubt.

  • Mit der Keule "Datenschutz" beraubt sich Deutschland oft genug diverser Erkenntnismöglichkeiten. Und sicher ist es kein Zufall, daß diese von unseren Mittelschichtpolitikern verschuldeten Erkenntnismängel bezüglich der Verhältnisse der Armen und sehr Reichen politisch sedierend wirken.

    Anteilig sind Migranten an den Armen überrepräsentiert. Und Arme sind z. B. häufiger übergewichtig, Diabetiker. Psychosozialer Streß durch Armut und Fremdbestimmung schlägt aufs Immunsystem. Alles Risikofaktoren, die die Sterblichkeit an Covid-19 erhöhen. Man muß diese Faktoren nur erheben wollen und können: Stichwort vorsätzlich ausgezehrte, technisch schlecht ausgestattete Verwaltung. "Der Markt wird es richten", Credo der letzten Jahrzehnte, war für die Politiker sehr entlastend, rechtfertigte feiste Untätigkeit statt politischer Arbeit an gesellschaftlicher Gestaltung.

    • @jghsr:

      in der Analyse stimme ich Ihnen völlig zu. Man kann Probleme nicht bearbeiten, wenn man sie nicht erforscht und dann benennt. Selbst den Armen, den Menschen mit Migrationshintergrund oder den "bildungsfernen" gibt man Steine statt Brot, wenn man nicht forscht, weil die Ergebnisse schlecht ausfallen könnten und damit vordergründig Rassisten Nahrung liefern könnten. Tatsächlich wäre es aber alles andere als rassistisch, wenn man diese Forschung zur Grundlage von Förderprogrammen macht....