RAF-Terroristin Daniela Klette verhaftet: Ihre Flucht endet in Kreuzberg
Seit 30 Jahren wird nach den einstigen RAF-Terroristen Klette, Staub und Garweg gefahndet. Am Dienstag wurde Klette in Berlin festgenommen.
Klette gehörte zur letzten, zur dritten RAF-Generation, die unter anderem für Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und Treuhand-Präsident Detlev Rohwedder verantwortlich war. Klette selbst soll 1990 an einem Anschlag auf die Deutsche Bank in Eschborn und ein Jahr später auf die US-Botschaft in Bad Godesberg beteiligt gewesen sein. 1993 wurden von ihr auch DNA-Spuren beim Sprengstoffanschlag auf die im Bau befindliche JVA Weiterstadt in Hessen gefunden, ebenso von den RAF-Mitstreitern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.
Seit Jahrzehnten wurde erfolglos nach dem Trio gesucht. Nach dem Abtauchen sollen die drei von 1999 bis 2016 sechs Überfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verübt haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Mehr als 2 Millionen Euro sollen dabei erbeutet worden sein.
Die Fahndung wurde mit enormem Aufwand betrieben. Anfangs ermittelte die Bundesanwaltschaft, am Ende die Staatsanwaltschaft Verden. 150.000 Euro wurden für Hinweise auf das Trio ausgelobt. Erst vor wenigen Tagen wurde der Fall auch nochmal über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen X … ungelöst“ ausgestrahlt, 250 Hinweise trudelten danach ein.
Auf einer am Dienstag eilig einberufenen Pressekonferenz zur Festnahme von Daniela Klette berichtete Niedersachsens LKA-Präsident Friedo de Vries, dass ein anderer Tipp entscheidend war. Im November 2023 habe man einen Hinweis aus der Bevölkerung auf die Wohnung in Berlin erhalten. Nach mehreren Überwachungsmaßnahmen sei man sich sicher gewesen, dass dort Klette lebte. Bei der Festnahme am Montag durch niedersächsische Zielfahnder und Berliner Polizeikräfte habe die 65-Jährige keinen Widerstand geleistet und sei allein in der Wohnung gewesen. Über Fingerabdrücke sei Klette eindeutig identifiziert worden. Gefunden wurden in der Wohnung auch zwei Magazine und Munition, aber keine Waffe.
Offen blieb, wie lange Klette schon in Kreuzberg lebte. Laut Ermittlern lebte sie dort unter falscher Identität, mit ausländischem Pass. Mieterin der Wohnung sei sie nicht gewesen. Nachbarn geben am Dienstag vor dem Haus Journalist*innen Interviews: Klette habe sich „Claudia“ genannt, sei freundlich gewesen, oft mit einem Hund unterwegs, habe Mathe-Nachhilfe gegeben. Zudem zeigen sie Social Media Fotos in einem Kreuzberger Capoeira Verein, in dem sie offenbar über Jahre bis mindestens 2019 aktiv war.
Mit einem Hubschrauber wurde Klette später nach Bremen geflogen, wo das Amtsgericht Verden U-Haft für die Beteiligung an sechs Überfällen verhängte. Allein dafür drohen ihr mehrere Jahre Haft. Auch die Bundesanwaltschaft ist noch in das Verfahren involviert: Die Mitgliedschaft in der RAF ist verjährt, nicht aber der Vorwurf der drei Sprengstoffanschläge. Klette soll bisher die Aussage verweigern.
Sicherheitspolitiker überschlugen sich mit Jubel. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „großem Erfolg“ der Ermittlungsbehörden. „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen.“ Die Verbrechen der Rote Armee Fraktion stünden „bis heute beispiellos für die Gefahren des Linksextremismus und Linksterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland“. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.
Auch LKA-Chef de Vries zeigte sich erfreut. Man habe bei der Fahndung nach dem RAF-Trio in den vergangenen Jahren wiederholt vor falschen Türen gestanden. Erst vor wenigen Tagen kam es zu einem großen Polizeieinsatz, als in einem Regionalzug in Wuppertal ein Mann fälschlich für Ernst-Volker Staub gehalten wurde.
De Vries kündigte an, dass man mit gleicher Intensität nun auch weiter nach Garweg und Staub suchen werde. Tatsächlich berichtete er noch am Dienstag von einer zweiten Festnahme in Berlin: von einem Mann ähnlichen Alters wie Klette, der ebenfalls mit falschen Papieren unterwegs war. Die Identität konnte zunächst nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Aktualisiert und ergänzt am 28.02.2024. um 08:15 Uhr. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?