Prozess um Raser in Berlin: Lebenslänglich wegen Mordes
Der Unfallort glich einem Trümmerfeld, Beobachter sprachen gar von einem Schlachtfeld. Ein Mensch starb bei dem Autorennen. Die Fahrer sind nun verurteilt.
Ein Mordvorwurf ist in Fällen von illegalen Rennen mit tödlichem Ausgang bisher in Deutschland nach allgemeinem Kenntnisstand nicht erhoben worden. Meist wurde wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und verurteilt. Ein derartiges Urteil für den Todesfahrer strebten auch die Verteidiger an. Das hätte höchstens fünf Jahre Gefängnis bedeutet.
Die beiden Fahrer im Alter von 27 und 25 Jahren überfuhren bei der Raserei über den Ku'damm mehrere rote Ampeln. Auf einer Kreuzung der Tauentzienstraße kurz vor dem Luxuskaufhaus KaDeWe rammte der 27-Jährige den Jeep, der selber Grün hatte und 70 Meter weit über die Straße geschleudert wurde. Das Auto des zweiten Fahrers stieß mit einigen Straßenbegrenzungen zusammen. Beide Raser wurde kaum verletzt.
Im Laufe des Prozesses äußerten sich die beiden Angeklagten nicht zu den Vorwürfen. Eine Verkehrspsychologin beschrieb einen der Männer als Autofahrer, der „massiv selbstüberschätzend“ unterwegs gewesen sei. Bei dem Rennen sei es ihm darum gegangen, „zu gewinnen und dadurch sein Ego aufzuwerten“. Der zuletzt arbeitslose 27-Jährige habe seinen gebraucht gekauften Sportwagen nach eigenen Angaben „geliebt“ und damit sein Selbstwertgefühl gesteigert.
Hohes Rückfallrisiko
Die Psychologin erklärte weiter, mehrfach sei der Mann wegen Verkehrsdelikten aufgefallen, „aber nicht mit der erforderlichen Härte bestraft worden“. Bei dem Mann habe „kein echtes Erkennen der eigenen Schuld begonnen“. Es bestehe ein hohes Rückfallrisiko.
Die Schuldfrage in diesem Prozess stand fest, die rechtliche Bewertung der Tat und die Höhe der Strafe war hingegen umstritten. Die Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Freiheitsstrafen für beide Männer. Nach ihrer Argumentation wollten die Männer bei ihrem Rennen zwar niemanden vorsätzlich töten, sie hätten aber mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen. Juristen nennen das einen bedingten Vorsatz.
Die Verteidiger der Fahrer sahen das anders. „Der Raserei ein Ende machen darf man nicht, indem man die Gesetzeslage unzulässig ausweitet und verschärft“, argumentierte ein Anwalt in dem Prozess. Der Vorsatz, an einem Rennen teilzunehmen, sei nicht mit einem Tötungsvorsatz gleichzusetzen.
Die Anwälte des 27-Jährigen plädierten daher auf einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung. Die Verteidiger des 25-Jährigen sahen bei ihrem Mandanten nur eine Gefährdung des Straßenverkehrs und forderten zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung. Der 25-Jährige könne für den Tod des Opfers juristisch nicht mitverantwortlich gemacht werden.
Ein Verteidiger argumentierte, Raser wie sein Mandant seien „zu einem bedingten Vorsatz schlichtweg nicht fähig“. Ihnen würde bei „bei so einer Fahrt das Risiko nicht in den Sinn kommen“. Die Männer seien davon ausgegangen, alles unter Kontrolle zu haben. In Selbstüberschätzung hätten sie sich auf ihre Fahrkünste verlassen und keine hohe Gefahr gesehen.
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