Proteste gegen IAA in München: Klima-Aktivist*innen eingekesselt

MItglieder des Bündnisses „Smash IAA“ geraten am Rande der IAA in München an knüppelnde Polizist*innen.

Zwei Polizisten zerren einen jungen Menschen weg

Polizisten lösen eine Straßenblockade vom Bündnis „No Future for IAA“ auf Foto: Matthias Balk/dpa

MÜNCHEN taz | Schwarz-lila Rauchschwaden wabern über die Bavariastraße im Münchener Stadtteil Sendling. Etwa 150 Ak­ti­vis­t*in­nen des Aktionsbündnisses „No Future for IAA“ tummeln sich in der kleinen Nebenstraße. Einige von ihnen errichten eine Barrikade aus Fahrrädern, andere setzen sich auf die Straße und eine Kleingruppe erklimmt das Dach des ehemaligen Sozialkaufhauses „Weißer Rabe“. Sie rufen: „A-Anti-Antikapitalista.“ An einer nahen Straße errichtet eine Gruppe ein Tripod und wirft mitgebrachte Autoreifen auf die Straße. Die Polizei ist weit und breit nicht zu sehen.

„Wir besetzen hier symbolisch dieses leerstehende Gebäude und protestieren damit gegen die Immobilienpolitik der Stadt München“, sagt Lou Schmitz, Sprecherin des Aktionsbündnisses „No Future for IAA“. Das Gebäude steht seit 2021 leer. Der Eigentümer, die Concept Bau GmbH, hatte im vergangenen Jahr eine Anfrage zur Zwischennutzung abgelehnt und angekündigt, hier 35 Luxuswohnungen zu schaffen. Geschehen ist seither nichts. Die Gruppe fordert, dass die Stadt sich einschaltet und per Vorkaufsrecht den Raum wieder der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Erneut wählen die Ak­ti­vis­t*in­nen von „No Future for IAA“ das Mittel der – in diesem Fall symbolischen – Hausbesetzung. Bereits 2021, bei der letzten IAA, war eine Gruppe in ein Gebäude eingedrungen und hatte dieses für einige Stunden besetzt. Die Sprecherin Lou Schmitz sagt zu der Aktion am Samstagmittag: „Wir wollen einen Kontrapunkt zu den Werbeflächen der IAA setzen und ein dauerhaft selbstverwaltetes Kulturzentrum schaffen.“

Zahlreiche öffentliche Plätze in der Innenstadt sind zu Ausstellungsflächen umgewandelt und seien somit für die Profite der Autoindustrie privatisiert, während das Leben in München immer unbezahlbarer werde, so Schmitz. „Wir wenden uns mit der Aktion gegen ein System, das Profitinteressen von Konzernen über die Grundbedürfnisse von Menschen stellt“, so Schmitz weiter. Die Nach­ba­r*in­nen beobachten das Spektakel vor ihrer Tür. Auf Nachfrage sagt ein Mann, der auf einem Balkon gegenüber des Gebäudes steht, er finde es sehr schade, dass das Ladenlokal leer stehe.

Eine andere Aktion zur gleichen Zeit an der Donnersbergerbrücke im Stadtteil Neuhausen gelingt derweil nicht. Rund 300 Ak­ti­vis­t*in­nen des Klima- und Klassenkampfbündnisses „Smash IAA“ hatten sich um 11 Uhr an zwei geheimen Treffpunkten versammelt und waren unter der Brücke hindurch in Richtung der Münchener Mercedes-Benz-Niederlassung gelaufen. Doch Polizeiautos mit Sirenen und Blaulicht treffen gleichzeitig ein und schneiden ihnen den Weg ab. Po­li­zis­t*in­nen springen aus den Wagen, rufen „Zurück!“ und schlagen mit Knüppeln auf die Ak­ti­vis­t*in­nen ein. Einigen Pro­tes­tie­re­r*in­nen gelingt es, an der Polizeikette vorbeizukommen und in Richtung des Haupteingangs des Mercedes-Towers zu rennen. Doch da ist Ende: Die Polizei kesselt rund 100 Personen auf dem Vorplatz zwischen dort parkenden Vorführwagen. Nach einigen Minuten kommen 200 weitere Ak­ti­vis­t*in­nen mit einer Straßenbahn an. „Ob hier, ob da, Smash IAA“, rufen sie und laufen als Verstärkung zu ihren Mit­strei­te­r*in­nen in den Polizeikessel.

„Wir wollen mit unseren Aktionen zeigen, dass Klimaschutz und Klassenkampf zusammengedacht werden müssen“, sagt die Sprecherin des Bündnisses, Mira Klein. Mercedes sei nicht nur ein Klimakiller, sondern auch in die Rüstungsindustrie verstrickt und folge als großer Player im kapitalistischen System zwangsläufig einer skrupellosen Profitlogik.

Der Misserfolg der Aktion und das Nicht-Stattfinden weiterer Aktionen in der Münchener Innenstadt ergeben im Laufe des Wochenendes das Bild einer schwierigen Protestsituation auf feindlichem Terrain. Das Verhältnis von Po­li­zis­t*in­nen zu Ak­ti­vis­t*in­nen in der Stadt liegt bei vier zu eins: 4.500 Be­am­t*in­nen sind im Einsatz, rund 1.500 Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen sind zum Protest vor Ort. Schon am Freitag waren geplante Aktionen im Innenstadtbereich ausgefallen – die Polizeipräsenz dort war schlicht zu hoch. Die Außenflächen der Automesse, die sich über die zentralen Plätze der Stadt verteilt, sind von Po­li­zis­t*in­nen belagert. Lediglich einer Handvoll Ak­ti­vis­t*in­nen gelang es für wenige Minuten, zwei Protest-Transparente im VW-Showroom zu entrollen.

Ein größerer Erfolg war am Freitag eine Blockade in einstündiger Entfernung von München, in Dingolfing. Rund 150 Ak­ti­vis­t*in­nen des Bündnisses „Sand im Getriebe“ hatten dort über mehrere Stunden ein Tor eines BMW-Werks blockiert. Am Abend löste die Gruppe die Blockade freiwillig auf. Die Polizei kesselte sie auf dem Weg zum Bahnhof ein und nahm die Personalien auf.

Ak­ti­vis­t*in­nen und Be­ob­ach­te­r*in­nen berichteten immer wieder von Personenkontrollen in der Innenstadt und vor dem Protestcamp. Dabei greifen Po­li­zis­t*in­nen augenscheinlich auf Daten und Fotos von Einzelpersonen zurück. Immer wieder ist zu beobachten, wie zivile Be­am­t*in­nen auf ihren Telefonen durch Porträtbilder scrollen. Auf taz-Anfrage gibt die Pressestelle der Polizei an, es handele sich lediglich um ein Informations- und Abfragesystem der bayerischen Polizei. Eine Datenbank, in der die Personalien von Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen gesammelt würden, gebe es nicht. 39 Personen befinden sich derzeit in Polizeigewahrsam.

Nach einer halben Stunde treffen auch in der Bavariastraße bei dem besetzten Haus bayerische Be­reit­schafts­po­li­zis­t*in­nen ein und umstellen die Klimaaktivist*innen. Es kommt zu kleineren Schubsereien, als sich ein voll vermummter Polizist an der Gruppe vorbei drängelt. Die Ak­ti­vis­t*in­nen bleiben dabei laut, aber defensiv.

Eine Aktivistin wird gewaltsam von der Polizei aus der Gruppe gezerrt und muss nach einer Panikattacke von Sa­ni­tä­te­r*in­nen versorgt werden. Die Po­li­zis­t*in­nen hätten Angst, dass die Aktivistin sich festklebe, sagen sie. Über der Sitzblockade haben die Ak­ti­vis­t*in­nen jetzt Rettungsdecken gegen die Sonne aufgespannt. Zwei hissen, unter dem Knattern des Polizeihubschraubers, auf einem nahen Hausdach ein weiteres Transparent mit der Aufschrift: „Die Stadt gehört uns!“

Nach mehr als zwei Stunden macht die Polizei zum ersten Mal eine Durchsage. Man werte die Sitzblockade als Versammlung und fordere dazu auf, die Rettungsdecken zu entfernen. Der Sonnenschutz gelte als Vermummung. Außerdem will die Polizei den Protest auf den Gehsteig zwingen. Die Ak­ti­vis­t*in­nen bewegen sich nicht vom Fleck, um 13:40 Uhr löst die Polizei die Versammlung per Durchsage auf. Po­li­zis­t*in­nen tragen die Aktivist*innen, teils mit Schmerzgriffen davon, um ihre Personalien aufzunehmen. Es stünden Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Raum. Zur gleichen Zeit wird die Versammlung vor dem Mercedes-Turm beendet. Für den Nachmittag rufen die Protestbündnisse zu einer Aktions-Schnitzeljagd auf der Automesse auf.

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