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Pro und KontraIst das Compact-Verbot richtig?

Innenministerin Nancy Faeser hat das rechte Magazin Compact verboten. Ist das richtig? Ein Pro und Contra.

Schon 2017 regte sich Widerstand: NoCompact Aktivisten in Falkensee Foto: Boillot/Davids

Ja.

W enn der Staat linksradikale Medien wie Linksunten Indymedia verbietet, regt sich kein Zorn bei AfD und auch nur erstaunlich wenig Protest in den Kommentarspalten der gutbürgerlichen Kaffeetischlektüre. Komisch, dass nun ausgerechnet bei einem extrem rechten Medium Liberalismus und Pressefreiheit ins Feld geführt werden, um Neonazipropaganda in Schutz zu nehmen, die sich bereits jetzt in weiten Teilen der Republik wirkmächtig auf der Straße als Gewalt entlädt.

Denn natürlich ist das Verbot von Compact richtig, rechtsextreme Finanzstrukturen, die nach Putins Pfeife tanzen und die Demokratie abschaffen wollen, gehören mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Auch wenn sie unter dem Deckmantel der Pressefreiheit Hass, Hetze und Umsturzaufrufe verbreiten.

Denn Compact hat nichts mit Journalismus zu tun. Elsässer ist ein rechtsextremer Aktivist und Chef einer rechtsextremen Organisation, die auf vielen Feldern operiert: als Vernetzungsakteur für die Szene, als Sprachrohr der Querdenkenszene bis hin zur gewalttätigen Q-Anon-Bewegung und als Vorfeldorganisation der extrem rechten AfD, insbesondere der völkisch-nationalistischen Strömung, die ebenso auf Umsturz gepolt ist.

Auch hier gilt das Toleranzparadoxon von Karl Popper: Zu viel Toleranz gegenüber den Intoleranten führt am Ende zur Abschaffung der Toleranz. Darum greift das Verbot von Compact nicht den liberalen Kern unserer Gesellschaft an, sondern verteidigt ihn. Denn die Meinungsfreiheit hat Grenzen – aus Gründen.

Und der Rechtsstaat wurde auch nicht abgeschafft: Der Klageweg vor ein unabhängiges Gericht steht ja offen. Vermutlich wird Elsässer aber vor Gericht große Probleme haben, sich auf die Pressefreiheit zu berufen, wenn er selbst offen zugibt, dass es ihm darum geht, das „Regime“ zu stürzen – also sein Schmutzmagazin nur Mittel zum Zweck ist und es seinem rechtsextremen Netzwerk darum geht, die Demokratie zu zerstören. In der Opferrolle suhlen sich Neonazis so oder so.

Gareth Joswig

Nein.

Das Magazin Compact ist das Sprachrohr des abgedrehten, rechten Flügels der AfD. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer funktioniert, wie schon zu linksradikalen Zeiten, als Ich-AG und Empörungsunternehmer mit Neigung zu skurril-aggressiven Verschwörungsideen. Das ist mehr als unsympathisch, aber kein Grund für ein Verbot.

Erstens ist es zu viel der Ehre für Rechtsextreme, die sich nun in ihrer Opferrolle häuslich einrichten dürfen. Dieses Verbot bekräftigt die rechte Erzählung, eine subversive Kraft zu sein, die vom Staat unterdrückt werden muss. Opfererzählungen können toxisch wirken und gefährliche Machtinstrumente werden, siehe Trump und USA. Warum diesen Boden auch noch düngen?

Zweitens steht dieses Verbot juristisch auf schwankendem Boden. Nicht das Medium Compact wurde direkt verboten, sondern die entsprechende GmbH. Dass Nancy Faeser den Umweg über das Vereinsrecht wählt, wirkt wie ein Trick und eine Verlegenheitslösung. So soll verhüllt werden, dass hier ein Medium verboten wird, das unter dem glücklicherweise weiträumigen Schutz der Meinungsfreiheit steht. Es ist möglich, dass Gerichte dieses Manöver für nicht statthaft erklären werden. Das wäre die maximale PR für die Rechtsextremen und eine selbst verschuldete Blamage für die Innenministerin. Und leider auch für den Kampf gegen Rechtsextreme.

Drittens: Dieses Verbot wäre auch ohne die lodernde Gefahr, Rechtsextremen zu nutzen, ein Fehler. Es ist grundsätzlich falsch. Der Staat und die etablierten Parteien greifen immer leichter zu repressiven Mitteln, zu Demoverboten und Polizeieinsätzen in Unis. Derzeit bildet sich ein autoritärer Liberalismus heraus, der vieles, was ihm feindlich erscheint, für illegal erklärt. Die Bedrohung durch Rechtsextreme ist real. Doch im Kampf dagegen fundamentale Werte wie Meinungsfreiheit leichtfertig für die scheinbar gute Sache zu opfern, ist kurzsichtig. Das Compact-Verbot schadet nicht den Rechtsextremen, es frisst sich wie Rost in den Kern der liberalen Demokratie.

Stefan Reinecke

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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17 Kommentare

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    Die Moderation

  • Man sollte nicht nur den ersten Satz von GG Art. 5 lesen. Es kann also Einschränkungen durch Gesetze geben.

    Juristen neigen leider gelegentlich dazu, ängstlich und zu spät - wenn überhaupt - auf Entwicklungen zu reagieren, die den Rechtsstaat aushöhlen und untergraben. Beobachten konnten wir das schon in der Weimarer Republik und seit vielen Jahren in Russland.

  • Da schliesse ich mich mal Herrn Reineckes NEIN an.

  • Das ist der Unterschied zwischen unserer - wenn auch fehlerbehafteten - Demokratie und dem Staat, den diese Leute anstreben. Hier wird darüber diskutiert, ob das Verbot rechtens ist. Das hätte die Gegenseite nie getan. Sollte es hier rechte AfD-Wähler geben, werden sie vermutlich denken/sagen: das genau ist das Problem der Demokratie. Dass sie sich so leicht aushebeln lässt. Ich finde die Diskussion aber dennoch richtig. Natürlich.

    Aber ebenso natürlich müsste es sein, dass man nicht nur einfach verbietet, sondern die Ursachen behebt: soziale Ungleichheit ohne Maß, die immer und immer wieder praktizierte Verteilung von unten nach oben. und, ganz wichtig, dass man endlich dei Fehler wenigstens eingesteht, die man bei der Wende 1990 gemacht hat. Die Lebensleistung von 16 Millionen Menschen überheblich einfach in den Gulli zu kippen, war nicht nur mies und ungerecht, sondern jetzt kommt die Rechnung.

    Und an letzterem Punkt mangelt es lieder erheblich.

  • der einzig gute Schutz gegen Rechts sind transparente Politik und Aufklärung.



    Politik und Medien haben sich zu religiösen Stimmungsmachern gewandelt.



    Also: NEIN

  • Ich verstehe die Frage nicht. Selbstverständlich müssen alle faschistischen oder braunen oder rassistischen Hetzer gestoppt werden und aus den Medien verschwinden.



    Das sollte vor allem mit AUF1 geschehen!

  • Aus meiner Sicht zählt eigentlich nur, ob es juristisch sauber ist oder nicht.

  • Sehr geehrter Herr Joswig,



    danke für Ihre Stellungnahme.



    Es ist schön, wenn in einer linken Tageszeitung linke Standpunkte vertreten werden.



    Der urlinke Standpunkt ist ja eigentlich:" gegen Rechts!",



    leider gilt dieser, über Jahrzehnte geltende Grundkonsens, scheinbar nicht mehr.



    Mittlerweile sehnen (Ex-) Linke Meckermerzi als Kanzler herbei und Ihnen scheint die SPD der Feind, nicht etwa die knuddelige "afd"...

  • Stecke bei diesem Artikel in der moralischen Zwickmühle, denn ich kann beiden Argumentationen etwas abgewinnen.

    Nicht alles ist durch die Meinungsfreiheit abgedeckt, Hass, Hetze, Rassismus und Umsturzfantasien müssen auch in einer Demokratie nicht "erduldet" werden. Gleiches gilt für den Missbrauch der Pressefreiheit. Auch unter ihrem Mantel ist nicht alles erlaubt.

    Ich finde daher das Verbot richtig, habe aber Bedenken das es evtl. einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten könnte und das würde natürlich einen Boomerangeffekt auslösen.

    Ganz bin ich jedoch auf der Kontraseite hinsichtlich der Einschätzung eines zunehmend autoritären Liberalismus von Seiten des Staates. Die Tendenz, dass der Staat all zu schnell zu repressiven Mitteln wie Einschränkungen und Verboten greift, ist anhand von Demonstrationen in jüngster Zeit oder z.B. dem Palästinenserkongress nicht von der Hand zu weisen.

    Fazit: Zwei sehr interessante Blickwinkel auf dieses Ereignis.

  • Das Verbot von linksunten war schon ein riesiger Fehler.



    Compact zu verbieten ist es, bei aller Widerlichkeit der Inhalte, auch, da es einen gefährlichen Präzedenzfall schafft: ganz im Sinne der Extremismusideologie können dann jegliche Zeitungen, die gegen die herrschenden Verhältnisse schreiben, verboten werden. Und zwar auch jene, die sich eine demokratischere Gesellschaft wünschen.

  • Ich finde es bedenklich, wie hier das "Toleranz-Paradoxon" ins Feld geführt - nämlich als Rechtfertigung für einen höchst bedenklichen Voluntarismus der Innenministerin. Natürlich: auch ein demokratischer Rechtsstaat muss sich gegen Versuche verteidigen, ihn zu zerstören, aber er muss sich dabei weiterhin wie ein demokratischer Rechtsstaat verhalten - und ich bezweifle, dass die Instrumentalisierung des Vereinsrechts zum Verbot einer Zeitung (mithin zu einem drastischen Eingriff in die Pressefreiheit) diesem Anspruch gerecht wird. Man muss sich jedenfalls davor hüten, dass der Popperismus zum einem Schmittianertum unter liberalen Vorzeichen degeneriert. Die Doppelmoral der Rechtsradikalen und vieler Konservativer hat der erste Beitrag ja treffend erkannt, aber das ist doch nicht der Maßstab, an dem wir uns messen sollten.

    • @O.F.:

      "Instrumentalisierung des Vereinsrechts zum Verbot einer Zeitung" - Das scheint sich zum Narrativ zu entwickeln. Verboten wurde aber nicht das Magazin, sondern die Compact Magazin GmbH und die Conspect Film GmbH. Zumindest erstere ist eine gesichert rechtsextremistische Vereinigung, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Bei der Verwirklichung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele nimmt sie eine die Vereinigung prägende "aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung", wodurch ein Vereinsverbot begründet ist. Dieses kann nach § Vereinsgesetz auch auf Unternehmen angewendet werden : "Die Vorschriften dieses Gesetzes [VereinsG] sind auf (...) Gesellschaften mit beschränkter Haftung (...) nur anzuwenden,



      1. wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung (...) richten (...)"

      • @MeinerHeiner:

        Sehen Sie, genau das ist der Umweg, den ich meinte: natürlich war die Intention, das weitere Erscheinen von "Compact" zu verhindern - und weil er schwer ist, eine Zeitschrift zu verbieten, hat die herausgebende GmbH aufgelöst - und "man" bedeutet hier ein Ministerium im Zusammenspiel mit dem Verfassungsschutz. Die verständliche Abneigung gegen Elsässer sollte nicht blind machen für die Ungeheuerlichkeit dieses Vorgehens in einem Staat, in dem es eigentlich keine Zensur geben sollte. Und wenn Sie die Diskussion darüber verfolgt haben: ich bin ja nicht der einzige, der damit Probleme hat, sondern auch divere Juristen, Journalistenverbände etc.

      • @MeinerHeiner:

        EDIT:

        ...ist eine gesichert rechtsextremistische Vereinigung, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

        ...nach §17 Vereinsgesetz...

        • @MeinerHeiner:

          "Ich habe heute das rechtsextremistische ‚COMPACT-Magazin‘ verboten“, so Nancy Faeser, dieses Missverständnis stammt von dee Ministerin höchstselbst.

          Abgesehen davon: Das Magazin wird sehr wohl mitverboten, weil nach § 11 VereinsG das Vermögen (wohl inklusive Marken) eingezogen wird und nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG die Verwendung des Kennzeichens „COMPACT“ pönalisiert ist. Man kann natürlich auch die „Taz, die Tageszeitung Verlagsgenossenschaft eG“ verbieten lassen und dann treffen wir uns bei ZON oder SPON und ich sage Ihnen, dass nur die Genossenschaft verboten wurde.

  • Tolles Pro und Contra, Hut ab.

    • @Rudi Hamm:

      Ja, finde ich auch: Beide Standpunkte nachvollziehbar und gut begründet.