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Pro und Contra zu Catherine Deneuve#metoo? Non, merci!

Die französische Schauspielerin sieht die Kultur des Flirts durch die feministische Debatte bedroht. Hat sie einen Punkt?

Kein Handkuss mehr dank #metoo? Das fürchtet jedenfalls Catherine Deneuve Foto: imago/Starface

N eben Catherine Deneuve haben mehr als 100 andere prominente französische Frauen vor einer medialen „Schnelljustiz“ gegen Männer, „puritanischen Säuberungswellen“ und dem Verlust der sexuellen Freiheit durch die aktuelle #MeToo-Debatte gewarnt. Mon Dieu! Ist dieser Alarm berechtigt? Zwei Antworten.

Ja, sagt Jan Feddersen

Die Intervention französischer Frauen in die #MeToo-Debatte hinein ist von provokantester wie erfrischendster Art. Dass dieser Text, veröffentlicht in der liberalen Tageszeitung Le Monde, überhaupt Gehör finden und nicht von den auch im #MeToo-Fahrwasser sich bewegenden Moralist*innen abgetan und entwertet werden kann, liegt gewiss auch an der Göttin des französischsprachigen Kinos – an Catherine Deneuve. Ihr Privileg der Berühmtheit schützt das Anliegen des Textes vor Missachtung und Diskreditierung. Gut so! Mit über 100 anderen, von denen in Frankreich alle Rang und Verdienst haben, schreiben sie: „Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber hartnäckiges oder ungeschicktes Flirten ist kein Delikt und eine Galanterie auch keine chauvinistische Aggression.“

#MeToo habe in der Presse und den sozialen Netzwerken eine „Kampagne der Denunziation und öffentlicher Anschuldigungen“ ausgelöst. Alle Beschuldigten seien auf eine Stufe mit sexuellen Aggressoren gestellt worden, ohne antworten oder sich verteidigen zu können. „Dieses Fieber, die ‚Schweine‘ zur Schlachtbank zu führen, dient in Wahrheit den Interessen der Feinde sexueller Freiheit, der religiösen Extremisten, der schlimmsten Reaktionäre und derjenigen, die meinen, dass Frauen ‚besondere‘ Wesen sind, Kinder mit Erwachsenengesicht, die nach Schutz verlangen.“

Dieses Fieber, die ‚Schweine‘ zur Schlachtbank zu führen, dient in Wahrheit den Interessen der Feinde sexueller Freiheit, der religiösen Extremisten

Catherine Deneuve

Damit skizzieren diese Frauen eine Differenzierung der Debatte über sexuell ausgenutzte Machtverhältnisse. Diese Differenzierung ist in den vergangenen Wochen oft verloren gegangen; zuweilen wurde aber auch absichtsvoll der Unterschied zwischen ungebetenem Flirt und einer Straftat wie einer Vergewaltigung verwischt.

Denn das kann ja keineswegs der Zweck der (globalen) #MeToo-Diskussion sein: Sexuelles oder Erotisches ins Gehege des Bürokratischen, des schriftlich zuvor Vereinbarten einzuhegen. Das wäre zwar der Traum religiöser Fundamentalisten und überhaupt Menschen, für die Sexuelles insgesamt unter Schuldverdacht steht – aber wahr bleibt ja auch: Männer sind keine Schweine, Frauen ebenso wenig. Und Machtmenschen wie Harvey Weinstein haben sich, stimmen die Vorwürfe, mit ihrem Tun strafbar gemacht. Aber sexuelle Anbahnung im erotischen Sinn unter Generalverdacht zu stellen, dient der Prüderie und keiner Emanzipation.

Nein, sagt Patricia Hecht

„Säuberungswelle, Männerhass, Klima einer totalitären Gesellschaft“ – ­Catherine Deneuve und rund 100 weitere französische Frauen rüsten verbal ziemlich auf, um klarzumachen, was sie von #MeToo halten: nichts.

In einem Gastbeitrag für Le Monde kritisieren sie ein „Fieber“, in dessen ungezügeltem Verlauf Männer als „Schweine“ gebrandmarkt und zum Schlachthof geführt worden wären. Sie seien in der Ausübung ihrer Berufe sanktioniert worden, obwohl ihr einziges Vergehen darin bestehe, einen Kuss erhaschen zu wollen. Im Namen der Männer fordern sie die „Freiheit“ ein, „lästig zu werden“. Das Denunzieren von Männern führe zu einem Puritanismus, der religiösen Extremisten in die Hände spiele. Wie absurd. Und wie traurig.

Die Unterzeichnerinnen gerieren sich als Hüterinnen des Patriarchats. Aber das hat ihre Unterstützung gar nicht nötig, es wehrt sich schon ganz gut selbst. Der Begriff von „Freiheit“ ist bizarr verdreht: Nur das „lästig werden“ rette die sexuelle Freiheit, nur das Stillschweigen und Hinhalten der Frauen also die offene Gesellschaft. Noch mal kurz zurück zum Urschleim: Bei #MeToo geht es weder um Sex noch ums Flirten, sondern um Sexismus, sexuelle Gewalt und den Missbrauch von Macht. Freiheit wäre an dieser Stelle, wenn sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch so geächtet wären, dass wir #MeToo nicht bräuchten.

Auch laizistischer Nationalstolz darf nicht fehlen: Die 100 Frauen bemühen die Verteidigung der säkularen Gesellschaft. Das „Anprangern“ – also die Kritik an sexueller Gewalt – führe dazu, dass religiöse Sittenwächter übernehmen. So grotesk es ist: Nur indem Sexismus und Machtmissbrauch weiter möglich sind, heißt das übersetzt, verteidigen wir unseren Sex gegen christliche Moralisten und islamistische Fundamentalisten. Und die sind viel schlimmer als liberale Männer – die Burka lässt grüßen.

Dass auch Frauen frauenfeindlich sein können, ist keine neue Erkenntnis

Dass der Backlash gegen #MeToo auch von weiblicher Seite kommen würde, war zu erwarten. Und dass auch Frauen frauenfeindlich sein können, ist keine neue Erkenntnis. „Wir erkennen uns nicht“ im Feminismus von #MeToo, schreiben die Unterzeichnerinnen. Aber mit Feminismus hat das, was sie schreiben, ohnehin wenig zu tun – es ist vor allem ein großer, rückwärts­gewandter Irrtum.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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31 Kommentare

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  • Teil 3

     

    Ein paar Zeilen später verdreht Hecht ein weiteres Argument der Briefschreiberinnen. In dem Brief steht, dass die in der Folge der #metoo Kampagne getätigten Veröffentlichungen den Feinden sexueller Freiheit in die Hände spielen. Genannt werden neben religiösen Extremisten noch Reaktionäre und Menschen von viktorianischer Moral. Dieses Argument muss man nicht nachvollziehen. Aber es ist falsch, dies daraus zu machen: „So grotesk es ist: Nur indem Sexismus und Machtmissbrauch weiter möglich sind, heißt das übersetzt, verteidigen wir unseren Sex gegen christliche Moralisten und islamistische Fundamentalisten.“ Zum nun zweiten Mal stellt Hecht es so dar, als würden die Briefschreiberinnen Sexismus und Machtmissbrauch gutheißen. Dem ist nicht so, wie ich schon weiter oben gezeigt habe.

     

    Das Problem an der #metoo Debatte ist, dass sie scheinbar nur hochemotional und nicht sachlich geführt werden kann. Wenn du nicht mein Freund bist, dann bist du mein Feind. Dies würde ich als Ideologiefalle bezeichnen. Eine Falle, in die auch Frau Hecht getappt ist.

     

    Disclaimer: Ich bitte Ungenauigkeiten zu verzeihen, meine Zeit ist begrenzt. Ich wünsche mir schlicht eine sachlichere Debatte.

  • Teil 2

     

    Kurz darauf schreibt Hecht: „Freiheit wäre an dieser Stelle, wenn sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch so geächtet wären, dass wir #MeToo nicht bräuchten.“ Es liest sich, als würden Deneuve und Co eine andere Position vertreten. Tatsächlich steht in dem Brief folgendes: „Nach dem Fall Weinstein gab es ein legitimes Bewusstsein für sexuelle Gewalt gegen Frauen, insbesondere im beruflichen Kontext, in dem einige Männer ihre Macht missbrauchten. Es war notwendig.“ (Brief Deneuve) Der Leser wundert sich, wie es kommen kann, dass ein kritischer Kommentar zum Brief den Inhalt des Briefs gleichzeitig wiederholen kann und trotzdem den Brief anklagen kann, genau dies nicht gesagt zu haben. Irgendwie paradox.

     

    Hierzu muss gesagt werden: es ist grundsätzlich klar, sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch gehören geächtet. Und es ist lächerlich, jedem und der, der/ die die #metoo Debatte in Teilen überspitzt findet, damit zu belästigen sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch gutzuheißen. So etwas ist ein Totschlagargument (Argumente, die von übergreifender Wahrheit sind, mit denen die meisten Diskussionsteilnehmer übereinstimmen und die vor allem der Ablehnung oder Herabsetzung des Gegenübers dienen) und solch ein Totschlagargument zerstört die Basis einer jeden gemeinsamen Debatte.

  • Teil 1

     

    Ich versuche nun zu zeigen, dass der Kommentar von Fr. Hecht in Teilen unsachgemäß ist und eher ideologisch agiert als argumentativ. Dafür nutze ich drei exemplarische Auszüge aus dem Kommentar, da mir für eine sicher lohnende, eingehende sprachliche Untersuchung die Zeit fehlt.

     

    Ich beziehe in meine Überlegungen außerdem die Übersetzung des Briefs ein, wie sie von einem Forenkommentator hier veröffentlicht wurde: //taz.de/!5474061/#bb_message_3576405.

     

    Frau Hecht übernimmt in ihrem Kommentar das Argument, es brauche „die Freiheit zu belästigen“ (Brief Deneuve) und setzt es als „das „lästig werden“ rette die sexuelle Freiheit“ um. Soweit so gut. Allerdings hängt Hecht, nur durch ein Komma getrennt, noch Folgendes an den Satz an: „nur das Stillschweigen und Hinhalten der Frauen also die offene Gesellschaft" (Kommentar Hecht). Für den Leser klingt dies wie eine Fortsetzung der Position der Briefschreiberinnen. Und es klingt grundlegend falsch. Stillschweigen und Hinhalten.

     

    Die Sache ist, Hecht verwendet an dieser Stelle ein Strohmann-Argument (Es werden Positionen des Gegners kritisiert, die dieser nicht vertritt; zählt zu den unsauberen Argumenten). Es geht in dem Brief keineswegs darum stillschweigend Hinzuhalten. Es geht um das Recht „nein zu sagen“ (Brief Deneuve) und darum informiert und aufmerksam zu sein, um „ihr Leben ohne Einschüchterung oder Schuldgefühle zu leben“ (Brief Deneuve). Es geht eigentlich um ein selbstbewusstes, aktives Leben. Aber das passt nicht in eine Contra-Argumentation.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    ".. dient in Wahrheit den Interessen der Feinde sexueller Freiheit,... und derjenigen, die meinen, dass Frauen ‚besondere‘ Wesen sind, Kinder mit Erwachsenengesicht, die nach Schutz verlangen.“

     

    -So ist es. Man(n) schütze die Frau vor jeder gesellschaftlichen Interaktion mit dem fremden Manne, die über formelle Dinge hinausgeht.

    "Rede nicht mit Fremden mein Kind"

  • Das folgende Statement bringt es wirklich auf den Punkt: „Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber hartnäckiges oder ungeschicktes Flirten ist kein Delikt und eine Galanterie auch keine chauvinistische Aggression.“ Genauso ist es. Wer wie Frau Hecht daran Anstoss nimmt, muss sich fragen lassen, welche Interessen sie wirklich verfolgt.

     

    Wo bleibt eigentlich die #YouToo Gegen-Bewegung, die endlich mal weibliche sexuelle Aggression am Arbeitsplatz aufgreift? Ich kann gar nicht mehr zaehlen, wie oft ich als maennliche Fuehrungskraft in einem progressiven Unternehmen "Opfer" weiblicher Waffen wurde - zufaellige Beruehrungen, unangemessene Dekolletees i.V.m. ich-beuge-mich-mal-ueber-den-Tisch, unaufgeforderte kurze Nackenmassagen, etc. Darunter klare Versuche, mich zu manipulieren (einige auch nur sexuelle Anmachen). Werden wir jetzt auch bald lernen, welche Frauen sich hochgeschlafen/-erpresst haben? Das eine macht das andere nicht besser, aber relativiert die Diskussion.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Voilà, was die Staatssekretärin für die Gleichheit von Mann und Frau,Marlène Schiappa, die nicht unbedingt als prüde gilt, dazu sagt:

    "Frotter un sexe d’homme contre une femme dans le métro, sans son opinion, c’est une agression sexuelle. Cela vaut jusqu'à trois ans de prison et 75 000 euros d’amende. On a du mal à dire aux jeunes filles qu’elles n’ont pas à éprouver de la honte, et qu’elles ne sont pas coupables de cela. Donc je pense que c’est dangereux de tenir ce discours. Enfin, il y a des choses dans cette tribune qui relève du fantasme : dire comme c’est écrit que des hommes auraient été renvoyés en France pour avoir touché le genou d’une femme, c’est faux. Ou alors, si il y en a un, qu’on me le présente !"

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Für diejenigen, die das ganze Interwiev auf France Culture hören wollen.https://www.franceculture.fr/societe/pour-marlene-schiappa-la-tribune-des-100-femmes-comporte-des-choses-profondement-choquantes-voire-fausses

  • "Die Unterzeichnerinnen gerieren sich als Hüterinnen des Patriarchats."

     

    Nein, Frau Hecht. Haben Sie wirklich den Offenen Brieg komplett gelesen?

    Ich kann keine sachlichen Argumente bei Ihnen erkennen. Nur Ideologie.

    Der Offene Brief hingegen ist sehr differenziert und bei richtiger Sinnentnahme (Wille dazu vorausgesetzt) genau das Gegenteil von dem, was Sie hier unterstellen.

    Vielleicht ist es aber so, dass Emanzipation und Selbstbewusstsein in Frankreich fortgeschrittener ist als bei uns oder in angloamerikanischen Ländern.

  • Der Debatte täte ein wenig Sachlichkeit vut:

    Was ist eine lästige, nervige evtl. eklige Anmache

    Was ist ein Übergriff,

    wos beginnt sexuelle Gewalt?

     

    Dies ist bei aller Einigkeit um das Thema Machtmißbrauch - das neben der sexuelle natürlich auch eine ganz normal alltägliche Komponente hat - eine Möglichkeit aus der Aufregung in eine sinnvolle Gestaltung zu kommen.

  • Ich fand den offenen Brief ziemlich beachtlich, auch weil er viel argumentative Kraft hat. Freundlicherweise hat ein Leser sich die Mühe gemacht das ganze mal zu übersetzen ( //taz.de/!5474061/#bb_message_3576405 ).

     

    Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung spielt eine Rolle. Das eine ist das ursprüngliche Anliegen, das Andere wo diese Debatte gelandet ist und da gibt es zwischenzeitlich einen erheblichen Unterschied. Und ich meine, dass ist es auch worauf die Verfasserinnen abzielen, weshalb sie ja auch immer wieder Differenzieren.

     

    Stimmte ihre Unterstellung Frau Hecht, hätte der offene Brief schon am Anfang von metoo gestanden.

  • Sehr geehrte Frau Hecht, wie wäre es mit Argumenten und keinen Unterstellungen den Verfasserinnen gegenüber?!

    "Nichts", "wie absurd, wie traurig", Argumentation Fehlanzeige.

    Ich will damit nicht sagen ich widerspreche grundsätzlich ihrer Position, jedoch sind so lieblos formulierte Texte ein Grund sich mit der Aktuellen Debatte nicht zu identifizieren.

    Im allgemeinen muss ich jedoch sagen, durch die so genannte #metoo Debatte hat sich in meinem Leben nicht viel geändert. Ich greife Menschen nach wie vor an wenn sie übergriffig oder verletzend anderen Menschen gegenüber werden.

    Und nach wie vor spreche ich mit Menschen bevor ich in körperliche Interaktion mit ihnen gehe. Sei es ein "Entschuldigung" wenn man seinen Kadaver an jemandem vorbeischiebt oder die Frage "Ob man nicht die Nacht miteinander verbringen möchte?" wenn man sich zu einem Menschen hingezogen fühlt.

    Das Gefühl man müsse den körperlichen Übergriff ohne Worte ungestraft durchführen können kann für mich nur an einen mangelhaften Selbstbewustsein oder an mangelhaften Fähigkeiten zur Kommunikation liegen.

    Ich kenne keinen Menschen der sich nicht über die vertrauliche Frage zum Geschlechtsverkehr freut. Natürlich kommt es nicht in jedem Fall zum gewünschten Ergebnis aber das tut es beim übereifrigen betatschen in jedem Fall seltener!

     

    Mit freundlichen Grüßen Florian Feyerabend

  • Der Versuch, Sexismus und Machtmissbrauch zu thematisieren, wird nicht zum ersten Mal unternommen. Sehr langsam, denke ich, kommt die Gesellschaft einer Debattenkultur, die diesen Namen verdient, näher. Um so trauriger finde ich (wahrscheinlich unvermeidliche) Rückschläge, die dabei passieren. Es ist offenbar unendlich schwer, sich zu verabschieden von schlechten Gewohnheiten. Für Männer nicht weniger, als für Frauen.

     

    Eine aus dem Nationalismus erwachsene Unsitte scheint es mir z.B. zu sein, (allein oder kollektiv) messerscharfe, allgemeingültige und unveränderliche Grenzen festlegen zu wollen zwischen dem Hier und dem Drüben, zwischen richtig und falsch, zwischen dem Reich der Guten und dem der Bösen. Auf die Art geht jeder Debatte die Sachlichkeit verloren. Schwerste verbale Geschütze werden aufgefahren, Armeen werden durchgezählt und die Wortführer beider Seiten versuchen, sich zu Richtern darüber aufzuschwingen, wer dazu gehören darf und wer nicht.

     

    Ich mag solche Debatten nicht. Sie enden immer gleich: Mit Trümmern, Kratern, wütenden Opfern und vermintem Gelände. Besonders absurd ist der Streit in diesem Fall. Sex hat fast ebenso viele Spielarten, wie es Menschen gibt. Er geht die Öffentlichkeit nur sehr bedingt etwas an, weil Unbeteiligte emotional gar nicht involviert sind in sexuelle Beziehungen andere. Ob ein Flirt ein Flirt ist oder eine unerlaubte Sauerei, kann sie gar nicht fühlen.

     

    Abgesehen davon muss natürlich klar sein: Einvernehmlicher Sex endet, wo einer der Beteiligten nicht einverstanden ist damit. Der Unterlegene braucht dann die Solidarität der Öffentlichkeit, um aus der Situation raus zu kommen. Sinnvoller, als einer Teilgesellschaft den Krieg zu erklären, wäre es deswegen, den Opfern ihr (Selbst-)Vertrauen zurückzugeben und sie zu stärken gegen die, die sie missbrauchen (wollen). Das scheint mir bisher noch nicht in ausreichendem Maß zu passieren. Noch ist der Hühnehof sich selbst genug.

  • Da ich in den "Sozialen"-Medien nicht aktiv bin würde mich interessieren, wie dort die #metoo Debatte geführt wird. Werden dort wirklich Flirtversuche mit sexuellen Übergriffigkeiten gleichgestellt? Dann würde das für mich bedeuten, dass die Grenzen dazwischen anscheinend weder für Männer noch für Frauen klar sind. Vielleicht brauchen wir die Debatte auch einfach, um die gesellschaflich anerkannten Grenzen neu zu definieren. Hinzu kommt natürlich noch die Tatsache, dass jede Person ihre eigenen Grenzen hat. Da hilft es einfach, sich nicht zu schnell anzunähern, damit man die Grenze nicht ungewollt zu weit überschreitet und das Gegenüber die Möglichkeit hat, den Grenzübertritt zu bemerken und darauf zu reagieren. Und wenn man das Bedürfnis hat, dass es schneller gehen soll, dann kann man vorher fragen.

  • Schon verrückt, eigentlich bin ich hier sowohl pro als auch contra. Aber das geht mir schon länger so mit der #metoo-Kampagne. Bei aller Berechtigung massiv gegen sexualisierte Gewalt zu agitieren, ist doch etwas zu schnell und zu gründlich de Wille zur Differenzierung geopfert worden. Aller Gender-Debatten zum Trotz geht es plötzlich wieder ganz pauschal um "Frauen gegen Männer". Und das ist leider auch typisch für das meinungsführende linksliberale Millieu. Mühsam erkämpfte Vielfalt und individuelle Freiheit wird zunehmend einem Gesinnungsdiktat untergeordnet. So kann man leider beobachten, dass nicht nur die neue Rechte die linke Protestkultur kopiert, sondern auch die neue Linke die moralische Intoleranz der Erzkonservativen. Schön, dass die taz die Diskussion hierüber fördert!

    • @jan ü.:

      Geopfert? Denn Willen zur Differenzierung bei Twitter & Co. zu erkennen, fällt mir generell relativ schwer...

      :)

      • @Sebas.tian:

        Da war ja nun reichlich Raum bzw. Text in den Medien. Wozu es auch den guten Kommentar gab, dass nämlich die maximale Verwertung schöner, prominenter, weiblicher Opfer durch männliche Chefredakteure das kritisierte Machtgefüge stärkt.

      • @Sebas.tian:

        Weil eine differenzierte Sichtweise nicht in 280 Zeichen passt

  • Guten Tag.

    Wer gestaltete denn diese Unterüberschrift:

    "Hat sie einen Punkt?"

    • @MBP.:

      Ja, unter dem Bogen des Fragzeichens.

       

      Aber Sie haben Recht, das ist ein dümmlicher Anglizismus, der "wenn Sie mich Ihnen sagen lassen, keinen Sinn macht".

       

      Peter Köhler, übernehmen sie!

  • "Die Unterzeichnerinnen gerieren sich als Hüterinnen des Patriarchats." Die Unterzeichnerinnen sind frauenfeindlich und "die Burka lässt grüssen". Selten einen so wenig auf das eigentlich Anliegen eingehenden Artikel gelesen, dessen Ton- und Wortwahl mir sehr bekannt vorkommt. Woher nur?

  • Das Pro- und-Kontra-Format erscheint in letzter Zeit als Versuch, noch mehr konservative Standpunkte in der taz zum Ausdruck zu bringen (warum auch immer).

     

    Natürlich brauchen wir #metoo, denn das Problem ist von großem Ausmaß und muß breit diskutiert werden, damit bestimmte Verhaltensweisen keine Duldung und Deckung mehr finden können.

     

    Es geht dabei überhaupt nicht ums Flirten, sondern um handfesten sexuellen Mißbrauch. Vor allem geht es darum, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, damit Opfer überhaupt den Mut finden, sich zu äußern. Da kann man nicht ernsthaft dagegen sein.

     

    Herr Feddersen meint, da Frau Deneuve berühmt ist, sei ihr Scheiß unantastbar. Das ist eine ernshaft verschrobene Logik.

     

    Feminismus und religiöse Diktatur in einen Topf zu werfen, ist jedenfalls absurd. Ersterer tritt für mehr Frauenrechte ein (und damit für Gleichberechtigung), letztere möchte Frauen am liebsten gar nicht Auto fahren lassen. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.

    • @kditd:

      So unterschiedlich sind die Schuhe nicht. Ich kenne Femistinnen (Eigenbezeichnung), die Frauen, welche sich frei und selbstbewusst für eine Tätigkeit als Hausfrau und Mutter entschieden haben, als vom Patriachat verdummte Weibchen betrachten, denen man nur mal zeigen müsste wo der Hammer hängt.

    • @kditd:

      "Das Pro- und-Kontra-Format erscheint in letzter Zeit als Versuch, noch mehr konservative Standpunkte in der taz zum Ausdruck zu bringen (warum auch immer)."

       

      Ich bin mittlerweile davon abgekommen, Standpunkte in konservativ, liberal, links, rechts oder sonst wie einzuordnen, sondern messe sie an Kategorien wie "richtig" oder "falsch". Ich kann nur anregen, das auch mal probieren, das eröffnet völlig neue Perspektiven, die nicht selten im ersten Schritt zur Selbstreflexion, im zweiten sogar zum Erkenntnisgewinn führen.

  • Wenn ich "Hat sie einen Punkt?" in dem Satz unter der Schlagzeile lese, fühle ich mich unangenehm berührt. Das war hoffentlich der Zweck dieses grauenhaften Anglizismus.

  • Chapeau vor Frau de Neuve. Gut dass die taz zumindest die Debatte zulässt und nicht jede Kritik an #metoo als "Dolchstoß" gegen die Kritik an sexueller Gewalt bezeichnet.

    Der Anpassungsdruck hier mit den Wölfinnen zu heulen, ist ungeheuer groß geworden. Hier geht es vor allem um Macht und die Frage, wann sie missbraucht wird.

    Der Antwort von Jan Feddersen ist nichts hinzuzufügen. Chapeau auch vor ihm - als Mann öffentlich diese Position einzunehmen erfordert Courage. Frau Hecht dagegen argumentiert hilflos. Sie konstruiert Strohmann-Argumente und meint, dass Sexismus noch nicht genug geahndet wäre. Eine plumpe Anmache vor mehr als 30 Jahren stärker zu ahnden, als wenn jemand damals Millionen an Steuern hinterzogen hätte, ist noch nicht genug? #Metoo war nötig, hat aber alle Maßstäbe verloren. Diese Differenzierung fehlt vielen die #metoo propagieren - auch Frau Horn.

  • Peinlicher Unsinn von Deneuve und ihren Mitstreiterinnen. Ein Anprangern, und auch noch aller Männer, ist überhaupt zu erkennen, eher scheint mir die Angst ins Auge zu stechen die dazu geführt hat, dass viele Frauen sich erst jetzt melden. Wer ein bisschen Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstkontrolle hat sollte schon merken wenn er unangenehm wird und das ist dann eben das Ende des (ohnehin tendenziell imaginierten) Flirts. Mit hochkriminellen Triebtätern wie Weinstein hat das alles überhaupt nichts zu tun, auch nicht mit der Sexualmoral, irgendwelcher Sittenwächter. Wer sexuelle Freiheit fordert sollte erstmal gegen Macht und Gewalt kämpfen.

  • Wer es wagt, #metoo zu kritisieren oder auch nur die Folgen in der Debatte, ist also frauenfeindlich? oder gleich gar Hüterinnen des Patriarchats? Schöne neue Welt.

  • Etwas mehr Gelassenheit in der Debatte würde beide Seiten gut tun. Sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch ist ein NoGo - das ist klar. Das darf und kann nicht geduldet werden.

     

    Brauche ich dazu aber zwingend den Hashtag #MeToo?

     

    Die Diskussion um dieses Thema - und auch die Kommentare oben - zeigen, wie zerrissen manche Standpunkte sind. Man könnte jetzt sagen "typisch, dass ein Mann gegen #MeToo ist - ist der Kollege Feddersen damit auch gleich sexistisch?

     

    Catherine Deneuve eine Art Dolchstoss zu unterstellen (ich wähle bewusst diese Formulierung), finde ich doch etwas weit hergeholt. Wenn sie selbstbewusst genug ist, zwischen harmlosen Flirten und potentieller sexueller Gewalt zu unterscheiden: Chapeau!

     

    Hier muss jede Person für sich selber entscheiden, was für sie in Ordnung ist und was nicht - und jede Person muss sich im Klaren sein, das ein Annäherungsversuch an eine andere Person von dieser anders aufgenommen werden kann, wie er gemeint ist. Auch ich - also #metoo

    • @Malyn:

      die frauen fordern 'sexuelle gewalt', sie wollen dominiert werden, einige wollen gar gedemütigt und was weiss ich nicht alles von einem mann. das liegt in der natur und lässt sich nicht ändern. sie will sich beschützt und sicher fühlen wie bei papa und mann will beschützen und sich kümmern. nicht anerzogen sondern nature's design.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @reto muggler:

        Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht. Sie scheinen die weiblichen Instinkte ja in Ihrer ganzen Tiefe erfasst zu haben, wie Niettzsche, der ja für sein ausschweifendes Sexualleben und seinen Eroberungen bekannt ist. Oder halten Sie es eher mit dem Marquis?

        Also demnach dürften Frauen nicht oben liegen, keine Masos auspeitschen, keine Bundeskanzlerin oder Generalin werden, nicht wahr?

        Ja, ja, die naturgebundene Rolle der Frau am Herd und wenn Vaddern heimkommt, muss das Essen auf dem Tisch stehen und wenn's ins Bett geht, Beine breit, ob Lust oder keine.

  • „Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber hartnäckiges oder ungeschicktes Flirten ist kein Delikt und eine Galanterie auch keine chauvinistische Aggression.“

    Was soll daran falsch sein? Das sind doch klare und einsichtige Worte.

    Man denke mal an den schlimmen "Fall Kachelmann".

     

    "die Burka lässt grüßen."

    Wo denn nur? Wer fordert eine Burka - niemand! Allenfalls Islamisten.

    Gefordcert wird ein vernünftiger und rechtlich zulässiger Umgang miteinander. Und das ist o.k.!