Catherine Deneuves Kritik an #MeToo: Sorry. Doch nicht sorry

#MeToo führe womöglich zu einer totalitären Gesellschaft, sagte die Schauspielerin und erntete heftige Kritik. Nun hat sie sich entschuldigt – ein bisschen.

Porträt von Catherine Deneuve

Deneuve hat sich zwar bei Opfern sexueller Gewalt entschuldigt, hält aber an ihrer Meinung fest Foto: dpa

BERLIN dpa/afp/taz | Schauspielerin Catherine Deneuve (74) hat sich nach ihrer umstrittenen Kritik an Folgen der #MeToo-Debatte bei den Opfern sexueller Gewalt persönlich entschuldigt. In einem am Sonntagabend erschienenen Beitrag der Zeitung „Liberation“ wandte sie sich direkt an die Opfer und versuchte, einen kritischen Text aus der Vorwoche zu relativieren: „Ich grüße alle Opfer dieser verabscheuungswürdigen Taten, die sich durch den Artikel in Le Monde beleidigt fühlen, ihnen und ihnen allein biete ich meine Entschuldigung an.“

Deneuve hielt allerdings an dem ursprünglichen Beitrag fest, der ihrer Ansicht nach „nicht beinhaltet, dass Belästigung gut ist, sonst hätte ich den Text nicht unterschrieben“. Den Vorwurf, keine Feministin zu sein, wies sie zurück.

In Frankreich sorgen die Vorwürfe gegen den ehemaligen Film- und Fernsehmogul Harvey Weinstein in den USA für große Aufmerksamkeit. Unter dem Hashtag #balancetonporc (Verpfeif' das Schwein) berichten tausende Frauen seit Wochen auf Twitter über Anmache oder Missbrauch – ähnlich wie in den USA unter #MeToo.

Deneuve war ins Visier französischer Feministinnen geraten, als sie vor knapp einer Woche gemeinsam mit rund 100 weiteren Frauen einen Artikel unterzeichnet hatte, der unter anderem von der Schriftstellerin Catherine Millet (69) verfasst worden war.

Der Text kritisiert, die #MeToo-Debatte um sexuelle Belästigung habe eine „Kampagne der Denunziation“ nach sich gezogen, und warnt vor einem „Klima einer totalitären Gesellschaft“. Die Unterzeichnerinnen beklagen einen neuen „Puritanismus“. Die Veröffentlichung von Männernamen führe dazu, dass viele auf eine Stufe mit Sexualstraftätern gestellt würden.

„Welt“-Kommentatorin lobt Deneuves Vorstoß

Dabei sei die „Freiheit zu belästigen unerlässlich für die sexuelle Freiheit“. Als ob dies nicht selbstverständlich sei, schreiben Deneuve und ihre Kolleginnen weiter: „Vergewaltigung ist ein Verbrechen.“ Dagegen sei eine „beharrliche oder ungeschickte Anmache“ nicht strafbar. Heute würden Männer „zur Kündigung gezwungen, deren einziges Vergehen es ist, ein Knie berührt oder einen Kuss erhascht zu haben“.

Welt-Journalistin Kathrin Spoerr hat sich zu Deneuves Kritik an #MeToo begeistert geäußert. Ihr Kommentar trägt die Überschrift „Endlich sagt jemand die Wahrheit über #MeToo“. Über Deneuves Initiative schreibt sie: „Der Brief lässt jeden erleichtert aufatmen, der in den vergangenen drei Monaten dachte, verrückt werden zu müssen.“

Spoerr kritisiert, die Debatte kreise nur um „Frauen im Westen“. Und dass alle Männer unter Generalverdacht gestellt würden: „Man gewann den Eindruck, im Westen könne keine Frau mehr mit einem Mann einen Fahrstuhl oder ein Besprechungszimmer betreten, ohne geschändet zu werden.“

Rückendeckung erhielt Deneuve auch von Silvio Berlusconi. „Es ist natürlich, dass Frauen glücklich sind, wenn ein Mann sie umwirbt“, sagte der 81-Jährige Donnerstag in einem Fernsehinterview. Das Werben müsse aber unbedingt „elegant“ sein. Er selbst habe damit allerdings keine Erfahrung, „weil Frauen immer mich umwerben“.

Berlusconi und Sex mit Minderjährigen gegen Geld

Berlusconi war 2013 wegen Sex-Partys in seiner Villa verurteilt, im Berufungsverfahren 2015 aber frei gesprochen worden. Strittig war, ob Berlusconi wusste, dass die marokkanische Tänzerin Karima al-Mahrough alias Ruby damals noch nicht volljährig war. Dem Ex-Regierungschef war vorgeworfen worden, er habe Ruby für Sex bezahlt. Das Gericht hatte dann aber zu seinen Gunsten angenommen, dass Berlusconi Rubys Minderjährigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt war.

Ob die Kritik an Catherine Deneuve durch Berlusconis lobende Worte weniger wird, ist stark zu bezweifeln. Ihr Brief in Libération dürfte ihre KritikerInnen jedenfalls nicht zum Schweigen bringen. Im Gegenteil: Es wäre wenig verwunderlich, wenn Deneuves halbherzige Entschuldigung den Ärger über sie noch steigern würde. Eine Entschuldigung, die eigentlich keine ist, dürfte Opfern von sexueller Gewalt wie Hohn vorkommen. Und dass sich jemand wie sie als Feministin bezeichnet, dürfte in der Rubrik „Humorvolles“ einen Platz finden.

Eine kluge, unaufgeregte Replik auf Deneuves Vorstoß kam von der französisch-marokkanischen Schriftstellerin und Journalistin Leïla Slimani, ebenfalls in der Libération und auf Deutsch im Spiegel erschienen. Sie schreibt, sie sei kein Opfer, nennt aber viele Beispiele, in denen Männer sie gedemütigt und bedrängt hätten. Allerdings gäbe es in ihrem Bekanntenpreis zahlreiche sich vorbildlich verhaltende Männer, die anderen als Vorbild dienen sollten. Vom Begriff der Puritanisierung der Gesellschaft nimmt Slimani Abstand. Hinter Deneuves Forderung verstecke ein „schrecklich deterministisches Männerbild: ‚Man wird als Schwein geboren‘.“

Slimani preist die vielen Freiheiten, die sie als in einer westlichen Demokratie lebende Frau habe. „Ich bin kein zerbrechliches kleines Ding. Ich möchte nicht beschützt werden, sondern mein Recht auf Respekt und Sicherheit geltend machen.“

Kann Leïla Slimani nicht mal eine Rolle für Catherine Deneuve schreiben?

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