Preispolitik der Deutschen Bahn: Weg mit dem Fahrgast-Abi
Das Preis- und Reservierungssystem der Bahn ist viel zu komplex. Was es braucht, ist mehr Platz in den Zügen. Die 1. Klasse hingegen ist verzichtbar.
E tliche BahnkundInnen sind gewiefte Schnäppchenjäger, das zeigt eine Studie des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland. Nur eineR von fünf KundInnen zahlt den hohen Normalpreis. Aber: Auch die sogenannten Sparpreise sind teilweise happig. Und günstige Tickets zu finden, ist für Ungeübte eine echte Herausforderung. Nicht umsonst sprechen BahnaktivistInnen vom nötigen „Fahrgast-Abitur“, das nötig sei, um das komplizierte Tarifsystem der Bahn zu durchschauen.
Autofahrende und Flugreisende bekommt man mit so viel Komplexität nicht dazu, auf die Schiene umzusteigen. Gerade Nicht-StammkundInnen müssen die Chance haben, günstige Fahrkarten zu finden. Tickets des Bahnkonkurrenten Flixbus gibt es mittlerweile regulär bei Einzelhändlern, Fahrkarten der Deutschen Bahn allenfalls mal ausnahmsweise im Sonderverkauf beim Discounter.
Ärgerlich ist neben den oft hohen Ticketpreisen zudem die Reservierungsgebühr von immerhin 4,50 Euro pro Strecke. Nicht selten empfinden Reisende das als Geldverschwendung, zumal wenn die ausgewiesenen Sitze wegen eines Zugtauschs oder ausgewechselten Wagons dann nicht existieren.
Angesichts der überfüllten Züge gibt es jedoch fast einen heimlichen Zwang zum Reservieren – denn mitunter müssen Fahrgäste ohne Platzkarte wieder aussteigen, wenn der Zug zu voll ist. Aus dem heimlichen einen offiziellen Zwang zu machen – wie es in manchen Ländern wie Spanien heute bereits der Fall ist – ist nicht die Lösung. Mit einer Pflicht zur Reservierung würde der größte Wettbewerbsvorteil der Bahn verlorengehen: dass Fahrgäste spontan den Zug nehmen können. Richtig wäre: Wer eine Reservierung wünscht, soll sie bekommen – und zwar ohne Gebühr.
In der 1. Klasse gehört die kostenlose Reservierung heute schon zum Service der Bahn. Es geht also. Apropos 1. Klasse: Bei allen Vorschlägen für eine bessere Bahn braucht es auch bei sofortiger Umsetzung Jahre, bis die Fahrgäste davon etwas haben. Ausnahme: Von der Abschaffung der 1. Klasse hätten zumindest die 2.-Klasse-FahrerInnen sofort etwas. Mehr Platz nämlich.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
US-Außenpolitik
Transatlantische Scheidung