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Präsidentschaftswahl in FrankreichAm Desaster vorbeigeschrappt

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Macron ist nicht wiedergewählt worden, weil er überzeugt hat. Den Sieg verdankt er Le Pen. Vor allem linke Wähler hoffen auf eine „dritte Runde“ bei der Wahl im Juni.

Sonntagabend in Paris: erste Hochrechnung vorm Eiffelturm Foto: ap

D ie Erleichterung ist groß. Mit Emmanuel Macron gewinnt auch Europa. Nichtsdestotrotz hat der Wahlsieger kaum Grund zu triumphieren: Macron bleibt nicht Präsident, weil er überzeugt hat. Seinen Sieg verdankt er Gegnerin Le Pen. Ihr Rechtsextremismus, ihr demagogisches Programm und ihre offensichtliche Inkompetenz hat Macron die nötigen Wählerstimmen verschafft.

Es reichte für eine Wiederwahl, eine Mehrheit für ihn ist es nicht. Vielmehr ist es eine Mehrheit gegen sie. Obwohl eine Vielzahl der Franzosen und Französinnen Macron weder als Person liebt noch politisch schätzt, zieht sie ihn einem drohenden Chaos gerade noch vor. Frankreich mit der Tochter von Jean-Marie Le Pen an der Spitze wäre eine Beleidigung der Geschichte gewesen. Haarscharf ging es am Desaster vorbei.

Noch einmal nämlich hat diese antifaschistische „republikanische Front“ von links bis hin in die bürgerliche Mitte funktioniert. Bis zum Schluss war das gar nicht sicher. Macron, der von Beginn an auf ein erneutes Duell mit der Rechtspopulistin Le Pen gesetzt hatte, begrenzte seine Anstrengungen mit einer törichten Siegesgewissheit aufs Minimum – als ob ihm eine Einheit gegen rechts garantiert wäre. Das war leichtfertig bis fahrlässig.

Er ist daher nicht gewählt, sondern lediglich bestätigt worden. An Glaubwürdigkeit hat er nichts hinzugewonnen. Besonders zeigen wird sich das, wenn er in den kommenden Monaten versucht, seinen rechtsliberalen Kurs des sozialen Abbaus fortzusetzen. Vor allem die linken Wähler und Wählerinnen aus dem Lager Jean-Luc Mélenchons, die am Ende trotz aller Bedenken – fast naserümpfend – für ihn gestimmt haben, hoffen auf eine „dritte Runde“ bei der Abgeordnetenwahl im Juni.

Sie wünschen sich eine starke Opposition, oder wie Mélenchon es zu träumen wagt, eine rebellische Regierungsmehrheit gegen den Staatschef. Das Endergebnis der Präsidentschaftswahlen könnte zudem leicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pro­test­wäh­le­r*in­nen von links und rechts im ersten Durchgang zunächst eine klare Mehrheit darstellten. Macrons Glück war es, dass sich die beiden Pole politisch abstoßen. Die von ihm seit fünf Jahren geförderte politische Polarisierung zugunsten der Extreme wird ihm seine nächste Präsidentschaft nicht erleichtern.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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40 Kommentare

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  • @BIGRED

    Ja, so was in der Art. Mensch erinnert sich: das war die Zeit, in der Francis Fukuyama vom "Ende der Geschichte" faselte. Er mag noch auf eine sehr unangenehme, perverse Art Recht behalten.

    Was wir in der russischen Föderation sehen ist m.E. nur die Turbo-Variante der Trumps, Orbáns, Kaczyńskis, Le Pens, Höckes und ähnlicher Dumpfbacken hier sehen: das schwarze Loch jenseits des Endes der Geschichte, oder so.

  • @ABDURCHDIEMITTE

    Das ist natürlich naheliegend. Diese "sichtbaren" Monster (Putin, meinetwegen Le Pen) sind zwar unangehehme Menschen, aber eben auch austauschbare Pappnasen.

    Bei Putin ist das wahre Monster die Flut des widerlichen Ressentiments aber auch die berechtigte, nackte Existensangst, die ihn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an die Macht gespült hat.

    Da hätte "der Westen" etwas machen können. Er war leider zu sehr mit seinem Rausch beschäftigt, das "Ende der Geschichte" zu feiern.

    Idioten, die wir sind.

    • @tomás zerolo:

      "etwas machen können "

      Russland hätte sich der EU anschließen sollen statt einen oligarch-autoritären Ölstaat aufzubauen.

      • @Rudolf Fissner:

        Der Aufbau des "oligarch-autoritären Ölstaats" wurde durch die shock-doctrine-Privatisierungen der westlichen Berater massgeblich mit voran getrieben.

  • Frankreich ist ein nicht reformierbares Land, also muss es regelmäßig knallen, damit sich was bewegt. Die zentralistische Elitepolitik verbunden mit einem unsäglichen Wahlsystem schafft diese für Europa unangenehme Situation.

  • Nicht "Europa" hat gewonnen, sondern die EU.

    Und wenn die "antifaschistische republikanische Front" gegen eine "Rechtspopulistin" in Stellung gebracht wurde, dann ist für die TAZ inzwischen Rechtspopulismus = Faschismus?

  • Auf die "dritte Runde" bei der Parlamentswahl bin ich mal gespannt.



    Wenn nur eine einziger der vielen "linken" Kandidaten mit peinlichem Ergebnis auf eine Kandidatur verzichtet hätte, wäre Melenchon in die Stichwahl gekommen.



    Wie soll dieses "Lager" sich bis Sommer versöhnen und zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen ?



    Der RF wird wahrscheinlich stärkste Einzelpartei werden. Und ob sich dann in jedem Wahlkreis stabile Anti-RF-Bündnisse bilden werden, unter Einschluß ALLER anderen Parteien, halte ich für sehr zweifelhaft.



    Zumal Konservative und Sozialisten - die früher die Basis solcher Bündnisse stellten - dermaßen abgestraft wurden, daß sie keine großen Forderungen stellen können.



    Und die Abneigung zwischen der Macron-Partei und Melenchons Truppe ist ja offensichtlich.

  • Für die Landbevölkerung gab es sicher andere Gründe Le Pen zu wählen, als ihre Haltung zu Putin. Da sollte man einmal genauer schauen, was das für Gründe sind und warum die Paris-Elite verhasst ist. Das ist wohl ähnlich wie in den USA, wo die "fly-over-states" anders gewählt haben.

    • @resto:

      Im Bezug auf Putin ist es egal warum die Landbevölkerung Le Pen wählt. Wäre sie an die Macht gekommen, dann würde sie sich auf die Seite Putins stellen und das wäre das Ende der EU gewesen.

      Es gibt sicherlich eine Menge verschiedener Gründe warum sich jemand dazu entscheidet rechtsradikal zu wählen. Kann man analysieren, ohne deshalb Sympathien für diese Leute zu haben, denn am Ende sind es mündige Bürger/innen die ihre falsche Entscheidung treffen. War bei Hilter genauso.

      • @Alfonso Albertus:

        "Es gibt sicherlich eine Menge verschiedener Gründe warum sich jemand dazu entscheidet rechtsradikal zu wählen. Kann man analysieren, ohne deshalb Sympathien für diese Leute zu haben, denn am Ende sind es mündige Bürger/innen die ihre falsche Entscheidung treffen."



        genau und dann sollte man den Schluß daraus ziehen welche Politik gemacht werden muß, damit diese Leute nicht rechts wählen.



        Die theorielastige Unterscheidung rechts links ist den meisten Menschen egal, ebenso die Haltung zu Putin, was aber zählt ist die persönliche Lebensrealität. Und die kann immer nur von links verbessert werden. Die Rechten benutzen diese Problematik nur.



        Aber zu jammern, das seien doch sowieso alles Rechte und mit denen kürfe man nicht reden, sind Krokodilstränen.



        Wer sich weigert die Lebensrealtät von anderen Menschen anzuerkennen, nur weil sie dem eigenen Weltbild nicht entspricht, macht sich genau zu diesem Totengräber der Demokratie. Neoliberale Rentenreform, egal, aber Europa. das ist doch toll...



        Na klar ist Europa toll, aber eine Mensch in der franz. Provinz hat evtl noch andere Probleme, die nicht minder wichtig sind.

  • @ABDURCHDIEMITTE

    Ne, das mit Monster habe ich mit Bedacht gewählt.

    • @tomás zerolo:

      Nun ja, mit dem Begriff Monster assoziiere ich derzeit eher Potentaten wie Wladimir Putin.

  • Eine sehr gute Analyse. Tatsächlich hat Macron es nicht einmal für nötig befunden auf Mélenchons - zugegebenermaßen etwas hochtrabendes - Angebot ein Kohabitation irgendwie zu reagieren. Das war hochfahrend wie immer bei Macron - und sehr gefährlich. Seine überlegene Besserwisserei im Fernsehduell hätte zudem - bei aller Überzeugungskraft - auch emotional nach hinten losgehen können.

  • Ohne die übliche Neigung der politischen Linken sich zu Zersplittern, hätte des Le Pen gar nicht in die 2. Runde geschafft.



    Abgesehen davon sind über 40% für eine rechtsradikale korrupte Marionette Putins schlicht ein Desaster.

    • @Kaboom:

      Der stärkste Kandidat der französischen Linken ist immerhin auf über 20% gekommen, während in Deutschland die Linkspartei, die alle möglichen linken Strömungen umfasst, keine 5% mehr bekommt. Und die Rechte war ja auch gespalten, mit Zemmour und Le Pen. Am Ende hätte aber so oder so Macron gewonnen, ganz so schwach ist die pro-Eurpäische politische Mitte in Frankreich dann doch nicht.

      • @Ruediger:

        Tja ... die Lage der politischen Linken in D ist besch*****. Teile wählen die SPD - obwohl die Partei (bei etwas gutem Willen) in diesem Jahrtausend grade mal in den letzten 4 Jahren ein klein wenig linke Politik gemacht hat. Teile wählen die Grünen, die eigentlich gar keine linke Politik mehr machen.



        Bleibt die Partei "Die Linke" wo die nach wie vor prominenteste Vorzeige-Politikerin sich in den letzten Jahren ständig mit dem äußersten rechten Rand gemein gemacht hat, oder aber alle, die ein anderes Verständnis von "Links" haben als sie selbst, diffamiert hat. Und wo - um dem Ganzen die Spitze aufzusetzen - selbst nach dem russischen Überfall bei Teilen der Politprominenz nach wie vor der Westen "an allem Schuld" ist.

        • @Kaboom:

          Wahrscheinlich sind einfach wesentlich weniger Menschen in Deutschland links, als es innerhalb der linken Blase wirkt.

          • @Ruediger:

            Tjoa, das mag so sein. Und als Ergebnis haben wir mit die niedrigsten Renten in (West)Europa, die Reallohn-Entwicklung der letzten 20 Jahre ist ein Desaster, die Mieten explodieren etc. pp.

  • Vive l´Europe!



    Vive la France!



    Vive l´Emmanuel!

  • das ist nochmal gut gegangen. leider fürchte ich wird es Macron egal sein, aus welchen Gründen er gewählt wurde, gewählt ist gewählt.



    Macht er so weiter und das wird er, wird die nächste Wahl ähnlich laufen... starke Rechte und der saure Apfel...

  • '...Macron ist nicht wiedergewählt worden, weil er überzeugt hat. Den Sieg verdankt er Le Pen. ...'



    Wie aufschlussreich. Wer wird in 'hochentwickelten' Staaten schon gewählt und von wem, weil er überzeugt hat?



    Siehe Scholz/Laschet ...



    Interessieren würde mich, warum in Paris 85% Macron gewählt haben. Alles Reiche, Neo-Lib-Profiteure und Le-Pen-Verhinder:innen?

    • @Jossito:

      städtisches Frankreich vs. ländliches Frankreich.

  • Über 40% für Le Pen finde ich dennoch ziemlich gruselig.

  • 41,5% für die Putintreue Nationalistin … O_o

  • Und das deutsche Feuilleton bleibt sich treu. Die Wähler Melenchons sind Protestwähler*innen. Echt?



    Und Melenchon ist ein Linkspopulist. Echt?



    Es war eine perfide Stratgie Macrons, denn er spielte Antirassismus und sein "wirtschaftzsliberales" also antisoziales Europa gegen Klasse.



    Und er bleibt Präsident. Mehr aber auch nicht.



    Und er war dahingehend erfolgreich, dass viele sozial benachteiligte Wähler*innen den Wahlurnen schon beim ersten Wahlgang fern geblieben sind. Melenchon wollte diese Wähler*innen an die Wahlurnen zurückholen. Das bereits scheint ihn zum Linkspopulisten zu qualifizieren.

    Davon ab: die ökosozialen Probleme werden wachsen, Macron hat keine Lösungen, denn die von ihm gerne beschworene kapitalistische Aufbruchsstimmung, die kapitalistische Dynamik wird keines der ökologischen Probleme lösen. Die von den Wissenschaften angekündigten kommenden Krisen werden schneller kommen, als es Macron lieb sein kann.

    • @Favier:

      Die benachteiligten Menschen in F hätten etwas besseres verdient als Melenchon. Und mit der Ökologie hat er auch nichts am Hut.

      • @Konfusius:

        Oder: wie man zeigt, dass man das LFI-Programm nicht gelesen hat.

  • Die Vorstellung, die Linke hätte aus republikanischer Solidarität die bürgerliche Demokratie gerettet, stimmt nicht so ganz. Weil nämlich ihr zahlenmäßig stärkster Anführer, Jean-Luc Mélenchen explizit NICHT zur Wahl Macrons aufgerufen hat, anders als alle anderen demokratischen Organisationen von Sozialisten über Ökologen bis Bürgerlich-Konservative. Man konnte gestern Abend die beiden Vertreter von France Insoumise im Fernsehen sehen, die einfach nur auf Krawall gebürstet waren, so wie sie regelmäßig im Parlament und auf der Straße aufteten. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es in Frankreich zwei massiv antidemokratische Bewegungen gibt: Die rechtspopulistische Front National, die gestern Abend 42 % erhielt, und die linkspopulistische, antieuropäische, bis vor 5 Minuten Pro-Putin-Partei von Mélenchon, die im ersten Wahlgang 22 % erhielt. Der antidemokratische Schoß, aus dem das kriecht, wird für viele Jahre ein Problem bleiben.

    • @Mark2013:

      Melenchon hat dazu aufgerufen explizit nicht Le Pen zu wählen.

    • @Mark2013:

      Man muss Melenchon nicht mögen, aber er wird nicht zum Antidemokraten, weil er nicht zur Wahl Macrons aufgerufen hat.



      Und man wird nicht automatisch zum Antieuropäer, weil man die EU nicht für eine demokratisch legitimierte und soziale Institution hält.



      Wenn aber die Denkfaulheit dazu führt, dass jede Kritik an diesem Eutropa dem rechtsextremen Lager zugeordnet wird, weil die Rechte europafeindlich ist, dann erübrigt sich jegliche Diskussion.



      Es gibt eine mehr als berechtigte linke Kritik an dieser EU.



      Das gilt auch für andere Kritikpunkte, die Melenchon in seinem Programm aufführte. Diese werden nicht automatisch falsch und antidemokratisch, weil eine Le Pen solche Kritik in ähnlichen Worten äußert.

  • Mit Glück hat Macrons Sieg nicht viel zu tun, auch wenn man denkt, er habe ihn nicht verdient. Es handelt sich generell im heutigen Frankreich mindestens so sehr um ein Versagen von Opposition wie um ein Versagen der Regierung, bzw. handelt es sich um ein Versagen der Wähler, die sich einfach weigern vernünftige Opposition zu gestalten. Sie wählen lieber Extreme, und dies mit der Gewissheit, dass sich dann doch wieder eine Restmehrheit gegen den Rechtsabsturz findet. Dass ein Macron ohne diese Schreckenskulisse nur 25 % bekäme ist weder verwunderlich noch schlimm, schlimm ist, dass er keine vernünftigen Gegner hat und auch keine etwas stärkeren Koalitionspartner. So ist er ständig der alleinige Angriffspunkt, egal ob zu Recht oder Unrecht. Dass eine "rebellische Opposition" auf eine gewisse Weise ja genau das Gegenteil von einer konstruktiven Opposition ist, das scheint viele Franzosen nicht zu stören. Das bisschen Arroganz von Macron ist nicht das Problem, sondern die politische Verantwortungslosigkeit der Franzosen, wie man sie zum Beispiel an der Wildwest- Widerstands- Romantik der Gelbwesten beobachten kann. Frankreich hat reichlich soziale Probleme, aber die Le Pen- Wähler sind nicht Opfer sondern Täter, sind genauso nur Wohlstandsverteidiger wie hierzulande die AFD- Anhänger. Um die muss man sich nicht kümmern, kümmern muss man sich um die Nichtwähler, um die, die sich gar nicht mehr als Teil der Gesellschaft sehen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ich würde es mal positiv formulieren. Der Mann ist mit 58 % gewählt worden. Ich würde auch den Gedanken vorschlagen, dass Macron eine Politik macht, welche der liberale, demokratische, proeuropäische Teil der Gesellschaft tatsächlich gut findet. Vieles von seiner Politik entspricht der Berliner Koalition aus SPD, GRÜNEN und FDP. Natürlich sind große Ränder nach rechts und links weggebrochen. Aber angesichts von Brexit und Ukraine-Krieg weiß die Mehrheit vielleicht ganz gut, warum sie eine liberale, proeuropäische Kraft wählen.

  • Liefern die französischen Medien eigentlich Analysen zu den Waehlerwanderungen in der heutigen Stichwahl? Das fände ich mal spannend.



    Vor allem würde mich interessieren, wie viele Simmen aus dem linken Lager jeweils zu Macron und zu Le Pen gewechselt sind ... und welche in der Stichwahl nicht wählen gegangen sind. Und ob es in dieser Hinsicht signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen linken Waehlergruppen gibt, z.B. den Anhängern Melenchons und Hidalgos?



    Dahinter steckt natürlich mein Interesse zu erfahren, welche Teile der französischen Linken derart querfront-affin sind, dass sie die Rechtspopulistin Le Pen gewählt haben und wer aus diesem politischen Spektrum dann doch lieber für den liberalen Macron-Spatz in der Hand votiert hat.



    Vielleicht können die Frankreich-Experten unter uns Auskunft geben.

    • @Abdurchdiemitte:

      die WählerInnen Hidalgos dürften ohne jegliche statistische Relevanz sein. 2% der abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang .... Die Fehlertoleranz liegt da schon drüber. Und so geht es mit den meisten anderen auch.



      Für Melenchons WählerInnen gilt, unter 20% überlegten, für Le Pen zu stimmen (Ob sie es dann auch getan haben? Ich habe noch keine Wählerwanderungsgrafiken gesehen.) Oder positiv formuliert: für über 80% kam das nicht in Frage.

  • Es ist ein Schock, dass so viele Franzosen rechtsextrem gewählt haben. Nun hat Macron einen gewaltigen Berg an Aufgaben bekommen. Da muss er liefern. Er muss viel viel besser und deutlicher Erfolge erzielen. Er muss integrieren und glaubwürdig einen Präsidenten für fast alle Franzosen abgeben. Daran könnte er scheitern. Ich bin trotzdem froh, dass Marine Le Pen nicht gewählt wurde, es war dieses Mal wirklich ernst. Es gibt eine gespaltene, aggressive und sich bewegende Wählergruppe in Frankreich, die es schwer gemacht hat. Aber es ist auch nicht alles verloren. Leider hängt es jetzt an Macron, der nach meiner Auffassung vieles gemacht und erreicht hat, aber vieles eben auch nicht oder besser gar nicht. Dann noch diese extreme Unzufriedenheit mit einigen sozialen Schichten im Land. Das sind kleine Anzeichen für einen aufkommenden Bürgerkrieg - ich glaube zwar nicht daran. Aber so gepaltene Länder können explodieren. Hier ist jetzt wirklich eine klare, strukturieren, überzeugende Linie gefragt. Die gab es in den letzten Jahren nicht immer. Es gab zwar auch Führungsstärke, aber auch gewaltige Enttäuschungen. Das Ganze ist heute nur insofern gut ausgegangen, dass Marine Le Pen nicht Frankreich einsacken konnte. Aber in den Parlamentswahlen kann es noch mal richtig eng werden. Ich hoffe und wünsche mir, dass alle liberalen, demokratischen und linken Kräfte keine Chance auslassen, um für ein linkes, liberales Frankreich zu kämpfen. Sollte das scheitern ... Daran will ich lieber nicht denken. Vive la Republique

    • @Andreas_2020:

      Nicht: "daran könnte er scheitern", sondern "das wird er nicht versuchen". Macron war von Anfang an Präsident der Reichen und ist dennoch wiedergewählt worden - warum sollte er das geringste anders machen?

  • Bei 17% mehr Stimmen würde ich nicht von "vorbeigeschrappt" reden, sondern von einem klaren Sieg Macrons.

  • Merci, les Français·es!

    Ich hoffe und wünsche von Herzen, dass Ihr das rechtsliberale Monster gezähmt bekommt, ohne in den stinkenden Rachen der Rechtspopulist*innen zu fallen.

    Ich unterstelle Macron, dass er sich gewünscht hat, Le Pen als Gegnerin in der zweiten Runde zu bekommen. Möge er seine Strafe für dieses Spiel mit dem Feuer bekommen.

    • @tomás zerolo:

      Die Gratwanderung zwischen dem "rechtsliberalen Monster" und dem "stinkenden Rachen" der Rechtspopulisten ist in der Tat schmal ... von Macron als einem "Monster" zu sprechen, halte ich allerdings für etwas übertrieben.



      Um in der bildhaften Sprache zu bleiben, muss doch festgestellt werden, dass die französische Linke - aus lauter Angst vor Le Pen - dem neoliberalen Macron den Wahlsieg in den Rachen geschmissen hat, ohne einen (innenpolitischen) Preis dafür zu fordern ... mit welcher Berechtigung aber auch? Das war schon 2017 nicht anders, als Melenchon auch nur Platz 3 erreichte. Die Bronzemedaille berechtigt eben nicht dazu, ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen. 22% linke Melenchon-Power (dazu noch die zugegeben nicht gerade ruhmreichen Prozentpunkte von Grünen, Sozialisten u.a. linken Splittergruppen) verpuffen unter den Bedingungen der französischen Praesidialdemokratie dann leider im politischen Aus ... und Macron kann so weitermachen wie bisher.



      Aber unter der Ägide des "Monsters" kann die französische Linke immerhin ihre Wunden lecken, ihre Fehler analysieren und sich für die nächsten Wahlen neu aufstellen ... Le Pen allerdings hätte alles daran gesetzt, den politischen Handlungsspielraum der Linken weiter zu begrenzen und sie langfristig mundtot zu machen. Das kennen wir aus anderen Autokratien nur zu gut ... und das sogar mitten in Europa