Präsidentschaftswahl in Frankreich: Am Desaster vorbeigeschrappt
Macron ist nicht wiedergewählt worden, weil er überzeugt hat. Den Sieg verdankt er Le Pen. Vor allem linke Wähler hoffen auf eine „dritte Runde“ bei der Wahl im Juni.
D ie Erleichterung ist groß. Mit Emmanuel Macron gewinnt auch Europa. Nichtsdestotrotz hat der Wahlsieger kaum Grund zu triumphieren: Macron bleibt nicht Präsident, weil er überzeugt hat. Seinen Sieg verdankt er Gegnerin Le Pen. Ihr Rechtsextremismus, ihr demagogisches Programm und ihre offensichtliche Inkompetenz hat Macron die nötigen Wählerstimmen verschafft.
Es reichte für eine Wiederwahl, eine Mehrheit für ihn ist es nicht. Vielmehr ist es eine Mehrheit gegen sie. Obwohl eine Vielzahl der Franzosen und Französinnen Macron weder als Person liebt noch politisch schätzt, zieht sie ihn einem drohenden Chaos gerade noch vor. Frankreich mit der Tochter von Jean-Marie Le Pen an der Spitze wäre eine Beleidigung der Geschichte gewesen. Haarscharf ging es am Desaster vorbei.
Noch einmal nämlich hat diese antifaschistische „republikanische Front“ von links bis hin in die bürgerliche Mitte funktioniert. Bis zum Schluss war das gar nicht sicher. Macron, der von Beginn an auf ein erneutes Duell mit der Rechtspopulistin Le Pen gesetzt hatte, begrenzte seine Anstrengungen mit einer törichten Siegesgewissheit aufs Minimum – als ob ihm eine Einheit gegen rechts garantiert wäre. Das war leichtfertig bis fahrlässig.
Er ist daher nicht gewählt, sondern lediglich bestätigt worden. An Glaubwürdigkeit hat er nichts hinzugewonnen. Besonders zeigen wird sich das, wenn er in den kommenden Monaten versucht, seinen rechtsliberalen Kurs des sozialen Abbaus fortzusetzen. Vor allem die linken Wähler und Wählerinnen aus dem Lager Jean-Luc Mélenchons, die am Ende trotz aller Bedenken – fast naserümpfend – für ihn gestimmt haben, hoffen auf eine „dritte Runde“ bei der Abgeordnetenwahl im Juni.
Sie wünschen sich eine starke Opposition, oder wie Mélenchon es zu träumen wagt, eine rebellische Regierungsmehrheit gegen den Staatschef. Das Endergebnis der Präsidentschaftswahlen könnte zudem leicht darüber hinwegtäuschen, dass die Protestwähler*innen von links und rechts im ersten Durchgang zunächst eine klare Mehrheit darstellten. Macrons Glück war es, dass sich die beiden Pole politisch abstoßen. Die von ihm seit fünf Jahren geförderte politische Polarisierung zugunsten der Extreme wird ihm seine nächste Präsidentschaft nicht erleichtern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau