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Pazifischer FeuerringStarkes Erdbeben, schwacher Tsunami

Ein Beben in Russlands Pazifikregion führt in vielen Ländern Asiens und Amerikas zu Tsunami-Warnungen. Die befürchtete Katastrophe bleibt aus.

Der am Mittwoch vom Tsunami überspülte Hafen von Sewero-Kurilsk: Dort gab es Verletzte Foto: The Telegram Channel Of The Kamc/TASS/ZUMA Press/dpa

Berlin taz | Ein sehr schweres Erdbeben hat vor der fernöstlichen russischen Halbinsel Kamtschatka in der Nacht zum Mittwoch gegen 1.30 Uhr die dortige Region erschüttert und in vielen Staaten entlang der Küsten des Pazifiks zu Tsunamiwarnungen geführt. So wurden küstennahe Regionen in Russland, Japan, China, Taiwan, den Philippinen, Indonesien, Hawaii, die Westküsten der USA, Kanadas, Mexikos, Guatemalas sowie Kolumbien, Ecuador, Peru und Chile und sogar Französisch Polynesien vor möglichen meterhohen Wellen gewarnt.

Die Menschen wurden von den Behörden zur Flucht in höher gelegene Gebiete oder mindestens zur Vorsicht aufgefordert. In den meisten Ländern wurden die Warnungen im Laufe des Tages aber wieder aufgehoben.

Zur Stärke des Bebens gibt es divergierende Angaben. Laut der Russischen Akademie der Wissenschaften hatte es eine Stärke von 8,7 und war das stärkste Beben bei Kamtschatka seit 1952. Das Zentrum lag etwa 130 Kilometer vor der Küste, rund 20 Kilometer unterhalb des Meeresbodens.

Laut der US-Erdbebenwarte (USGS) hatte das Beben eine Stärke von 8,8. Es gilt als das stärkste seit der japanischen Fukushima-Katastrophe 2011 und als eines der stärksten je gemessenen. Das deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam gab die Stärke mit 7,8 an. Auf das Hauptbeben folgten mindestens sechs starke Nachbeben.

Verletzte in Kamtschatka

Aus der dem Epizentrum am nächsten gelegenen Region Kamtschatka wurden am Mittwoch nur einige Verletzte gemeldet und bisher keine Todesopfer. Trotzdem soll es dort nach Behördenangaben einzelne Wellen von bis zu 5 Meter Höhe gegeben haben.

Auf der Insel Paramushir soll das Wasser bis zu 200 Meter ins Landesinnere vorgedrungen sein, berichtete der lokale Verwaltungschef laut dpa. Videoaufnahmen zeigten, wie der Hafen der Stadt Sewero-Kurilsk und ein Fabrikgebäude überflutet wurden.

Die Behörden hatten laut der Nachrichtenagentur afp in der Stadt auf der Insel Paramushir 2.000 Personen in Sicherheit gebracht. Im Bezirk Nordkurilen wurde der Notstand ausgerufen.

Das Zivilschutzministerium hob die Tsunamiwarnung am Abend wieder auf und erklärte, im Wesentlichen hätten die Gebäude dem Beben standgehalten. Die Begutachtung laufe aber noch.

Kreml: Erdbebensichere Bauweise hat sich bewährt

Der Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte in Moskau, dass sich die erdbebensichere Bauweise auf der Halbinsel bewährt habe. Es gebe keine Todesopfer. Über Verletzte sagte er nichts. Die Frühwarnsysteme hätten ordnungsgemäß funktioniert. Wo es eine Tsunamigefahr gegeben habe, seien die Menschen rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden.

Das der Erdbebenregion geografisch nächstgelegene Land ist Japan. Dort hatte am 11. März 2011 das Tōhoku-Erdbeben an der Ostküste einen Tsunami mit Wellen von bis zu 15 Metern ausgelöst. Das führte zur Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima.

Jetzt wurde in Japan vor Wellen von 1 bis 3 Metern Höhe gewarnt. Mehr als 2 Millionen Menschen wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Doch letztlich wurden nur drei Tsunamiwellen registriert, die höchste mit 1,30 Meter.

Auch die Arbeiter auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks Fukushima waren in Sicherheit gebracht worden, der Flughafen der nördlich gelegenen Stadt Sendai wurde vorsichtshalber geschlossen. Im Jahr 2011 war er überflutet worden.

Flüge gestrichen am Flughafen von Maui

Meldungen über Verletzte gab es in Japan jetzt nicht, doch starb laut dem Sender Asahi-TV eine Frau, als ihr Auto bei einer Evakuierung von einer Klippe stürzte.

Auf dem US-Archipel Hawaii wurden Strände geräumt, alle Häfen gesperrt und Flüge vom Flughafen Maui gestrichen. Laut CNN erreichte die Flutwelle eine Höhe von 1,50 Meter. Viele Menschen hätten in ihren Autos übernachtet.

In China war am Nachmittag die für die Küsten der Provinz Zhejiang und Shanghai ausgegebene Tsunamiwarnung wieder aufgehoben worden. Allerdings bereitet sich die Region auf einen Tropensturm vor.

Bei der dünn besiedelten Halbinsel Kamtschatka treffen die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander. Das macht die Region am sogenannten Pazifischen Feuerring zu einer der erdbebenreichsten der Welt.

Abstand zum Meeresboden beinflusst Stärke des Tsunamis

Bei einem Tsunami (japanisch für Hafenwelle) löst die Anhebung der Erdplatten unter dem Meeresboden durch ein Beben oder einen Vulkanausbruch Wellen aus. Diese sind auf hoher See eher klein und unproblematisch.

Doch breiten sie sich über Ozeane mit hoher Geschwindigkeit auch zu weit entfernten Küsten aus und können sich bei Anstieg der Meeresböden zum Land hin wie in engen Buchten gefährlich auftürmen und ganze Landstriche verwüsten. Beim Tsunami im Indischen Ozean im Dezember 2004 starben mindestens 231.000 Menschen, die meisten in Indonesien. In Japan gab es im März 2011 etwa 19.300 Tote.

(mit Agenturen)

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