piwik no script img

Olaf Scholz zu Kritik an KlimaplänenDer sehr, sehr gute Kanzler spricht

Olaf Scholz steht bei der Fragestunde im Bundestag Rede und Antwort, zu Klimaschutz, Gasheizungen und Wasserstoff. Und bleibt oft vage.

Hat recht gute Laune nach dem Koalitionsausschuss: Olaf Scholz (rechts) Foto: Christian Mang/reuters

Olaf Scholz denkt gerne in großen Maßstäben. Er sieht Dimensionen, die er mit Weitblick erfasst, während sich die meisten anderen bedauerlicherweise in kleinteiligen tagespolitischen Fragen verzetteln. Zum Beispiel Andreas Jung, CDU-Klimapolitiker, der bei der Fragestunde im Bundestag am Mittwoch wissen möchte, warum die Ampel im Klimaschutzgesetz die verbindlichen Sektorenziele abschafft. Und warum der Kanzler das Klimaschutzgesetz „aufweicht, anstatt es einzuhalten“. Genau das hat der Koalitionsausschuss beschlossen: Der Verkehr, verantwortet von FDP-Minister Volker Wissing, kann künftig mehr CO2 emittieren als erlaubt, wenn in anderen Bereichen weniger anfallen sollte. Da kann man schon von einer Aufweichung des Klimaschutzgesetzes reden.

Der Kanzler sieht das anders. Man habe „das Klimaschutzgesetz weiterentwickelt“, sagt er, und habe sich nur von dem Irrglauben verabschiedet, beim Klimaschutz gebe es „lineare Entwicklungen“. Scholz sieht, was in diesem Moment im Bundestag nur recht wenige so sehen wie er: nämlich gewaltige Sprünge, die schon bald die CO2 Emission in Deutschland senken würden. 2030 würden „15 Millionen E-Autos in Deutschland unterwegs sein“, sagt Scholz. Das soll heißen: think big. Man muss die großen Linien sehen – und sich nicht mit Details wie jährlichen Sektorenzielen aufhalten. Der Verkehr ist in Deutschland für 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Olaf Scholz wirkt, ganz entgegen seinem Ärmelschoner-Image, recht kampfeslustig. „Der Stillstand der letzten Jahrzehnte ist vorbei. Jetzt kommt Tempo in Deutschland“, ruft er selbstbewusst. Von Tempo zu reden, ist nach einem 30 Stunden währenden Koalitionsausschuss, der einige Fragen durchaus offen lässt, originell. Etwa beim Thema Heizungsaustausch bleiben eine Menge Unklarheiten. Scholz betont, dass die Regierung niemanden auf zu hohen Kosten sitzen lassen werde. Aber was das konkret heißt, ist offen. Man sei „dabei, die Förderprogramme auszugestalten“, so Scholz. So weit, so vage. Dafür ruft der Kanzler der Union markig zu: „Machen Sie sich keine Sorgen.“

Erstaunlich interpretationsoffen

Erstaunlich interpretationsoffen ist für eine 30-Stunden-Sitzung auch geblieben, ob ab 2024 gar keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Oder vielleicht doch. „Es wird möglich sein, eine Gasheizung einzubauen, wenn später Wasserstoff eine Perspektive ist“, sagt Scholz. Also wird es, laut Kanzler, Gasheizungen geben, die mit Wasserstoff funktionieren. Den es allerdings auf absehbare Zeit nicht gibt. Was also mag „Perspektive“ hier bedeuten? Auch dieser Kanzler-Satz bringt kein Licht ins Dunkel. Scholz sagt zudem: „Ich warne davor, den Bürokratismus und die abstrakte Regulierung von Bürgern und Bürgerinnen fortzusetzen.“ Das ist eine bemerkenswerte Deutung. Krankt die Klimaschutzpolitik bislang an zu viel Regeln?

Janine Wissler, Linkspartei, fragt, ob es klug sei, 144 Autobahnen zu erweitern, aber kein Tempolimit einzuführen. Und ob es nicht besser wäre, einen Verkehrsminister zu feuern, der die Klimaziele verfehlt, als das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. „Herr Wissing ist ein sehr, sehr guter Verkehrsminister“, sagt der Kanzler mit stolzem Trotz. Im Übrigen sei das neue Klimaschutzgesetz „ambitionierter als das bisherige Klimaschutzgesetz“. Olaf Scholz lässt in dieser Fragestunde keinen Zweifel daran, dass Deutschland einen sehr, sehr guten Kanzler hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • meine mutter, 84, sieht sich das an und fragt: warum gehen jetzt nicht alle leute auf die strasse und schreien? -- uns fehlen die ideen zum breiten widerstand... die hütte brennt und die hausmeister geben bekannt: das öffnen der fenster hilft bei schlechtem geruch (rauch) und gegen die hitze (feuer). und so machen wir's dann. gegen besseres wissen.

  • 6G
    675146 (Profil gelöscht)
  • schöne Ampel, bei der nie grün wird.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Das war schon ein Vogel!" Er ist es immer noch. Der Mann vonne Hallig ist zu dumm, ein totes Schaf vom Deich zu kippen. 🙌



    btw: Aus welchem Kanal sind Sie denn (wieder) aufgetaucht?



    taz.de/Hoeheres-Re...ttsalter/!5870759/

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Im Übrigen ist Nordstrand nicht unbedingt eine Hallig, oder? ;-)



      Das ist doch schon eine veritable Halbinsel:



      de.wikipedia.org/wiki/Nordstrand

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Anna Nuema:

        Leicht beschämt schreib ich retour:



        „Danke für die Korrektur.“



        Es kam mir gleich so komisch vor.



        Die Hallig heißt Nordstrandischmoor. ☹

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      Sollte @ANNA NUEMA

  • Jetzt hört doch mal auf hier so rumzuholzen !

    Es geht schließlich um die Rettung der Menschheit!

    Zuerst natürlich die Rettung der oberen Zehntausend.



    Aber dann auch die Anderen.



    Also wenigstens so viel wie geht.



    Ist ja klar.



    Mehr geht halt nicht.

  • Hinzuzufügen ist, dass Scholz die Wissler-Frage zu den Autobahnen und keinem Tempolimit nicht beantwortete.



    Es war ein Trauerspiel wie bei der Kanzlerfragestunde die FDP dem Kanzler die eigene Agenda unter die Nase rieb, damit er sie noch einmal loben konnte. Nicht ein einziger Abegeordneter der Grünen hatte eine kritische Nachfrage zu den geplanten Autobahnen oder dem fehlenden Tempolimit.

  • Die drei Fehlfarben =



    Chaos Dummheit Untergang.

  • Fachkräftemangel wohin das Auge blickt.

    Bis in die höchsten, allerhöchsten Regierungskreise.

    Man muss halt nehmen was man kriegen kann ...

  • " Krankt Klimaschutzpolitik bisher an zu vielen Regeln?"

    In der Tat krankte der Ausbau der Regenerativen Energien in den letzten Jahren an der Bürokratie, die die Zeiten bis zum Bau in die Länge zog.



    Die CDU macht hier von sich reden, als ob sie so etwas wie Klimapolitik kennt. Die Sektorenziele des Klimaschutzgesetz stammen von einer SPD Umweltministerin. Die CDU/ CSU war in der GroKo stehts bemüht, Umwelt- und Klimapolitik nicht auszubauen.



    Angesichts der Erhöhung des CO2 Preises werden Öl- und Gasheizungen noch unwirtschaftlicher, als sie es jetzt schon sind.



    Somit entsteht ein gesichtswahrender Kompromiss für die FDP. Allerdings werden die meisten BürgerInnen, allein schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, wohl auf moderne Technologie setzen.



    Es wird häufig kritisiert, dass die Ampel intensiv und durch die Nacht für uns arbeitet.



    Warum ist das kritikwürdig? Man/Frau könnte es auch als vollen Einsatz betrachten.



    Es ist deutlich geworden, dass es bei den Gesprächen um Grundsätzliches ging.



    Dass am Ende keine fertig ausformulierten Fördervorgaben für Heizungen stehen, ist nicht überraschend.

  • "Ein sehr, sehr guter Kanzler"???

    "sehr gut", so attributiert doch sonst nur "DIE PARTEI" ihre politischen Pläne, Leistungen und Leistungsträger. Ist denn Martin Sonneborn nun Bundeskanzler?

    • @Uwe Kulick:

      Die PARTEI wiederholt doch nur Geschichte. Scholz kann das halt auch. Das nennt man dann Realsatire, oder Kompromisslösung, oder deutsche Politik.

  • Die haben wirklich einen an der Waffel.

    Wasserstoff in einer Heizungsanlage zu verbrennen ist so ziemlich die dümmste Art, diesen Energieträger zu nutzen.

    Erst unter Verlusten Strom nach H2, dann verbrennen, statt mit Gewinn in einer Wärmepumpe.

    Viele e-Autos. Nein, wir brauchen weniger, viel weniger Autos. Und wir sollten verdammtnochmal *jetzt* mit den Städten anfangen, weil da die Ausweichmöglichkeit günstiger ist.

    Alles Dummschwatz. Und dann wundern die sich noch, dass wir ihnen nicht trauen?

    Ob Herr Scholz bei der nächsten Überschwemmung auch so kichert? À la Laschet?

    Wütend ist gar kein Ausdruck.

  • Wo sollen denn die mit dutzenden Milliarden Steuergeld geförderten E-Autos denn fahren?

    Natürlich muß man in Straßen investieren.

    • @drafi:

      da wo die verbrenner auch schon fahren

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Es wird möglich sein, eine Gasheizung einzubauen, wenn später Wasserstoff eine Perspektive ist“



    Perspektive: www.dwds.de/wb/Perspektive



    Später. Ist wohl so ´ne Art Rum-Zeit-Kontinuum. - Alles ist relativ. Es ist relativ spät.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Der Kommentarraum unter dem Original ist bereits geschlossen. Daher hier kurz.



      Peter Harry war sogar selbst in einer der fragwürdigen Verbindungen. Bei 1:07 (www.youtube.com/watch?v=uXi2RL3tLUw) sagt er tatsächlich, er sei im Coburger Convent gewesen. Das war schon ein Vogel!

  • Olaf Scholz ist halt Jurist, Politiker und Interessenvetreter. Aber nicht fürs Volk. In der Sache auch keinen blassen Dunst. Die perfekte Laberbacke. Aber jedes Volk bekommt die Regierung, die es verdient. Das Volk will beruhigt werden. Das geht nur mit Sprüchen und ungedeckte Wechseln auf die Zukunft.

  • Interessant, dass sich Herr Jung von der CDU für die Abschaffung des Sektorziels beim Verkehr interessiert. Er tut ja so, als sei eine Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehr tatsächlich ein Anliegen für die CDU.

    Wir wissen aber natürlich, dass CDU und FDP da voll auf einer Linie liegen und sie auf Teufel komm raus positive Entwicklungen verhindern wollen. Wie das halt so ist, wenn man den Automobilherstellern quasi gehört und die eigene Wählerschaft die Oberklassefahrzeuge fährt und als Distinktionsmerkmal schätzt. Insofern: Rührender Versuch, Herr Jung, aber doch sehr unglaubwürdig.

    • @Bussard:

      Die CDU hatte an den Sektorzielen selbst noch mitgearbeitet, was dachtest du woher die kommen? Und ich bin nicht mal sicher, ob Herr Jung da schon nennenswert involviert war. Der natürlich auch als Unionspolitiker eine eigene Meinung haben darf, als Abgeordneter sogar haben muss, und von Klima- und Energiepolitik versteht der weit mehr als die Meisten im Bundestag, Grüne selbstredend einschließlich. Ich nehme an dass er auch deshalb im Ggs. zu denen verstanden hat, dass das mit den Zielen im Prinzip ne gute Idee war. Und wenn sie dann schon abgeräumt werden, man sie wenigstens durch etwas hätte ersetzen müssen, das besser ist, wenigstens aber kein Rückschritt.

  • 🤦‍♀️

  • "und bleibt oft vage" ist wohl der wichtigste Satz ever. Was hat ein Jurist auch für Ahnung von Technik und Naturwissenschaften, wenn seine Vorgängerin, promovierte Physikerin - mehr geballte Wissenspower gibt es nicht - kläglich versagt hat. SOLAR abgewürgt, Wind ausgebremst und Putins Fossilien mit hunderten von Milliarden Euro zum Aufbau seiner immer noch maroden Miltiärmaschinerie blauäugig und wenig weitsichtig eingekauft. Kein Unternehmer, der selber haftet, kann es sich leisten, sich von einem Lieferanten, zumal einen egomanischen Kriegsverbrecher, überwiegend abhängig zu machen. Und wie so oft. Die Medien haben überwiegend versagt.