Ökoprojekt Komposttoiletten: Die Scheiße soll aufs Feld
Komposttoiletten gelten schon lange als Alternative zu Spülklos. Eine neue Richtlinie könnte helfen, menschliche Fäkalien als Dünger zu nutzen.
Zugleich gibt es auch in Deutschland aber immer mehr Menschen, die mit Trockentoiletten experimentieren. Meist, weil sie an Orten ohne Wasseranschluss eine Alternative zum Spülklo suchen, manchmal aber auch, weil sie die Fäkalien nutzbar machen wollen. Ökologische Festivals etwa mieten gerne Komposttoiletten von Betreibern wie Goldeimer, Ökolocus, Goldgrube oder Finizio. Die mobilen Klos benötigen nur Sägespäne, kein Wasser, keine Chemie. Trotzdem kann der anfallende Kompost nur sehr eingeschränkt verwertet werden.
Ab wann ist „Scheiße“ rein rechtlich betrachtet nicht mehr selbige, sondern Dünger, fragt man sich deshalb etwa bei Goldeimer. Enno Schröder ist bei dem Hamburger Sozialunternehmen für „Forschung und Entwicklung“ zuständig. Er hält es für möglich, dass menschliche Fäkalien bis zu 25 Prozent der derzeitigen Düngemittelmenge ersetzen könnten. Ökolandbauern hätten bereits Interesse angemeldet. Allerdings sind die technische Machbarkeit und damit der Kostenpunkt für ihn noch unklar.
Experten wie Joachim Clemens, Geoökologe und Mitglied im Kompetenzzentrum für Düngung und Sekundärrohstoffe, halten Düngemittel menschlichen Ursprungs heute prinzipiell für eine gute Idee – wenn man Kot und Urin sauber trennt. „Urin enthält viele mineralische Nährstoffe, Fäkalien eher organisch gebundene Nährstoffe“, sagt Clemens. Das ökologische Potenzial sei hoch.
„Seuchenhygenisch“ nicht unbedenklich
Ein Problem sind jedoch die rechtlichen Hürden. „Menschliche Exkremente sind über den Abwasserpfad oder als Restabfall zu entsorgen“, erklärt Christopher Stolzenberg vom Bundesumweltministerium. Laut Agrarministerium kommt eine Nutzung als Dünger erst dann in Betracht, wenn diese „zulässig und sinnvoll“ sei. „Insbesondere im Hinblick auf die seuchenhygienische Unbedenklichkeit, auf menschliche Keime und Krankheitserreger bezogen, sowie enthaltene Arzneimittelrückstände und Hormone“ sei eine schadlose Verwertung aber nicht möglich, betont Stolzenberg.
Goldeimer-Mitgründer Enno Schröder verweist auf eine Risikoanalyse des Deutschen Instituts für Normung. Der zufolge gebe es „vielfache, bereits technisch ausgereifte und etablierte Verfahren“, mit denen sich mögliche Erreger beseitigen ließen.
Außerdem erschien am 1. Dezember eine DIN-Richtlinie, die erstmals Qualitätstandards für die landwirtschaftliche Nutzung menschlicher Fäkalien festlegt. Auf dieser Grundlage können Kompostierverfahren für Exkremente nun auf ihre Unbedenklichkeit hin überprüft werden. Einige in der Branche sehen sie als Meilenstein, um menschliche Fäkalien künftig stärker nutzbar zu machen
Weiter erforscht werden muss vor allem der Umgang mit Arzneimittelrückständen. Schröder geht davon aus, dass die Kompostierung effektiver hilft als eine Kläranlage. Um das zu beweisen, hat die Goldeimer-Partnerfirma Finizio einen auf drei Jahre angelegten Feldversuch begonnen.
Unterschiedliche Messlatten
Weshalb aber dürfen Gülle, Jauche und Schlachtabfälle trotz umfangreichem Einsatz von Medikamenten- und Hormonpräparaten in der konventionellen Landwirtschaft auf den Acker? Dass es bei menschlichen Verdauungsprodukten so viel größere Bedenken gibt als bei tierischen Ausscheidungen, liegt laut Landwirtschaftsministerium an unterschiedlichen Richtlinien. Allerdings zeigte eine Greenpeace-Recherche erst kürzlich wieder, dass multiresistente Keime und Antibiotikarückstände auch in tierischem Dünger immer noch ein echtes Problem sind.
Auch im Vergleich zu Kunstdünger sei der menschliche Kompostdünger vorzuziehen, meint Schröder. „Stickstoffdünger werden energieintensiv und klimaschädigend unter Nutzung fossiler Ressourcen erzeugt.“ Phosphordünger würden vor allem in Bergwerken in Nordafrika oder China abgebaut und seien mit Schwermetallen wie Cadmium oder Uran belastet.
Der kompostierte Kot beinhalte dagegen organische Substanzen in Form von Humus, der „definitiv auch noch klimarelevant“ sei. Während bei nicht fachgerechter Anwendung von konventionellem Dünger klimaschädliches Lachgas entweichen kann, hilft Humus, CO2 im Boden zu binden.
Trotzdem wird die Zulassung voraussichtlich noch einige Zeit dauern. Hier müsse der Bundesrat zustimmen. Und das, heißt es aus dem Agrarministerium, sei derzeit unwahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung