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Ökonomen korrigieren WirtschaftsprognoseKaum Wachstum in diesem Jahr

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute legen ihr Frühjahrsgutachten vor. Sie gehen davon aus, dass sich die Konjunktur erst nächstes Jahr erholt.

Ganz so düster ist es gar nicht – im nächsten Jahr soll es wieder besser werden Foto: Florian Gaul/imago

Berlin taz | Führende Forschungsinstitute haben ihre Prognose für die deutsche Wirtschaft stark nach unten korrigiert. Sie erwarten für das laufende Jahr nur noch ein minimales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,1 Prozent. Das geht aus dem Gemeinschaftsgutachten vom RWI Essen, Ifo-Institut München, IfW Kiel, IWH Halle und DIW Berlin für die Bundesregierung hervor. Im Herbst waren sie noch von einem Wachstum von 1,3 Prozent für 2024 ausgegangen. Im Jahr 2023 war das BIP um 0,3 Prozent geschrumpft.

„Die deutsche Wirtschaft ist angeschlagen“, sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel am Mittwoch in Berlin. „Zwar dürfte ab Frühjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik dürfte aber insgesamt nicht allzu hoch ausfallen.“ Die Ökonomen sind im Herbst davon ausgegangen, dass hohe Auftragsbestände in der Industrie stärker tragen als das der Fall war. Die Exporte haben sich schwächer entwickelt als erwartet. Auch habe ein stark erhöhter Krankenstand die Wirtschaft belastet. Für 2025 gehen sie bislang von einem Wachstum von 1,4 Prozent aus.

Für die Lage machen die Ökonomen auch die Bundesregierung verantwortlich. Ihr unklarer Kurs verunsichere Investoren. „Das Problem der Bundesregierung ist vermutlich, dass sie in sich keinen Konsens über die Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik hat“, sagte Kooths. Damit spielte der Ökonom auf den ständigen Streit in der Ampel über die Wirtschafts- und Finanzpolitik an.

Eines der großen Probleme ist der Fachkräftmangel. Die Anreize für die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften müssten besser werden, forderte der Ökonom. Deutschland befinde sich im weltweiten Wettbewerb um Talente. „Ohne deutliche Zuwächse bei der qualifizierten Zuwanderung werden die Probleme noch größer“, sagte er.

Wirtschaft fordert Aufbruchsignal

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bemühte sich um eine positive Sicht der Dinge. „Die Wirtschaftsforschungsinstitute sehen einer allmählichen Erholung entgegen, die aber nach ihrer Einschätzung erst im kommenden Jahr Fahrt aufnehmen wird“, kommentierte er die Prognose. „Wichtig ist jetzt, dass die Investitionszuversicht der Unternehmen in ganzer Breite neu zu wirken beginnt.“

Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen dafür gut. Die Energiepreise und Inflation hätten sich beruhigt, die Regierung arbeite am Bürokratieabbau und die Energiewende komme voran. „Ganz wichtig: Die Einkommen der Menschen steigen wieder merklich“, sagte er. Das Wachstumschancengesetz zur Entlastung von Unternehmen, das vor kurzem den Bundesrat passiert hat, könne jetzt wirken. „Und ich habe immer gesagt, das Gesetz war nur ein Anfang. Notwendig sind weitere Wachstumsimpulse, daran arbeiten wir in der Regierung“, sagte er.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist nicht so optimistisch. Dass die Stimmung in der Wirtschaft weiter schlecht sei, habe Gründe, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben: „Die Energiekosten sind noch immer deutlich höher als in anderen Industrieländern.“ Hinzu kämen hohe Bürokratiekosten, der sich verschärfende Fachkräftemangel und geopolitische Unsicherheiten, die den Export belasten.

Wansleben forderte ein „Aufbruchsignal“ für die Wirtschaft, etwa durch die Einführung einer Investitionsprämie für Klimaschutzmaßnahmen oder die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der nur noch für sehr hohe Einkommen erhoben wird. „An konkreten Vorschlägen mangelt es nicht“, sagte er. „Es mangelt an der Umsetzung.“

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19 Kommentare

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  • merz hat erreicht was er wollte.



    Durch Verfassungsklage Wirtschaftsimpulse verhindern in Zeiten dringend notwendiger Investitionen für die Energiewende.



    Dann kann man der Ampel schön vorwerfen, dass sie Schuld an schleppendem Wirtschaftsumbau und geringem Wachstum sind. Perfekt.



    Ohne ethische Grundwerte läuft's für die €DU. Auf Kosten aller.

  • Es läuft doch super!

    Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung sind aneinander gekoppelt. Die jetzigen Zahlen sind ein Gewinn für die Umwelt.

  • Der Kaufkraftverlust von 2022 auf 2023 war höher als die Lohnerhöhungen, das wurde hier nicht weiter erwähnt. Gleichzeitig gibt es viele Arbeitnehmer, die gar keine Lohnerhöhungen erhalten, die haben seit 2022 viel verloren, die sparen, kaufen notgedrungen weniger. M.M. setzt auch diese Regierung auf den Export bzw. eine positive Handelsbilanz.

    Dass dieser Weg sich rächen kann, ist lange bekannt, auch die Binnennachfrage muss stimmen, was sie aber nicht tut. Es fehlen z. B. Wohnungen in Deutschland, diese jetzt zu bauen, würde Sinn ergeben.



    Nur wird das diese Regierung nicht machen, eine CDU-geführte Regierung wird es auch nicht tun, deswegen wird es einen massiven Mangel an Wohnraum geben.

    Da liegt m.M. das Problem: Die Regierung agiert an Bedürfnissen vorbei und hofft auf Exporterlöse. Das Ausrüstungsprogramm bringt eine hohe Schuldenlast bei Anforderungen der Schuldenbremse, jetzt stagnieren sogar noch die Steuereinnahmen, eigentlich müsste der Staat jetzt Steuern erhöhen.

    Ich bin pessimistisch, dass Wachstum, sinnvolle politische Ziele und handelspolitische Ziele sinnvoll verbunden werden.

    Es wird immer extremer und das bedeutet, eine Zunahme der armen Bevölkerung und eine weitere Entwertung der Lohnarbeit.

  • taz: "Kaum Wachstum in diesem Jahr"

    Sollte man darüber nicht eher erfreut sein? Wohin hat uns denn das Monopolyspiel (Wirtschaftswachstum) der Reichen und Mächtigen gebracht? Das Krebsgeschwür der Welt heißt Wirtschaftswachstum (das ungebremste Wachstum schädigt unsere Ressourcen) und die Auswirkungen sind Umweltverschmutzungen und ein Klimawandel der immer mächtiger wird. Der Club of Rome hat vor 50 Jahren seinen Bericht *Die Grenze des Wachstums* veröffentlicht, aber in den letzten 50 Jahren hat das niemanden interessiert. Solange der Klimawandel nicht die wahren Verantwortlichen packt und durchschüttelt, wird sich nichts ändern, denn "Geld verdienen" (Manager) oder mit "Geld spielen" (Ökonomen) macht diesen Leuten mehr Spaß, als den Planeten für ihre und auch unsere Kinder und Kindeskinder nicht weiterhin zu zerstören.

    taz: "Eines der großen Probleme ist der Fachkräftemangel. Die Anreize für die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften müssten besser werden, forderte der Ökonom."

    Wir haben keinen Fachkräftemangel. Wenn man allerdings viele Fachkräfte aus dem Ausland holt, dann kann man den Lohn wieder drücken - und das ist wohl genau das, was der Ökonom fordert. Hans-Werner Sinn (ehemaliger ifo-Präsident und Berater bei den Hartz-Reformen) sagte einst: "Jeder will arbeiten, es gibt aber nicht genug Arbeit. Und warum gibt es nicht genug Arbeit? Weil der Lohn zu hoch ist." Das 'Sprachrohr' der Reichen sagte es ja schon vor Jahren unmissverständlich, denn das ist es nämlich, was die Reichen und Mächtigen anstreben - noch mehr billige Lohnarbeiter die sich um schlecht entlohnte Arbeitsplätze "prügeln", damit die Reichen mit deren Arbeitskraft noch reicher werden können. Deshalb schimpft man ja auch auf die Ampel, denn mit einem 'BlackRock'-Kanzler können die Manager und Ökonomen noch mehr klimaschädliches Wirtschaftswachstum spielen - denn ein Spiel ist das doch schon lange. Wir haben nämlich keinen Mangel, höchstens einen Mangel an Intelligenz.

  • Die Wachstumsfixiertheit in Zeiten von Klimaerwärmung und Krieg ist wirklich verstörend.

    Wo bleibt da der gesunde Menschenverstand?

    Was wir brauchen ist eine Politik für Menschen, für Tierwohl, für den Schutz des Planeten.

    Das "Wachstum Wachstum" Mantra singen seltsamerweise immer nur alte, weiße Männer. Ob das tiefenpsychologisch irgendwie mit Errektionsfantasien zu tun hat? ;-)

    • @Goldi:

      Dass Wachstumsfantasien nur in den Köpfen alter Menschen verankert sind halte ich für ein Gerücht. Ich beobachte in meinem Umfeld bis auf wenige Ausnahmen das Gegenteil. Und dass Menschenverstand von Haus aus gesund sein soll stimmt ebenso wenig. Wäre er das, gäbe es manches Problem nicht.

    • @Goldi:

      Wachstum in BIP zu messen ist simpel wie simpel falsch. Wie schon unten beschrieben.



      Wir können ruhig etwas mehr Denkkomplexität wagen.

  • Läuft ja alles prima, dank der hervorragenden grünen Wirtschaftspolitik in Deutschland. Die Reduzierung der CO2 Emmissionen konnte im letzten Jahr dank wohlstandsfeindlicher und armutssteigernder Rezession rekordverdächtig gesenkt werden. Weitere Unternehmen wandern aus Deutschland ab (nun auch Stihl) und die 35 Stunden Woche könnte nun zum Vorbild für alle Arbeitsbereiche werden. Ich denke, wenn es so weiter geht, kriegt unsere derzeitige Regierung den Fachkräftemangel bald auch noch in den Griff, da die Fachkräfte dann aufgrund von Firmenabwanderungen gar nicht mehr in Deutschland benötigt werden.

    • @Klaus Kuckuck:

      Das Modell "Billig gedrückte Energie ersetzt unternehmerisches Hirn bei der Wertschöpfung" läuft nicht mehr. Das ist richtig.



      Gut auch, dass wir den Entzug von Putin-Dumping-Gas halbwegs hinbekommen haben.



      Ansonsten finden Sie Ihre Blase gerne unter A wie "Apokalyptiker". :-)

      • @Janix:

        Gründe für Billiggas aus Russland liegen zum einen in der durch Willy Brandt eingeleitetten sogenannten "Annäherung" und zum anderen nämlich genau in dem untauglichen Versuch der Quadratur des Kreises, aus Kohle und Atomstrom gleichzeitig auszusteigen. Beide Problemfelder tragen im Kern daher eine rot-grüne Handschrift. Eine Apokalypse sehe ich im Gegensatz zu Ihnen nicht. Die aus allen politischen Richtungen gewünschte positive Einflussnahme Deutschlands auf globale Armutsbekämpfung und Konfliktlösung sehe ich allerdings bei einer Fortsetzung dieser Politik schwinden.

  • Hier vielleicht eine Binse, doch man kann es fast nicht häufig genug wiederholen.



    Bruttoinlandsprodukt ist eine Messgröße innerhalb eines schweren Kriegs: Wie groß ist der Kuchen, wie kann ich ihn verteilen?



    In normalen Zeiten ist es ein Alarmsignal, wenn wir jedes Jahr "mehr" glauben zu brauchen, um gleich glücklich zu sein. Würden wir endlich wieder sozialer verteilen und unsere angeblichen "Bedürfnisse" mit einer Prise coolen Stoizismus prüfen, könnten wir problemlos auf ein fast nachhaltiges Niveau - und das wäre Wachstum, nämlich in und mit dem ökologischen System, in dem wir Menschen ein Teil sind.

  • Was gut für's Portemonnaie ist, ist gut für die +Fast-) Wirtschaft!



    Da hat der Herr Wandleben wohl kurz Volkswirtschaft und persönliche Interessen verwechselt.



    Mag sein, dass die Abschaffung des Solidaritätzuschlags seinem Portemonnaie gut täte



    ( der arme Mann!), welche wirtschaftlichen Impulse daraus folgen, bleibt allerdings schleierhaft.



    Wer sich dann, im zweiten Satz, Subventionen wünscht, verkennt die Tatsache, dass dafür (Steuer-) Geld vorhanden sein müssen.



    Eigentlich sollte man/frau von einem Wirtschaftsvertreter mehr Fachkompetenz erwarten können, doch er teilt die Ansicht mit Vielen vom anderen Ende der politisch Aktiven :



    das Geld wächst auf Bäumen!

  • es geht immer aufwärts und falls die Zahlen einmal etwas anderes sagen, dann bestimmt nächstes Jahr, ganz sicher...



    Diese Prognosen sind so aussagekräfig wie ein Frosch im Glas zur Wettervorhersage, irgendwo habe ich mal eine Zusammenstellung der Vorhersagen gesehen, fast alle lagen falsch....

  • Die wichtigen Dinge waren zwischen den Zeilen zu erfahren: Der DAX ist auch deshalb so hoch, weil die dort vertretenen Unternehmen, auf die alle setzen, wenn sie andere Aktien abstossen und eintauschen. überwiegend ihre Umsätze und Gewinne außerhalb Deutschlands machen. Auch wenn die Anzahl der Arbeitenden noch nie so hoch war, das Gesamtlohnaufkommen, das die Binnennachfrage befördert, ist zurückgegangen. Die Unternehmen haben nicht investiert in neue, noch weniger Manpower einsetzende Produktivität, sonder versucht, über höhere Preise (in der Automobilindustrie um bis zu 30%) bestehende Anlagen schneller abzuschreiben und gleichzeitig trotz geringerer Stückzahl immer noch satte Gewinne machen können, was aber nur eine Frage der Zeit ist. Die Hoffnung, über ein höheres Lohnniveau, die Binnennachfrage zu befördern, ist nur eine Milchmädchenrechnung, weil es zu wenige betrifft und die Kluft zwischen arm und etwas reicher nur verschärft, wenn die prekär Lebenden noch weniger ausgeben können. Auch wenn es nur eine vorübergehende Wirkung haben kann: Wenn wir den kreativen Mittelstand in einer Ausrichtung auf den Binnenmarkt stärken, dort mehr Menschen zu fairen Löhnen in Arbeit bringen, fördert das mehr neue Entwicklungen, von denen mehr Menschen etwas langfristiger profitieren, was auch bisher unsere Stärke war, bevor das Großkapital es dazu nutzte, diese Patente global und außerhalb von Deutschland zu nutzen und einzusetzen. Schwerindustrie, Pharmaunternehmen mit hohem Rohstoffbedarf haben hierzulande keine Chancen, Wasserstoff ist viel zu teuer.



    Beschränken auf das Notwendige, Verzicht auf jeden CO²-verbrauchenden Luxus und die Nutzung der eigenen Ressourcen inkl. Sonne und Wind , DAS MUSS VERSTANDEN WERDEN, um für alle Auskommen und Überleben zu sichern! Frag doch mal die KI, solange sie noch kostenlos ist....

    • @Dietmar Rauter:

      richtig! nur in einem Punkt, ein gewisses Level an Schwerindustrie, Pharmaunternehmen, Wasserstoff müssen aus strategischen Gründen im Land bleiben.

      • @nutzer:

        Das sehe ich auch so, aber eben nicht bezogen auf den Weltmarkt, sondern zur 'Selbstversorgung', weil wir uns immer weniger Importe leisten können. Die Wirtschaftsleistung muss hierzulande allen dienen und nicht den Couponschneidern weltweit.

  • Ich denke dass wir diese Dichotomie Wachstum vs Rezession dringend verlassen nüssen, da wir mit dem konsumgetriebenen Wachstum unsere Lebensgrundlagen zerstören und überall auf der Welt Mitmenschen ausbeuten

  • Wir werden uns von dem wachsen verabschieden müssen. Mehr Wachstum heißt auch mehr Verbrauch. Und ist es ein Ziel alle Verbrenner gegen Stromer auszutauschen? Das hat dann aber nichts mehr mit Umweltpolitik zu tun.

    • @Ernie:

      Ohne Wachstum sind ja so Kleinigkeiten wie unser Rentensystem nicht mehr finanzierbar. Wir kommen schon bei Nullwachstum an den Rand einer existentiellen Krise. Die Populisten scharren bereits eifrig mit den Füßen. Wir können uns nicht vom Wachstum verabschieden, weil uns sonst die ganze Gesellschaftsordnung um die Ohren fliegt und die Menschen dann den Rattenfängern hinterherlaufen. Das mag vielleicht bedauert werden aber bitte nicht die Augen vor der Realität verschließen. Das endet sonst bekannterweise immer in totalen Katastrophen.