Neue Vermögensstudie: Der Duft von Geld
Eine Statistik zeigt, dass deutsche Milliardäre wohl um 500 Milliarden Euro vermögender sind als gedacht. Zeit, dass der Staat die Fakten herausgibt.
U ps! Eine Statistik des Netzwerks Steuergerechtigkeit und der Hans-Böckler-Stiftung des DGB zeigt, dass deutsche Milliardäre wohl um 500 Milliarden Euro vermögender sind als angenommen. Diese Fehleinschätzung basiert nicht auf dem Rechenfehler eines Pisa-Erprobten. Dass diese Summe der öffentlichen Wahrnehmung durch die Lappen ging, liegt daran, dass unsere „Reichenlisten“ bisher nicht vollständig waren. Denn mindestens 11 Milliardäre kamen in diesen Listen, die unter anderem im Manager Magazin publiziert wurden, nicht vor. Unter anderem, weil sie sich erfolgreich rausklagten.
In den vergangenen zwei Wochen gerieten Reiche auch aus anderen Gründen in die Schlagzeilen. Duft-Influencer und Millionär Jeremy Fragrance können manche nicht mehr ganz so gut riechen, seit er am Wochenende Werbung für Rechtsextreme auf Instagram machte. Anderen verdirbt die braune Soße den Erdbeergeschmack. Zumindest forderten manche den Müllermilch-Boykott, nachdem Unternehmenschef Theo Müller Anfang Dezember gegenüber dem Handelsblatt Kontakte zur AfD einräumte.
Beide Fälle werfen Licht auf einen Aspekt, der in der Debatte über Vermögensverteilung ebenso diskutiert gehört wie die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Nämlich dass Vermögen Einfluss auf Politik und ihre Interessenträger:innen ermöglicht. Denn wer im Wahlkampf wie viel Geld zur Verfügung hat, ist wesentlich von Parteispenden abhängig. Zwar spendeten weder Fragrance noch Müller, doch wenn sie wollten, könnten sie das unbegrenzt. In Deutschland gibt es für Parteispenden keine Obergrenze.
Von Milliardärsspendern ist wohl deswegen eher selten die Rede, weil eher über Umwege Finanzspritzen gegeben werden – zuletzt im Fall der AfD. Im Jahr 2020 musste die Partei eine halbe Million Euro Strafe zahlen, als unter anderem bekannt wurde, dass der Duisburger Immobilienmilliardär Henning Conle seine Spende an die AfD verschleiert hatte. Eine Schweizer Firma hatte für ihn über 100.000 Euro an die Partei überwiesen.
Mitunter kommt das Geld tatsächlich aus der Schweiz. Aus dem Umfeld des Schweizer Milliardärs Christoph Blocher, der hinter der rechtspopulistischen SVP steht, flossen über Umwege nicht nur Spenden an die AfD, sondern auch an die FPÖ und den Rassemblement National.
Vermögensverhältnisse werden verschleiert
Doch nicht nur Spenden sind ein Weg für Superreiche, Politik zu machen. Bei den Donald Trumps dieser Welt führt der Weg direkt ins Parlament. Eine Studie des Fachmagazins Perspectives on Politics zeigte im Oktober, dass weltweit durchschnittlich 11 Prozent der Milliardäre politisch engagiert sind oder bereits ein Amt innehaben. Wenig überraschend meist im rechtskonservativen Spektrum. Wer viel Vermögen hat, macht tendenziell rechte Politik. Das ist nicht verwunderlich, sind es doch konservative Parteien, die die Vermögensverhältnisse aufrechterhalten. Und dazu gehört, sie zu verschleiern.
Alles Mögliche müssen wir dem Staat melden – Wohnort, Alter, Geschlecht –, nur den Kontostand nicht. Vermögen gilt immer noch als Privatsache. Sogar 500 Milliarden Euro. Dabei wäre das Wissen darüber, wie das Vermögen verteilt ist, die Grundlage für eine politische Debatte darüber.
Solange der Zugriff auf dieses Wissen von der Initiative privater Akteur:innen abhängig ist, bleibt die politische Diskussion eine Scheindebatte. Um sie glaubwürdig zu führen, müsste die Politik erst Fakten schaffen. Das wäre gar nicht schwer. Der erste Schritt wäre eine amtliche Vermögensstatistik. Klingt zwar nicht so dufte wie „Fragrance“ – ist es aber.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball