Klimarisiken in Deutschland: 1,5-Grad-Ziel? Schon verfehlt
Die Bundesregierung warnt vor Klimawandelfolgen in Deutschland. Die Liste ist lang: weniger Regen, mehr Hitze, Starkregen, Dürre, Krankheiten.
Es ist nur eine der vielen Folgen, die Erwärmung, Trockenheit, Meeresveränderungen und Wetterkapriolen in Folge der Erderhitzung schon haben und in Zukunft haben werden. So steht es in der „Klimawirkungs- und Risikoanalyse“ des Bundes, die am Montag vorgestellt wurde.
In Deutschland geht die Erhitzung bisher sogar schneller als im weltweiten Schnitt. Um 1,6 Grad ist die Mitteltemperatur seit 1881 nach Messungen des Deutschen Wetterdienstes gestiegen, weltweit sind es bisher 1,1 Grad. Hitzetage mit mehr als 30 Grad Celsius sind seit 1951 dreimal so häufig, die Vegetationsperiode beginnt 3 Wochen früher als früher.
Was diese Entwicklungen für das Land bedeuten, haben 25 Behörden aus 9 Ministerien zusammengetragen – und auch, wie sich die Betroffenen auf die Veränderungen einstellen können. Dabei schreiben sie die heutigen Trends mit jeweils positiven und negativen Annahmen bis 2050 und 2100 fort: Je nachdem, ob Klimaschutz und -anpassung ernsthaft betrieben werden oder eben nicht. Die Nachrichten sind seit der ersten Risikoanalyse 2015 nicht besser geworden: Die weltweite CO2-Konzentration steigt, und „bei knapp der Hälfte der Klimawirkungen und der Handlungsfelder hat sich das bewertete Risiko erhöht.“
Am meisten gefährdet sind demnach die Bereiche Landwirtschaft, Forst, Küsten und Fischerei, Wasserhaushalt und menschliche Gesundheit. „Wir haben gelernt, wie fundamental Gesundheit der Ökosysteme mit unserer Gesundheit zusammenhängt“, sagte Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts, das den Bericht koordiniert hat. Als größte Risikofaktoren listet der Bericht auf: extreme Hitze, dann Trockenheit, stetig steigende Temperaturen, Starkregen und gleichzeitig den Rückgang der Niederschläge und schließlich Starkwind.
Die Risikoanalyse warnt vor über 100 Wirkungen des globalen Klimawandels. So wird als Beispiel der Meeresspiegel in der Deutschen Bucht bis 2050 im Schnitt um 32 Zentimeter steigen, Starkregen kann Abwassersysteme überlasten, die Binnenschifffahrt wird durch versiegende Flüsse eingeschränkt. Hitze im Sommer gefährdet Gesundheit und Arbeitsleistung, unterbrochene Handelsketten könnten den Nachschub von Baumwolle, Kautschuk, Kaffee, Tee und Mate (!) auf sich warten lassen. Ernteausfälle werden wahrscheinlicher, Schäden an Gebäuden nehmen zu, der Wald wird aufwendig umgebaut, invasive Pflanzen und tropische Krankheiten breiten sich aus.
Unterscheidung nach Regionen
Auch regional gibt es Unterschiede, zeigt die Analyse. An den Küsten wird es leicht wärmer und es regnet mehr. Im Osten und der Mitte Deutschlands nehmen Trockenheit und Hitzestress zu, dann aber auch wieder Starkregen. Der Westen und der äußerste Osten heizen sich am meisten auf, im Winter werden die Regionen deutlich nasser. Von Baden-Württemberg bis Sachsen ist mit höheren Temperaturen und weniger Niederschlag zu rechnen. In den Mittelgebirgen und Alpen drohen nassere Winter und trockenere Sommer, es fällt weniger Schnee.
Was tun? „Die wichtigste Vorsorge ist entschlossener Klimaschutz“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Für die nicht vermeidbaren Folgen brauche es aber auch „umfassende Vorsorge“: Mehr Bäume in den Städten, mehr Grün auf den Dächern, mehr Raum für Flüsse. „Das muss schnell gehen, denn viele Maßnahmen brauchen Zeit, bis sie wirken“, so Schulze.
Der Bericht diagnostiziert gleich 32 „sehr dringende Handlungserfordernisse“, etwa bei Bodenerosion, Feuchtgebieten, Waldbrandgefahr oder Schutz vor Hochwasser. Als Gegenmittel gelten eine Landwirtschaft mit anderen Fruchtfolgen oder Versicherungen gegen Ernteausfall. Wenn schnell gehandelt werde, könnten die schlimmsten Veränderungen vermieden oder vermindert werden, heißt es.
„Zum Ende des Jahrhunderts könnten einige Risiken in Deutschland so stark ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorgemaßnahmen reduziert werden können“, sagte UBA-Chef Messner, „Wir müssen jetzt handeln.“ Dazu gehören für ihn die Renaturierung der Flussauen, weniger Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft und begrünte Städte. Messner: „Landschaften und Städte müssen wir so umbauen, dass sie sich ohne Schäden wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugen und es wieder abgeben können“.
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