Neue Studie des Umweltverbands ICCT: Abwrackprämie wäre effektiv, aber teuer
Eine Abwrackprämie könnte den Autoverkehr klimafreundlicher machen. Maßnahmen vor der Zulassung neuer Autos fänden die Forschenden aber noch besser.
Der breiten Öffentlichkeit war die Abwrackprämie wohl spätestens ein Begriff, als Thomas Gottschalk sie in der Fernsehshow „Wetten, dass …?“ mit doppeltem Zuschlag anbot. Damals, 2009, hat ein Bagger vor dem ZDF-Fernsehstudio Autos von Zuschauenden verschrottet. Eine große Bühne für eine wirtschaftliche Maßnahme, die allerdings aus umweltpolitischer Sicht stark kritisiert wurde. Denn die Verschrottung der alten Pkw sollte lediglich zum Kauf neuer Verbrenner anregen.
Eine Studie des Umweltverbands International Council on Clean Transportation (ICCT) zeigt nun jedoch, dass auch eine klimafreundliche Abwrackprämie möglich wäre. Laut ICCT könnte sie CO2-Emissionen wirksam reduzieren und die Luftqualität verbessern. „Entscheidend wäre, wie die Prämie konkret gestaltet ist“, sagt Peter Mock, Geschäftsführer von ICCT Europa. Es dürfe nicht darum gehen, einfach willkürlich alle Verbrenner zu schrotten. Wichtig sei, vor allem Dieselfahrzeuge möglichst schnell von den Straßen zu holen.
Die Autor*innen der Studie haben untersucht, ob eine Abwrackprämie die sogenannte Klimalücke reduzieren könnte. Also den Abstand, der sich zwischen den angestrebten CO2-Zielen und den tatsächlich ausgestoßenen Emissionen voraussichtlich ergibt. Für 2030 prognostiziert Mock diesen Abstand aktuell auf 34 Megatonnen CO2.
Die Studie ergibt, dass eine Abwrackprämie die Klimalücke um etwa ein Drittel verkleinern könnte. Die Forschenden entwerfen dafür ein konkretes Modell: Alle Dieselfahrzeuge, die mindestens 15 Jahre alt sind und alle Benziner im Alter von mindestens 25 Jahren würden verschrottet, die Besitzer*innen bekämen 80 Prozent des Restwertes ihres Fahrzeugs erstattet und stiegen anschließend auf emissionsfreie Mobilität um.
Lieber vorher intervenieren
Trotzdem wirbt Mock nicht direkt für eine Abwrackprämie, denn die wäre sehr teuer. Die Kosten lägen ihm zufolge bei etwa 35 Milliarden Euro, allerdings würde die Prämie gleichzeitig rund 50 Milliarden Euro einsparen, zum Beispiel durch die Reduktion von Feinstaub, Stickoxiden und CO2.
Sinnvoller wäre dennoch, zu intervenieren, noch bevor Autos überhaupt auf die Straße kommen, meint Mock – beispielsweise durch strenge CO2-Standards bei Neuwagen. Oder durch eine Kfz-Steuer, die Käufer emissionsreicher Autos belastet und die emissionsarmer Fahrzeuge entlastet. Das wäre effektiver und günstiger als eine Abwrackprämie.
So ein System befürwortet auch Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. „Der Gewinn aus so einer Kfz-Steuer könnte dann zum Beispiel Ladestrom für E-Autos bezuschussen“, sagt Bratzel. Er gibt zu bedenken, dass eine einmalige Abwrackprämie die Nachfrage nach klimafreundlicheren Transportmitteln nur kurz in die Höhe treiben würde.
Die SPD hatte Ende September eine Abwrackprämie für Verbrenner vorgeschlagen. Das Bundesverkehrsministerium schreibt der taz, dass eine Abwrackprämie aktuell aber nicht geplant sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen