Nennung der Nationalität durch Polizei: FDP will Täter-Herkunft wissen
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai will, dass die Nationalität von Verdächtigen in Polizeimeldungen auftaucht. In NRW hat die CDU das schon beschlossen.

Djir-Sarai begründete seinen Vorstoß damit, dass die Behörden der Wahrnehmung entgegentreten müssen, „dass Probleme unter den Teppich gekehrt werden“. Das „ehrliche Benennen von Ausländerkriminalität“ sei notwendig, um „die bestehenden Herausforderungen entschlossen anzugehen und das Thema nicht den Populisten zu überlassen“. Beim NRW-Innenministerium klang das Anfang letzter Woche ganz ähnlich: Die Polizei wolle „Spekulationen vorgreifen sowie dem Vorwurf, etwas verschweigen zu wollen, entgegentreten“.
Bisher sind die Pressestellen der Polizei angehalten, die Nationalität der Tatverdächtigen nur dann zu nennen, wenn diese für die Tat relevant ist. Damit folgen sie dem Pressekodex des Deutschen Presserats. Darin heißt es: „Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“ Es sei „zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ Es ist zu erwarten, dass die Nennung der Nationalität aus den Polizei-Pressemeldungen von zahlreichen Medien übernommen wird.
Unterstützung für Djir-Sarai kam am Sonntag von CDU und CSU. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte, es sei „sinnvoll und notwendig“, die Nationalität von Tatverdächtigen zu nennen. Das sei „ganz im Sinne von Transparenz und Glaubwürdigkeit“. Was die Medien dann daraus machten, sei diesen überlassen.
Grüne und SPD schweigen
Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Martina Renner, kritisierte den Vorstoß dagegen: „Die Kriminalitätsforschung weist seit Jahren darauf hin, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Kriminalität und Herkunft gibt“, sagte sie. „Wenn man schon Risikofaktoren, die Kriminalität wahrscheinlicher machen, nennen wollte, dann müssten es Armut, Bildung und soziale Kontexte sein.“ Aus der Grünen-Fraktion wollte sich am Sonntag auf Nachfrage der taz niemand äußern. Auch aus der SPD-Fraktion gab es auf Anfrage zunächst keine Reaktionen.
Hintergrund der Debatte ist die Kriminalitätsstatistik 2023, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im April vorgestellt hatte. Demnach wurden im vergangenen Jahr in 41 Prozent der Fälle ausländische Personen als Tatverdächtige ermittelt – ein deutlich höherer Anteil als zuvor. Auch wenn Straftaten herausgerechnet werden, die nur Ausländer*innen begehen können, etwa „unerlaubter Einreise“, bleibt es bei einem Anstieg sowohl bei der Zahl der Taten als auch bei deren Anteil am gesamten erfassten Kriminalitätsgeschehen.
Für diese Entwicklung gibt es mehrere Erklärungen: Zum einen stieg die Zahl der Ausländer*innen in Deutschland zuletzt deutlich, insbesondere durch die Ankunft von rund einer Million Ukrainer*innen seit 2022. Außerdem vereinen Ausländer*innen oft verschiedene Merkmale auf sich, die das Risiko erhöhen, Täter*in oder Betroffene*r von Kriminalität zu werden: Sie sind öfter arm, haben teils auf der Flucht Gewalterfahrung gemacht und leben nun in Deutschland oft in prekären Verhältnissen, etwa Sammelunterkünften im Falle von Asylbewerber*innen.
Laut Kriminalitätsstatistik stieg auch die Gesamtzahl aller erfassten Straftaten. Dies wird von Expert*innen mit der massiven Inflation 2022/23 und einem „Nachholeffekt“ nach Ende der Coronapandemie erklärt.
SPD und Grüne leiteten aus den Zahlen vor allem Forderungen nach konsequenter Strafverfolgung ab. Unionspolitiker*innen dringen seitdem aber noch einmal vehementer auf eine Begrenzung von Migration – de facto die Abwehr von Geflüchteten – sowie auf mehr Abschiebungen. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte, über mehr Kontrolle bei der Zuwanderung zu diskutieren.
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