Nahost-Konflikt in Berlin: Freies Palästina verboten

Polizei und Politik gehen hart gegen jede Form von Palästina-Solidarität vor. Demos, Pali-Fahnen und -tücher werden verboten – auch auf Schulhöfen.

Pilzisten in Uniform

Auch am Freitagabend verhinderte die Polizei propalästinensische Proteste in Berlin-Neukölln Foto: Christian-Ditsch.de

BERLIN taz | Auch auf den Straßen Berlins war der Krieg in Israel und Gaza am Wochenende wieder spürbar. Dabei wird immer offenkundiger, dass Palästina-Solidarität in jeglicher Form durch Polizei und Politik unterbunden werden soll und als vermeintliche Verherrlichung des Hamas-Terrors verstanden wird.

So kursieren auf X, ehemals Twitter, mindestens zwei Videos, die zeigen, wie die Polizei am Samstag gegen Männer vorgeht, die in Neukölln eine Palästina-Flagge zeigen. Dort hatten sich an der Kreuzung Sonnenallee/Reuterstraße am Nachmittag laut Polizei rund 150 Menschen versammelt. Nach Angaben eines dpa-Reporters riefen sie Slogans wie „Free Palestine“ und brannten Pyrotechnik ab. „Aus den einzelnen Gruppen wurden dann vereinzelt Palästinafahnen gezeigt und pro-palästinensische Ausrufe skandiert“, vermeldete die Polizei, eine Flasche sei geworfen worden. Man habe Freiheitsbeschränkungen durchgeführt und Platzverbote erteilt.

Zuvor war eine für Samstag angemeldete propalästinensische Demonstration des Vereins „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ verboten worden. Wie der Verein auf Facebook erklärte, habe sich daraufhin Vorstandsmitglied Iris Hefets mit einem Plakat auf den Hermannplatz gestellt, auf dem stand: „Als Jüdin und Israelin: stoppt den Genozid in Gaza“. Die Polizei habe ihr das mit Verweis auf ein Versammlungsverbot untersagen wollen, heißt es weiter in dem Post, Hefets habe aber darauf bestanden, „dass sie als Einzelperson das Grundrecht der freien Meinungsäußerung hat“. Darauf hätten sie die Po­li­zis­t*in­nen zunächst in Gewahrsam genommen, später jedoch zurück an den Hermannplatz begleitet, wo sie dann ungestört ihr Schild hochhalten konnte.

Eine weitere Palästina-Soli-Demonstration am Brandenburger Tor am Samstagnachmittag mit rund 50 Personen wurde laut RBB ebenfalls von der Polizei aufgelöst. Laut dem Sender erklärte die Polizei, die Menschen seien zu einer Demonstration erschienen, die vom Veranstalter um eine Woche verschoben worden sei.

Unterdessen kritisierte der Neuköllner Bezirksverordnete der Linkspartei Ahmed Abed in einem Post auf X das Verbot des Palästinensertuchs auf Berliner Schulhöfen. Er veröffentlichte am Freitag einen Brief – offenkundig von einer Schulleitung an Eltern – über eine entsprechende Anweisung der Senatsverwaltung für Bildung. Danach sei in Schulen nicht nur die verbale Unterstützung der Hamas verboten sowie das Zeigen von Aufklebern mit „Free Palestine“, sondern auch das „sichtbare Tragen von einschlägigen Kleidungsstücken (z.B. die als Palästinener-Tuch bekannte Kufya)“. Abed kommentierte dies so: „Verbot von palästinensischer Kuffiye (Palituch) und Fahne in Berlin ist ein neuer Höhepunkt des staatlichen Rassismus in Deutschland.“

Ungestört von polizeilicher Intervention blieb eine Aktion am Samstagabend im Mauerpark. Dort kamen gegen 22 Uhr neun Personen zusammen, sie hatten sich über eine Chatgruppe verabredet. Bei der Aktion, die auch in anderen Städten stattfand, wurden Zettel auf Poller, Stromkästen und Mülleimer geklebt mit der Aufschrift „Kidnapped from Israel“, darunter jeweils ein Foto, Name und Alter von einem der vielen Jüd*innen, die von der Hamas als Geiseln genommen wurden. „Wir wollen damit auf die Situation der Geiseln aufmerksam machen, und auch Druck auf die Politik hier in Deutschland aufbauen“, erklärte eine junge Frau.

Während der Klebe-Aktion blieben drei junge Männer stehen und fragen, worum es gehe. Ihre Familie komme aus dem Libanon, sagten sie, ob denn das Unrecht an den Palästinensern nicht genauso groß sei. Die Verständigung war aufgrund von Sprachbarrieren schwierig. Als die drei jungen Männer begriffen, dass ihnen mehrheitlich Israelis gegenüberstanden, winkten sie ab, „dann hat es ja eh keinen Sinn“, sagte einer.

Viele Schriftzüge, Plakate und Transparente mit Palästina-Bezug im ganzen Stadtgebiet wurden am Wochenende von der Polizei entfernt, wie sie in einer Übersicht zu den Geschehnissen vom Wochenende berichtete. Unter anderem gab es „Farbschmierereien in Form eines Davidsterns“ in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, „israelfeindliche Plakate“ an der East-Side-Gallery, eine „antisemitische Schmiererei“ in Wilmersdorf.

Laut einem Post auf X von Anna Staroselski, Sprecherin der jüdisch-deutschen Werteinitiative, wurden am Freitag mehrere Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden in Berlin mit einem Davidstern „markiert“.

Der Neuköllner Bezirksverband der Linkspartei veröffentlichte am Samstag auf X eine Resolution, die versucht, beiden Seiten des israelisch-palästinensischen Konflikts gerecht zu werden. Man gedenke der Opfer in Israel und Palästina, heißt es dort. „Auch in Neukölln leben viele Menschen mit israelischen und palästinensischen Hintergründen; unsere Gedanken sind bei unseren Mitbürger:innen“. Die Terror-Akte der Hamas werden ebenso als „Kriegsverbrechen“ verurteilt wie das Bombardement und die Abriegelung von Gaza. Zudem kritisiert die Neuköllner Linke die „pauschalen Demonstrationsverbote im Zusammenhang mit der Palästina-Solidarität hierzulande und die daraus resultierende massive Grundrechtseinschränkung“. Politik und Medien wird vorgeworfen, „Menschen mit Migrationsgeschichte in Neukölln zu stigmatisieren und sie einer rassistischen Kampagne auszusetzen“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.