Nach Hirntod von Radfahrerin: Klimaproteste sollen weitergehen

Trotz des Hirntods einer Radfahrerin will die „Letzte Generation“ weitermachen. Die Rettung soll sich durch Blockade der Aktivisten verzögert haben.

Ein zerstörtes Fahrrad liegt am Unfallort auf der Bundeallee in Berlin.

Das Fahrrad der für hirntod erklärten 44-Jährigen in der Bundesallee Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Drei Tage nachdem eine Radfahrerin auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf von einem Betonmischer überrollt und lebensgefährlich verletzt wurde, ist die 44-Jährige für hirntot erklärt worden. Das teilte die Polizei am Donnerstag mit. Von einem Hirntod erholen sich nach bisherigen Erkenntnissen Betroffene nicht – unabhängig davon, welche Maßnahmen Me­di­zi­ne­r*in­nen ergreifen.

Laut Angaben der Feuerwehr hatten sich die Rettungsarbeiten am Montagmorgen um mehrere Minuten verzögert, weil ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, in einem Stau auf der Stadtautobahn stand. Dieser soll durch eine Blockade der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein.

Eine Sprecherin der Gruppe zeigte sich am Donnerstagnachmittag gegenüber der taz bestürzt über den Tod der Frau und wünschte den Angehörigen viel Kraft. „Es ist schlimm, wenn Menschen im Straßenverkehr zu Schaden kommen“, sagte Lina Johnsen. Trotzdem wollen die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen mit ihren Straßenblockaden weitermachen. „Wir machen das nicht leichtfertig und werden weiterhin friedlichen zivilen Widerstand leisten.“

Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und der Untätigkeit der Politik habe man keine andere Wahl. „Wir haben es mit anderen Protestformen versucht, aber keine andere erregt so viel Aufmerksamkeit wie Straßenblockaden“, so Johnsen. „Der zivile Widerstand auf der Straße wirkt.“ Dafür nehme man auch in Kauf, dass viele die Aktionen nicht gutheißen. Sobald die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen ergreife, um die Lebensgrundlage der Menschen zu sichern, werde die Gruppe „sofort aufhören“.

Mitschuld der Ak­ti­vis­t*in­nen soll geklärt werden

Ob die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen eine Mitschuld an dem tragischen Tod der Radfahrerin tragen, ist noch nicht geklärt. Die Polizei ermittelt gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Männer, die sich auf der A100 an einer Schilderbrücke festgeklebt hatten, wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Mit Sachverständigen soll nun der kausale Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden, heißt es von der Polizei.

Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, schrieb am Donnerstag auf Twitter: „Klima-Klebende tragen keine Schuld am Unfall. Ob schnellere Maßnahmen den Tod verhindert hätten, ist rein spekulativ.“

„Wir tun bei unseren Aktionen alles Mögliche, um die Sicherheit aller zu gewährleisten“, so Johnsen. So achte man bei Blockaden sorgfältig auf das Einhalten von Rettungsgassen. Ein Feuerwehrsprecher räumte ein, dass die Bildung einer Rettungsgasse angesichts der Größe des Fahrzeugs problematisch gewesen sei.

Rufe nach härterem Vorgehen gegen „Letzte Generation“
Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin

„Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“

Trotz der laufenden Ermittlungen werden die Rufe nach einem härteren Vorgehen gegen die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen immer lauter. „Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag. „Die Straftäter müssen schnell und konsequent verfolgt werden.“ Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hatte sich zuvor wiederholt gegen eine Einmischung in die Ermittlungen ausgesprochen. Die GdP forderte, juristisch ein Verbot der Gruppe „Letzte Generation“ zu prüfen.

Währenddessen hat die Polizei ihre Ermittlungen zu dem Unfall fortgeführt und einen Mann festgenommen, der am Unfallort auf den Lkw-Fahrer mit einem Messer eingestochen haben soll. Der 48-Jährige wurde am Mittwochabend in der Nähe des Tatorts gefasst. Laut Polizei soll es sich um einen Obdachlosen handeln, auch gebe es ­Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Der 64-Jährige Lkw-Fahrer konnte das Krankenhaus am Donnerstag verlassen. (mit dpa)

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