Mitarbeiter des Monats: Wenn’s gut werden muss
Biber haben in Tschechien flugs einen Fluss renaturiert, während Menschen noch brüteten, wie man es am besten macht. Ein Lob den tierischen Helfern.
Die Biber hauen uns raus! Seit Jahren sollte in Tschechien ein Fluss renaturiert werden, wofür der Bau eines 1,5 Millionen Euro teuren Damms erforderlich gewesen wäre. Ebenso lange diskutieren Behörden, Forstbetriebe und Naturschützer über das Projekt, die notwendigen Genehmigungen und die Finanzierung.
Der Biber aber macht nun einen auf Trump, schert sich nicht um Dienstwege, Rechtslage und Befindlichkeiten, sondern schafft einfach Fakten. Eine Sippe der Supernager hat über Nacht einige Bäume umgelegt, ganz ohne die derzeit viel beschworene Kettensäge, und das fragliche Gebiet einfach Kraft ihrer Zähne überflutet. Ergebnis: künstlicher Damm überflüssig, Gelände renaturiert, Kohle gespart, viele Dienststempel und Gerichtsurteile überflüssig. Rabiate Durchsetzungskraft kann auch in die richtige Richtung gehen.
Das Treiben des Bibers im Allgemeinen wird vom Menschen häufig mit nagendem Misstrauen beäugt. Dabei wirkt er als kostenloser Landschaftsbauservice. Früher war er in Mitteleuropa weitgehend ausgerottet, erst durch gezielte Ansiedlungen von nachgezüchteten Tieren sowie ungesteuerter Zuwanderung von Biberfachkräften aus dem Ausland hat sich inzwischen wieder eine lebhafte Population der Nager auch bei uns angesiedelt. Dafür wurde mittlerweile sogar der neue Berufsstand des Biberbeauftragten geschaffen. Für den Arbeitsmarkt ist der Nager also auch noch gut.
Vielleicht tut es Not in diesen Zeiten – wo die größten Menschheitsprobleme Klima- und Biodiversitätskrise nur am Rande oder gleich gar nicht im hiesigen Wahlkampf diskutiert werden und wo das aktuelle US-Regime der Natur den offenen Krieg erklärt hat – an die vielen Freiwilligen aus dem Tierreich zu erinnern, die uns im Alltag helfen. Wie beispielsweise die Bienen, ohne deren Bestäubungsarbeiten es keine Blumen gäbe und halt auch keine Obstbäume. In anderen Teilen der Welt übernehmen allerlei Vögel, Fledermäuse, Motten und Mücken klaglos diesen Job für Bananen, Kakao, Öl- und Südfrüchte.
Nicht nur Biber nehmen der Menschheit Arbeit ab
Das weiß man schon irgendwie noch, auch wenn man nicht den Eindruck hat, dass diesem kostenfreien tierischen Support die notwendige Wertschätzung entgegengebracht wird. Dass aber Austern selbst das Dreckswasser einer Megametropole wie New York mit ihrer Filterleistung säubern und deshalb gerade eine Milliarde der Weichtiere mit der harten Schale vor der amerikanischen Ostküste angesiedelt werden, erzählt hoffentlich niemand Präsident Trump.
Bei uns ist das Geschrei stets groß, wenn wegen Fledermaus- oder Krötenvorkommen Bauprojekte gestoppt werden. Noch größer wäre das Geschrei aber sicherlich, wenn die betroffenen Arten in den Streik träten und ihre Unterstützung im Bereich der Schädlingsbekämpfung einstellen würden. Schon bei uns werden Mücken mitunter zur Plage, in anderen Ländern führt, wissenschaftlich gut belegt, das Ausdünnen von Amphibienpopulationen zu einem teils dramatischen Anstieg von durch Moskitos und andere Aggressoren verursachten Krankheiten wie etwa Malaria.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Dann übernehmen hierzulande Schafe Landschaftspflegearbeiten, für die wir sonst Abermillionen aufwenden müssten, weil wir die ursprünglichen Dienstleister, wie Ur und Wisent, schon vor Jahrhunderten um die Ecke gebracht haben – und ohne sie nun einmal alles zuwuchern würde.
Ohne Regenwürmer, Milben und allerlei anderes Getier, das wir unter dem eher undankbaren Titel „Destruenten“ zusammenfassen, gäbe es keinen fruchtbaren Boden und kein Wachstum von gar nichts, da könnte die FDP Wirtschaftsförderungsprogramme auflegen, soviel sie wollte.
Und ohne Mistkäfer säßen wir alle buchstäblich ganz tief in der Scheiße. Zehn Tonnen Dung produziert eine einzige Weidekuh pro Jahr, und irgendwer muss ihn ja wegschaffen. Die Bauern sind’s nicht, so sehr sie auch schimpfend auf die Strohballen steigen. Stattdessen schaffen Käfer den ganzen Mist beiseite und führen ihn der einzig wahren Disruption zu.
Dafür sollten wir einfach mal Danke sagen – und ihnen ein bisschen zur Hand beziehungsweise zum Tarsus gehen, indem wir zumindest den braunen Mist in den Parlamenten mal selbst entsorgen. Darüber freuten sich auch unsere zahllosen ehrenamtlichen Ökosystemdienstleister mit Fell, Federn, Panzern oder Schuppen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Start der Münchner Sicherheitskonferenz
Kulturkampf gegen Europa
ZDF-Sendung „Klartext“
Weidel gegen Weidel
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Anschlag in München
Was soll man da noch sagen?
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten