Mit dem Gesetz gegen die Klimakrise: RWE und das Haus am See
Bedroht der Klimawandel das Haus eines Bauern in Peru? Am Oberlandesgericht Hamm wird über die Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya verhandelt.
Saúl Luciano Lliuya lebt als Bauer und Bergführer in den peruanischen Anden nahe der Stadt Huaraz. Er befürchtet, dass das Schmelzen der Andengletscher einen See oberhalb von Huaraz zum Überlaufen bringt. Eine gewaltige Flutwelle drohe dann seinem Haus und der ganzen Stadt.
Seit 2015 klagt der Peruaner mit Unterstützung der NGO Germanwatch gegen RWE. Der deutsche Energiekonzern gilt als einer der größten CO2-Emittenten weltweit. RWE allein soll für 0,47 Prozent des CO2-Ausstoßes seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich sein. In einem Musterprozess will Germanwatch zeigen, dass auch große Unternehmen für ihren Beitrag zum Klimawandel verantwortlich gemacht werden können.
Die Klage schrieb die renommierte Hamburger Klimaanwältin Roda Verheyen. Sie stützte sich dabei auf Paragraf 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der unter anderem den Eigentumsschutz gegen Störungen durch Nachbarn regelt – wobei der RWE-Hauptsitz in Essen rund 10.000 Kilometer von Luciano Lliuyas Haus in den Anden entfernt ist.
RWE soll sich, so die Klage, entsprechend seiner Verantwortung für den Klimawandel mit rund 0,5 Prozent an den Kosten von Schutzmaßnahmen für das Haus des Bauern oder Maßnahmen unmittelbar am Gletschersee beteiligen. Vermutlich geht es um einen Betrag von rund 20.000 Euro.
Ein Streit der Gutachter droht
Den entscheidenden Durchbruch erzielten der Bauer und die Anwältin bereits Ende 2017. Damals erkannte das OLG Hamm die Klage als grundsätzlich zulässig an. Sie sei – abstrakt gesehen – „schlüssig“, so die Richter:innen. Auch CO2-Emissionen von staatlich genehmigten Kraftwerken können Schadenersatzpflichten auslösen. Seitdem befindet sich das Verfahren in der Beweisaufnahme. Im ersten Schritt muss Saúl Luciano Lliuya beweisen, dass für sein Haus in Peru wirklich eine „ernsthaft drohende Beeinträchtigung“ durch schmelzende Gletscher besteht.
Das Gericht beauftragte den Statikexperten und Geowissenschaftler Rolf Katzenbach mit einem Gutachten. Unterstützt wird er von Johannes Hübel, einem Experten für alpine Naturgefahren.
Zur Vorbereitung fuhren die Gutachter mit zwei Richter:innen und weiteren Verfahrensbeteiligten im Mai 2022 sogar nach Huaraz, um sich die Gletscherlagune und das Haus vor Ort anzusehen. Im Juli 2023 legte Katzenbach sein Gutachten vor, im Dezember 2024 lieferte er noch ein Ergänzungsgutachten.
Viel Aufwand, doch die Kläger sind mit dem Gutachter nicht zufrieden. Während Katzenbach das Risiko, dass das Haus binnen 30 Jahren Opfer einer Flutwelle wird, auf unter 3 Prozent bezifferte, gehen die Kläger von immerhin 30 Prozent aus. Sie sehen das Risiko also mehr als zehnmal so groß. Grund für den großen Unterschied: Der Gerichtsgutachter hatte vor allem Eislawinen im Blick, während die Kläger und ihre Experten Felsstürze, die durch tauenden Permafrost ausgelöst werden, für wahrscheinlicher halten.
An diesem Montag will das OLG Hamm das Gutachten mit den Beteiligten diskutieren. Es droht eine stundenlange Expertenschlacht über Permafrost in den peruanischen Anden. Am Ende muss das Gericht entscheiden, ob ein rechtlich relevantes Risiko für das Haus von Saúl Luciano Lliuya besteht.
Wenn das Gericht das Risiko für relevant hält, wird die Beweiserhebung mit einem neuen Gutachten fortgesetzt. Dann wird es um die Frage gehen, ob der Anteil von RWE an den Gefahren für das Haus des Bergbauern wirklich „mess- und berechenbar“ ist. Denn nur dann kann der Bauer von RWE die Zahlung einer konkreten Summe verlangen. Hält das Gericht jedoch das Risiko für zu gering, muss es die Klage des Bauern abweisen. Der Prozess ist dann voraussichtlich zu Ende. Eine Revision wäre vermutlich nicht möglich, weil die Gefährdung eines bestimmten Hauses in Peru nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Auf Tour gegen Klimafolgen
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, wäre aber auch dann nicht unzufrieden. Entscheidend sei der Hinweisbeschluss des OLG Hamm von 2017, wonach große CO2-Emittenten für die von ihnen mitverursachten Klimaschäden verantwortlich sind. Saúl Luciano Lliuya wird an der Gerichtsverhandlung in Hamm teilnehmen. Er ist für zwei Wochen nach Deutschland gekommen, auch um hier in verschiedenen Städten über seinen Fall zu sprechen.
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