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Ministerpräsident gegen Berliner PläneSachsen gegen Kohleausstieg 2030

CDU-Ministerpräsident Kretschmer warnt Koalitionäre in Berlin. Das anvisierte Jahr 2030 für den Kohleausstieg wäre der „Gnadenstoß“ für die Lausitz.

Ministerpräsident Kretschmer bei den protestierenden Kohlekumpels währender Ausstiegsverhandlungen 2018 Foto: Rainer Weisflog/imago

Dresden taz | Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die Unterhändler der wahrscheinlichen Berliner Ampelkoalition vor einem vorzeitigen Kohleausstieg gewarnt. Für die Kohleregion Lausitz würde das Ende der Verstromung schon 2030 den „Gnadenstoß“ bedeuten, sagte er in der ARD. Den vorzeitigen Ausstieg jetzt zu erwägen, sei „ganz schlechter politischer Stil“. „Wem soll man denn noch etwas glauben?“, verwies er auf das in einem mühevollen Kompromiss aller gesellschaftlichen Gruppen gefundene Jahr 2038 und forderte Vertragstreue.

In ihrem Sondierungspapier hatten SPD, Grüne und FDP die Option festgehalten, „idealerweise“ schon 2030 aus der Kohle auszusteigen. Der Energiebedarf solle stattdessen mit erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken gedeckt werden.

Eine solche Variante hatte Anfang August sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gespräch gebracht und auf sinkende Wirtschaftlichkeit der Kohleverstromung durch höhere Kohlendioxidpreise und den Zertifikatehandel verwiesen. Kollege Kretschmer hatte dem schon damals eine Abfuhr erteilt. Im Vertrag der sächsischen Kenia-Koalition ist ein Kohleende bis „spätestens 2038“ festgehalten.

Kretschmer appellierte nun an SPD und FDP, bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene „nicht wortbrüchig“ zu werden. Es sei unmöglich, Deutschland bei einem Ausstieg aus Kohle und Atomenergie wettbewerbsfähig zu halten.

Auch Sachsen-Anhalt skeptisch

Kretschmer steht nicht allein. Auch sein Kollege Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt, ebenfalls eine Kohleregion, hatte sich in ähnlicher Weise skeptisch geäußert. Jan Redmann, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion von Brandenburg, nannte das Vorhaben einen „Schlag ins Gesicht der Menschen in der Lausitz“. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke solle bei den Koalitionsverhandlungen auf die Erfüllung des ausgehandelten Kompromisses 2038 drängen.

Schon diesen lehnen viele Bewohner der Lausitz ab. Die einst für Wohlstand und Zuzug sorgende Kohle ist für die Region immens wichtig. Das Misstrauen ist mit der Anfang Juli beschlossenen Verteilung der Strukturwandel-Milliarden sogar noch gewachsen. Dementsprechend mahnte der SPD-Ostbeauftragte und sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig noch zu schaffende Voraussetzungen für den Kohleausstieg an. Programme und Maßnahmen müssten konkretisiert und beschleunigt werden.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschent­scher (SPD) machte indes das Datum des Kohleausstiegs vom Ausbau der Erneuerbaren abhängig. „Deswegen steht in dem Sondierungspapier, dass wir idealerweise den Kohleausstieg vorziehen wollen“, sagte er. „Die Bedingung dafür ist, dass wir genug regenerative Energie bis dahin hinbekommen.“

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14 Kommentare

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  • @ELENA LEVI

    Gähn. Man sollte diesen immer wiederkehrenden Scheinargumenten Nummern zuweisen. So könnten Sie noch kürzer "69!" schreiben und jede*r wüsste, welche olle Kamelle Sie meinen.

    Sie sind bestimmt eine von denen, die in der 6er WG nie Geschirr spülen, weil "16.67 Prozent ja nicht auffallen".

  • Berlin könnte sich ja mal solidarisch zeigen und die ein oder andere Bundesbehörde in die Lausitz umziehen. In Berlin sind die Rollkofferjuppies ja sowieso nicht gern gesehen und es wird Wohnraum frei. Bei uns in der Lausitz kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz in einer der strukturschwächsten Regionen Deutschlands. Von den beschlossenen Fördergeldern sehen ja die kleinen Leute ja keinen Cent. Dann bitte lieber handfeste Unterstützung.

    • @Šarru-kīnu:

      Das wäre gut. Die Schweiz hatte so etwas in einem Dezentralisierungsprogramm ihrer Bundesverwaltung schon seit längerem gemacht.

  • Gnadenstoß für die Lausitz, Gnadenstoß für das Klima, Hauptsache Gnadenstoß.

    Wenn es dann ans Eingemachte geht, drückt man beim Klimawandel eben mal auf die Pausentaste.

    • @Jim Hawkins:

      Das Problem ist, dass Deutschland CO2-neutral sein kann, wie es will. Die BRD verursacht 2% des CO2-Ausstoßes auf der Welt. Es wird nichts an dem Klimawandel ändern, wenn nicht die restlichen 98% reduziert werden und ein internationaler Klimarat nicht dafür sorgt, dass alle Länder sofort mitmachen. Das dürfte schwer umsetzbar sein, denn die reichen Länder müssten den armen Ländern helfen. Und wenn an bedenkt, wieviele Menschen in Armut und Elend auf der Welt leben, dann haben die ganz andere Sorgen als CO2.

      • @Elena Levi:

        Die armen Menschen, von denen Sie schreiben, verursachen allerdings nur einen sehr geringen Ausstoß an Treibhausgasen. Ja, sie haben ganz andere Sorgen, aber Sie werden überproportional von den Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen sein. Auch Deutschland steht durchaus in der Pflicht (moralisch, historisch...), seinen Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. Durch den Fingerzeig auf andere evtl. größere Emitenten ändert sich gar nichts, und Nichtstun ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr angebracht.

  • Statt jetzt die Kumpelversteher zu geben, sollten Kretschmer & Co lieber Visionen für die betroffenen Regionen entwickeln (was längst hätte passieren können/müssen). 50 Jahre Zeit für Transformation wie im Ruhrgebiet haben wir nicht.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Schlaues Störfeuer von Kretschmer. Der Ausstieg wird kommen, aber natürlich nur mit hohen Ausgleichszahlungen für Sachsen.

  • Herr Tschentscher aus Hamburg hat es immer noch nicht begriffen. Für das 1,5 Grad Ziel ist der Kohleaustieg 2030 notwendig. Kein Wunder, dass dir Grünen in HH immer Ärger mit ihm haben bei dem Thema.

  • "Es sei unmöglich, Deutschland bei einem Ausstieg aus Kohle und Atomenergie wettbewerbsfähig zu halten." - da hat er sogar recht, nur warum dann die Kohle behalten?

    "Deswegen steht in dem Sondierungspapier, dass wir idealerweise den Kohleausstieg vorziehen wollen"



    genau darauf wird's rauslaufen: wollen. Aber nicht können.

    "Die Bedingung dafür ist, dass wir genug regenerative Energie bis dahin hinbekommen.", was nicht passieren wird mangels Wasserkraft und ohne Energiespeicher für die Windflauten. Aber jetzt greenwashen wir erstmal Erdgas für die nächsten 20 Jahre und dann sehen wir weiter.

  • Als Lausitzer muss ich sagen, wer liebt bei uns noch von der Kohle? Es ist vieles automatisiert.

    Tourismus und Soziales sind wesentlich wichtiger. Leider lassen diese nicht genug Bestechungsgelder, äh investieren nicht genug in die Lobbyarbeit damit die wichtigen Sektoren mehr Rückenwind bekommen. In der Kohle arbeiten heute nicht mal mehr 10.000 Menschen, nochmal ca. 25.000 in zulieferbetrieben. Und das bei ca. 1 Mio Einwohner.

    Wo bleiben die umschulungsangebote? Die Schaffung anderer Arbeitsplätze? Nein. Man muss dem vor Gericht angeprangerten koglekompromiss aufrecht erhalten und weiter daran festhalten.

    • @Sascha:

      Als Facharbeiter im Tagebau kann man bestimmt auch umschulen, aber zu was? Bestimmt nicht als Servicekraft im Tourismus.



      Und 25-30000 Arbeitsplätze sind kein Pappenstiel.

      • @Der Cleo Patra:

        Und genau deshalb wird es Zeit, da baldmöglichst Alternativen aufzubauen und nicht bis 2030 zu warten und dann zu jammern.

        Kohle ist 100% OUT. Kapiert das endlich.

      • @Der Cleo Patra:

        Bundesweit sind es insgesamt etwa 20.000 Arbeitsplätze in den Tagebauen UND den Kraftwerken (Rheinisches und mitteldeutsches Revier und Lausitz). In der Lausitz sind es wohl weniger als 7.900.