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Militarisierter Naturschutz in AfrikaDie grüne Armee der Nationalparks

Nationalparks sind ein zunehmend militarisiertes Geschäft. Wie Artenschutz neue Macht- und Gewaltstrukturen fördert. Ein taz-Rechercheprojekt.

A ls 2016 symbolisch über eine Tonne Elfenbein in der Savanne Kenias in Flammen aufging, war das ein Höhepunkt des „Krieges gegen die Wilderei“. Tierschützer hatten seit dem Jahr 2011 Alarm geschlagen: Alle 15 Minuten werde in Afrika illegal ein Elefant erlegt, mit knapp mehr als 400.000 Elefanten, die auf dem Kontinent noch übrigen sind, brauche es nur noch elf Jahre, bis der letzte den Wilderern vor die Flinte laufe. Die Weltgemeinschaft beschloss im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites): Der Tierschutz muss wehrhaft werden. Selbst China, weltweit der größte Abnehmer des Elfenbeins, trat 2016 dem Abkommen bei.

Seitdem wurde im sogenannten Kampf gegen die Wilderei in Afrika aufgerüstet. Unter der Losung „Professionalisierung“ werden Parkwächter im Kampf gegen die Wilderer zum Töten ausgebildet: In Tansania engagieren sich US-Veteranen, um sich von Einsätzen in Irak und Afghanistan zu erholen. Im Kongo, in Uganda und Kenia bringen israelische Söldnerfirmen im Auftrag des WWF Wildhütern bei, mit Nachtsichtgeräten, Scharfschützengewehren und Drohnen umzugehen. In zahlreichen Nationalparks wurden satellitengestützte Kontrollzentren für die Parkverwaltungen eingerichtet.

In Uganda, Malawi und Gabun trainieren britische Spezialeinheiten die Parkwächter, in der DR Kongo sind es französische und belgische Militärinstruktoren. In manchen Ländern sind die Parkwächter mittlerweile militärisch und geheimdienstlich besser ausgestattet und ausgebildet als die Soldaten der regulären Armee. Sie werden zu neuen Macht- und Gewaltakteuren, die mitunter auch Menschenrechtsverbrechen begehen.

Westliche Naturschützer feiern die Erfolge des wehrhaften Naturschutzes: So wurde 2017 in Ostafrika ein großer Wilderer-Ring zerschlagen, die chinesische „Elfenbeinkönigin“ verhaftet und angeklagt. Sie wurde im Februar 2019 zu 15 Jahren Haft verurteilt – ein Meilenstein. Der Prozess brachte jedoch auch zahlreiche Verstrickungen zwischen chinesischen Staatsangestellten, mafiösen Netzwerken, korrupten afrikanischen Regierungsmitgliedern, den lokalen Wildtierschutzbehörden und lokalen Wilderern zutage.

Drakonische Strafen treffen oft jedoch nur die kleinen Fische. So wurden gerade erst in der Demokratischen Republik Kongo acht Pygmäen von einem Militärgericht ebenfalls zu 15 Jahren Haft verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, Wälder zur Gewinnung von Holzkohle gerodet zu haben. Der Verlauf der Ermittlungen und des Prozesses werfen jedoch mehr Fragen auf, als sie beantworten.

Teil 1: Holzkohle zum Überleben

Acht Pygmäen stehen vor einem Militärgericht in der Demokratischen Republik Kongo. Sie sollen 400 Hektar Wald im Kahuzi-Biéga-Nationalpark gerodet haben. In ihrem Dorf hält man die Vorwürfe für übertrieben und klagt über brutale Repressionen durch Parkwächter und Militär.

Internationale Naturschutzorganisationen sowie westliche Regierungen fahren schwere Geschütze auf, argumentativ wie auch im Wortsinne: Das Geld aus dem Schmuggel mit Elfenbein fließe in die Strukturen des organisierten Verbrechens. Afrikanische Terrororganisationen würden sich aus dem Handel mit Elfenbein und Nashorn-Horn finanzieren. Nicht zuletzt diese Verbindung zum internationalen Terror, aber auch die zunehmende Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Wilderer gegen die Parkwächter lassen den Sicherheitsaspekt des Artenschutzes immer mehr in den Vordergrund treten. Als Folge wachsen zweifellos die Ausgaben. Sowohl für Trainings von Parkrangern als auch für die kostspielige Beschaffung von Drohnen und anderer Hochtechnologie – Geld, das an anderer Stelle dann bei Projekten fehlt, die der Bevölkerung zugutekämen.

Inwieweit im Namen des Artenschutzes mit Übertreibungen und falschen Annahmen gearbeitet wird, die immer höhere Investitionen in Technologie zum Schutz und der Überwachung von Nationalparks und anderen Schutzgebieten rechtfertigen sollen, ist dabei durchaus umstritten. Dieses Projekt will zur Aufklärung der Hintergründe beitragen. Denn Profiteure sind bereits jetzt westliche und afrikanische Rüstungsunternehmen, die nun in den Nationalparks ihre neuen Kunden sehen.

Teil 2: Militarisierung im Naturschutz

Drohnen, Hochsicherheitszäune, Biometrie: Zur Sicherung und Überwachung von Nationalparks wird immer mehr auf hochmoderne Technik gesetzt. Während am Boden häufig noch schlecht ausgerüstete Ranger patrouillieren, testen Behörden und Parkleitungen teure Technik, vorgeblich um Wilderei, organisierte Kriminalität und sogar den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.

Dass der Naturschutz wehrhafter werden müsse, ist ein sich selbst bestätigendes Mantra geworden und damit wesentlicher Bestandteil des Diskurses um die Bewahrung der Biodiversität. Und diese wird immer mehr zu einer Priorität internationaler Entwicklungszusammenarbeit. Sowohl die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAid als auch die Europäische Union (EU) insgesamt sowie ihre einzelnen Mitglieder erhöhen die entsprechend markierten Etatposten für Natur- und Artenschutz seit mehr als einem Jahrzehnt in rasantem Tempo. Kaum ein anderer Schwerpunkt der Entwicklungshilfe hat in dieser Zeit Zuwächse von mehreren hundert Prozent verzeichnen können.

Ganz vorne mit spielt Deutschland. Die Bundesrepublik rühmt sich, weltweit Schutzgebiete im Umfang der vierfachen Fläche Deutschlands zu finanzieren – ein ganzes Naturschutzimperium. Interessant ist dabei der Vergleich aller deutschen Ausgaben für den afrikanischen Kontinent: Während sich der Gesamtbetrag für wirtschaftliche Zusammenarbeit, gemeinhin auch Entwicklungszusammenarbeit (EZ) genannt, zwischen 2007 und 2017 etwa verdoppelt hat, stieg der Anteil der Ausgaben, der explizit für Biodiversität vorgehalten wird, im selben Zeitraum auf das Siebenfache.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist der Hauptfinanzier, die Abwicklung der Finanzhilfen erfolgt zumeist über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW). Für die Umsetzung der Vorhaben zeichnen projektabhängig verschiedene Organisationen verantwortlich, unter anderem die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), aber auch NGOs und Stiftungen wie der WWF oder die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF).

Die größte Herausforderung in der Finanzierung des Naturschutzes ist dabei seine nachhaltige Gestaltung. Seit Jahrzehnten werden langfristig tragfähige Lösungen gesucht. Die dabei entstandenen Projekte sind ihrer Ausgestaltung außerordentlich kreativ und divers. Gemein ist den meisten Transferzahlungen, dass die Geldflüsse von außen nur schwer nachvollziehbar und transparente Erfolgskontrollen eher selten sind. So werden inzwischen sogar Treuhandfonds aufgelegt, die am Kapitalmarkt Rendite für die Parks erwirtschaften sollen. Andere Parks werden als Public-private-Partnerships aufgesetzt, um sie zu profitierientierten Unternehmen umzustrukturieren, welche die afrikanischen Regierungen nichts kosten und stattdessen sogar Gewinne in den Staatshaushalt einbringen sollen.

Teil 3: Finanzierung des Artenschutzes

Kein Schutzgebiet trägt sich selbst. Von Gründung an sind Zuschüsse für den Betrieb nötig. Der größte Teil der Gelder kommt dabei schon immer nicht von afrikanischen Staaten, sondern aus dem Ausland, vor allem der EU und den USA. Ideen zur Erschließung alternativer Finanzierungen gibt es schon lange – die wenigsten davon tragen zu mehr Transparenz bei.

Und selbst wenn Naturschützer und Entwicklungshelfer in Hochglanzbroschüren Fortschritte beim Schutz bedrohter Arten vermelden, ist bisweilen Skepsis angebracht. Denn der wehrhafte Artenschutz kommt zu einem Preis, den nicht selten die lokale Bevölkerung zahlen muss. Schon die Gründung vieler Schutzgebiete zu Kolonialzeiten und später während der Zeit afrikanischer Diktaturen ging einher mit massenhafter Vertreibung von lokalen und indigenen Bevölkerungsgruppen.

In den romantischen Vorstellungen von Natur- und Artenschutz, oft geprägt durch Tierfilme, herrscht die Annahme vor, Schutzgebiete seien eine von Menschen unberührte Natur – im Gegensatz zur vom Menschen geprägten Kulturlandschaft. Doch sind, wie dieses Projekt zeigt, die meisten Nationalparks nicht menschenleer, im Gegenteil. Millionen von Menschen leben nicht nur an den Parkrändern, sondern zum Teil innerhalb der Parkgrenzen. Durch internationale Vereinbarungen sollen in den nächsten Jahrzehnten die bestehenden Schutzgebiete in Afrika ausgeweitet werden, einige werden gar neu gegründet. Dies führt unweigerlich zu lokalen Land- und Ressourcenkonflikten. Der rasche Bevölkerungszuwachs auf dem afrikanischen Kontinent wird im Zuge dessen zur Bedrohung erklärt.

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Die abrupte Herauslösung riesiger Flächen und ihrer Markierung als unberührte Natur durch die europäischen Kolonialherren verlief bereits in der Vergangenheit oftmals gewalttätig. Entsprechend misstrauisch wird die Einrichtung immer neuer Schutzgebiete bis heute beobachtet. Für die bettelarme Bevölkerung, die im Grunde den Natur- und Artenschutz häufig sogar gutheißt, geht es dabei schließlich ums Überleben. Dass Naturschutz jedoch nur im Einklang mit der Bevölkerung vor Ort wirksam sein kann, ist längst bei internationalen NGOs wie lokalen Beteiligten angekommen – zumindest theoretisch. Seit den 1980er Jahren ist das Konzept der sogenannten community-based conservation, also des Naturschutzes unter Einbeziehung der im Einzugsbereich lebenden Menschen, ein immer wichtigeres Paradigma.

Aktivisten in Afrika und Mitarbeiter von internationalen Menschenrechts-NGOs kritisieren dennoch einen noch immer kolonial anmutenden Stil bei der konkreten Ausgestaltung des Naturschutzes. Die auch in anderen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit häufig zu beobachtende verhängnisvolle Verlängerung des kolonialen Erbes auf dem afrikanischen Kontinent tritt genauso auch im Bereich des Naturschutzes immer wieder auf. Eventuell ist sie sogar noch stärker als an vielen anderen Punkten, gehören doch die Schutzgebiete in der Regel zu den am massivsten von ausländischen Geldgebern abhängigen Projekten in den meisten afrikanischen Staaten. Afrikaner fordern hier schon lange eine längst überfällige „Dekolonisierung“ des westlich finanzierten Naturschutzes. Dieses Projekt soll ihnen eine Stimme geben.

Teil 4: Koloniales Erbe im Naturschutz

Viele der heute noch aktiven Schutzgebiete sind bereits während der Zeit der Kolonialreiche gegründet worden, nicht selten als Jagdreservate für die Besatzer aus Europa. Die dort ansässige Bevölkerung wurde einfach vertrieben. Der Naturschutzgedanke nahm erst mit der Dekolonialisierung so richtig Fahrt auf, wiederum inspiriert von den alten Kolonialherren. Dieses ambivalente Erbe wirkt bis heute fort und wird von vielen als Geburtsfehler des Nationalparksystems und als Grund für aktuelle Konflikte und Widersprüche angesehen.

Aufgrund der vermehrten finanziellen Anstrengungen im Natur- und Artenschutz steigt die Elefanten -und Gorillapopulation in Afrika nun wieder. Das ist die eine Seite der Geschichte, die Erfolgsgeschichte. Die andere ist noch wenig beleuchtet. In der Naturschutzpolitik Afrikas vollzog sich in den vergangenen zwei Jahren ein grundlegender Paradigmenwechsel: Rund um die Parks werden Mauern gebaut und elektrische Zäune errichtet, Gesetze gegen die Wilderei verschärft, Wälder und Savannen werden wie eigene Herrschaftsterritorien abgesteckt, in welchen die Menschen nichts zu suchen haben.

Viele Nationalparks sind bereits „Festungen“, die nun mit militärischem Hightechgerät gegen Eindringlinge verteidigt werden. Das hilft zwar den Elefanten, doch es gibt auch eine Kehrseite mit negativen Konsequenzen für die lokale Bevölkerung. Wer nämlich dennoch den Park betritt, und wenn er nur Feuerholz sucht, wird als Wilderer kriminalisiert und von den Parkwächtern mit Waffen gejagt, verhaftet und mitunter gar getötet.

Menschenrechts-NGOs, Politiker und Journalisten sammeln seit Jahren Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Parks, begangen von Parkwächtern, deren Gehälter von westlichen Gebern finanziert werden. Versuche, über Organisations- und Forschungsarbeit vor Ort, mediale Vermittlung und parlamentarische Arbeit Aufmerksamkeit für das Problem zu erzeugen, greifen dabei häufig ins Leere. Immer wieder drängt sich der Eindruck rechtsfreier Räume auf.

Selbst gut dokumentierte Übergriffe von Rangern führen nur in den seltensten Fällen zu Gerichtsverfahren oder gar Verurteilungen. Die Finanziers und Profiteure des Naturschutzes haben über Jahre entsprechende Berichte als „tragische Einzelfälle“ oder „Kollateralschäden im Bemühen, die Natur zu retten“ abgetan und wollten partout kein möglicherweise systematisches Problem erkennen.

Die Sammlung dieser „Einzelfälle“ ist inzwischen jedoch so groß, dass sie nicht mehr gänzlich ignoriert werden kann. Selbst der Blick auf nur wenige Parks offenbart ein beunruhigendes Bild. Die Vielzahl der bekannten und nachprüfbaren Vorkommnisse und die Schwere eines Teils der Übergriffe lassen dazu eine hohe Dunkelziffer zumindest kleinerer Zusammenstöße vermuten. Es handelt sich um ein strukturelles Problem.

Teil 5: So viele Einzelfälle

Aus dem Umfeld vieler Nationalparks häufen sich die Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Korruption. NGOs und Medien sammeln seit Jahren Belege für systematische Verstöße paramilitärischer Ranger und von Parkleitungen gegen jegliche rechtlichen und moralischen Standards. Offizielle Statistiken gibt es nicht, aber zumindest punktuell unabhängige Dokumentationen.

Dieses Projekt möchte einen Beitrag dazu leisten, das Bild der weniger glorreichen Seiten des Naturschutzes in Afrika vollständiger werden zu lassen. Dazu gehört einerseits eine Bestandsaufnahme der laufenden Militarisierung im Naturschutz und deren Finanzierung. Andererseits sollen die konkreten Folgen dieser Militarisierung in der alltäglichen Konfrontation für die im Umfeld der Schutzgebiete lebenden Menschen besser beleuchtet werden. Opfer von Übergriffen kommen dafür zu Wort. Zu ausgewählten Standorten wird zusätzlich eine Übersicht dokumentierter Vorfälle präsentiert.

Die dargestellte Auswahl ist dabei weder abschließend noch soll sie das Bestreben um den Erhalt von Biodiversität delegitimieren. Im besten Falle ist sie eine ergänzende Hilfestellung für jene, die Naturschutz anders als nur ohne oder gegen den Menschen denken und danach auch handeln wollen.

Das Projekt

Mit Förderung durch das Kartographen-Stipendium des Vereins „Fleiß und Mut“ und der Mercator-Stiftung sowie finanzieller Unterstützung durch das Netzwerk Recherche untersucht dieses Projekt die Folgen der Militarisierung des Naturschutzes in Afrika. ▶ taz.de/GrüneArmee

Mitwirkende: Simone Schlindwein (Recherche, Foto, Video, Sprecherin), Svenja Bednarczyk (technische Konzeption, Redaktion), Daniél Kretschmar (Recherche, Redaktion), Martin Rank (Design, Programmierung), Alexis Huguet (Foto, Video), Nadine Fischer (Logo), Johannes Drosdowski (Sprecher), Nicolai Kühling (Audiobearbeitung), Alina Schwermer (Übersetzung), Stefan Mahlke (Korrektur).

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7 Kommentare

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  • Was ich nur wirklich schlecht finde ist dieser Satz unter dem Sub - Titel: "Wie Artenschutz neue Macht- und Gewaltstrukturen fördert. ". Erstens ist es falsch, da es nicht der Artenschutz ist, der das Problem verursacht, sondern es ist hauptsächlich eine mafiöse Industrie, welche den Wildtierhandel und den Handel mit Wildtierprodukten verursacht hat, die nun eine drastische Gegenwehr auslöst, die wiederum teils von ungesunden Interessen und Machtstrukturen durchsetzt ist.

    Der zweite Punkt ist die teils durchklingende Abneigung gegen einen konsequenten Schutz unserer Biodiversität an sich: Ich bin diesbezüglich in Madagaskar unterwegs und kenne die Situation dort: Es wurden Fehler gemacht, indem man die Menschen nicht genügend in die Planung der Naturschutzgebiete einbezogen hat. Zudem gab es Härten, welche einfach völlig unnötig in das Leben der Menschen eingegriffen haben (zum Beispiel Zwangsumsiedlungen) und nicht gerade zur Akzeptanz beigetragen haben. Tatsächlich ist es aber so, dass die lokale Bevölkerung traditionell den Wald zum Zweck des Anbaus von Wildreis abbrennt - auf Madagaskar hat bis vor kurzem niemand etwas dagegen unternommen. Die Folge: Der Wald verschwindet in einer Geschwindigkeit, die man sich kaum vorstellen kann, was regional zu drastischen Klimaveränderungen führt, was weiterhin zu Hungersnöten führt, die dann mit Reislieferungen aus dem Ausland kompensiert werden muss. Ich würde mir für Madagaskar wünschen, dass der Wald mit polizeilichen Mitteln geschützt wird und gleichzeitig der lokalen Bevölkerung geholfen wird, sich zu versorgen (was durchaus machbar ist). Geht nur wiederum nicht, weil die Regierung gar kein Interesse daran hat und zu einem großen Teil von Mächten abhängt, die nicht auf der Insel verortet sind. Nehmt mal ein paar Ökologen mit in Euer Team auf und sehr Euch mal an, was auf der anderen Seite passiert und versucht zu verstehen, dass ohne den Schutz der Biodiversität bald Feierabend ist, auf diesem Planeten.

    • @Axel Donning:

      Das klingt sehr spannend, was sie über Madagaskar schreiben. Ich denke Madagaskar mit seiner einzigartigen Flora und Fauna ist relativ günstig zu erhalten. 4Mrd. mit einer Laufzeit über 15 Jahre, Co2-Senke, Stabilisierung der Gesellschaft und 50 Millionen für Bildungsprogramme zu ressourcenschonender Subsistenz Ökonomie und ökoLandbau, einmal der Jahresetat einer Grossstadt wie Köln. Was wir benötigen ist ein guter öffentlich geführter Diskurs über die Effizienz der eingesetzten Mittel. Da mit dem Erfolg auch die Akzeptanz der Geber steigt. afr100.org/content/madagascar



      Übertragen auf die Situation der Pygmäen könnte man sagen, das es eventuell unklug ist die Fördergelder zum Schutz des Weltnaturerbes allein auf die Parks zu konzentrieren, auch wenn das Global-Climate-Justice Movement beginnt dies Akzeptanzlücke in Teilen zu füllen, ähnliches passiert/e ja auch in der Serengeti, wobei die Nashörner trotzdem ausstarben.



      Es wäre vermutlich sinnvoller ein Drittel der für Naturerbe eingesetzten Mittel, den jeweiligen Staaten direkt zur eigenen Planung zur Verfügung zu stellen, damit wird Natur in Wert gesetzt ohne das man sie ausbeutet. Darüber hinaus wäre es toll das Drittel für Naturschutz weiter auszudifferenzieren, so wie in Lateinamerika, wo die Aufgaben des Biomonitorings zunehmend von den Lateinamerikanern geleistet werden. Ich freue mich schon auf die 1ten Veröffentlichungen und journalistischen Artikel die von Nigerianern oder Kongolesen oder Madagassen geschrieben werden. Die europäische Verfasstheit ist nicht die einzige auf diesem Planeten.



      ps. Das letzte Drittel könnte man an einen good-governance-Index koppeln gemäss den 17 SDG's, ist aber heikel und erfordert viel Fingerspitzengefühl.

      • @Pele :

        Keine Frage, wir benötigen einen Diskurs über die richtige Strategie und unserer bisherige Rolle als ehemalige "Kolonialisten". Sie schreiben vieles, was richtig und gut ist - danke dafür. Eine kleine Anmerkung hätte ich zur Verteilung der Gelder: Wiederum nach Madagaskar geblickt, würde es vermutlich dazu führen, dass die ohnehin aufgeblasene Fahrzeugflotte der Regierungsmitglieder um einige Hubschrauber und Luxuslimousinen aufgestockt würde, zumindest so lange keine Kontrollmechanismen vorhanden sind, die den Verbleib des Geldes im Fokus haben. Geld fehlt für notwendige Projekte zum effektiven Schutz hinten und vorne; würde man davon etwas abzweigen, wäre es noch schwieriger; das erinnert an eine zu kleine Bettdecke im Doppelbett. Stattdessen würde ich angesichts der lächerlichen Summen, die in Arten- und Biodiversitätsschutz fließen und der gleichzeitigen Dringlichkeit dafür plädieren, endlich angemessene Beträge hierfür bereitzustellen. Hilfsgelder für andere Zwecke, die letztendlich der Regierung helfen, sollten unbedingt von einer erfolgreichen Umsetzung abhängig gemacht werden - bei gleichzeitig intensivierter Hilfe für die lokalen Bevölkerungen. Wenn die Menschen vor Ort knauserig mit ein paar Tausendern für Lehrer und Schulen abgespeist werden, während stinkreiche Touristen sich die gigantisch teuren Fotoausrüstungen in den Park tragen lassen, ist die Abneigung gegen Naturschutzprojekte zumindest nachzuvollziehen. Übrigens kenne ich einige Madagassen, denen ich locker zutrauen würde, sämtliche wissenschaftlichen Aufgaben, die mit dem Schutz der Biodiversität verbunden wären zu erfüllen, wenn denn nur die Ressourcen dafür vorhanden wären.

  • Ein vorbildliches journalistisches Projekt, danke!

  • Freue mich auf weitere Berichte zum Thema.



    Aber bitte, bitte: keine im Text eingebetteten, automatisch startenden Videos!



    Es gibt immer noch Leute, die lieber etwas lesen als Filmchen zu gucken. Die Möglichkeit, die Videos manuell starten zu können, wäre doch ein fairer Kompromiss...

  • Projekte, Projekte, Projekte. Bildungspartnerschaften zwischen Universitätsstädten(auch unter dem Zeichen des Naturschutzes), Konzepte für eine nachhaltige Ökonomisierung und Entwicklung. Faire Preise anstatt billiger Cash-Crops bei denen die Produzenten gegeneinander ausgespielt werden...



    Wahrscheinlich wären die Pygmäen/im am Wald lebende Menschen, am besten geeignet als Wildhüter zu arbeiten. Daher ist es vermutlich in erster Linie ein logistisches Problem, das sie nicht an einer durch Naturschutz initiierten ländlichen Förderung beteiligt sind.



    Einfach weiterzugeben an die zuständigen Verbände und Institutionen, Naturschutz 2.0. Vielen dank.

    • @Pele :

      Pygmäen bringen tatsächlich und mit großem Abstand die beste Qualifikation für den Parkwächterjob mit. Einfach weil sie den Wald am besten kennen, Veränderungen bemerken, sich schnell, ausdauernd und unbemerkt bewegen und dabei Menschen und Tiere aufspüren können. Diese Fähigkeiten sind das Ergebnis jahrtausendelangen Trainings in der Jäger-und-Sammlerinnen-Gesellschaft. Da kommt kein Ackerbauer und auch kein Elitesoldat mit.



      Der Grund, warum sie, genau wie andere Indigene, immer noch viel zu selten als Wildhüter eingestellt werden, liegt maßgeblich in der massiven und lange tradierten Diskriminierung. Mancherorts gelten sie kaum als vollwertige Menschen.



      Die große Tragik ihrer Vertreibung aus den Naturschutzgebieten besteht darin, dass sie für ihre althergebrachte Lebens- und Wirtschaftsweise erstens als einzige wirklich auf diese Ökosysteme (und zwar in halbwegs intakter Form) angewiesen sind, und sie zweitens deren Stabilität niemals bedroht haben. Kommerzielle Jagd (über einfachen Tauschhandel hinaus), und auch die hier angeführte Abholzung, traten erst auf, als sie gerade wegen der Umweltzerstörungen dazu gezwungen waren, und zudem natürlich Feuerwaffen u. a. bekommen hatten.