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Meuthen im ZDF zum Anschlag von HalleDer langweiligste Interviewpartner

Es brennt und die geistigen Brandstifter erklären im Fernsehen ihre Unschuld. Egal wie souverän das Interview geführt wird, das ist nicht hilfreich.

Jörg Meuthen auf einer Pressekonferenz im September 2019 Foto: reuters

Nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle wird über „Hass im Netz, die Verrohung der politischen Debatte und um geistige Brandstiftung“ diskutiert. Mit dieser Feststellung leitet der ZDF-„Morgenmagazin“-Moderator Andreas Wunn zu einem Interview mit AfD-Chef Jörg Meuthen über. „Und da steht die AfD in der Kritik. Fragen wir nach, beim Bundessprecher der AfD, einen guten Morgen, Jörg Meuthen!“

Schon im Vorfeld des Fernsehinterviews am Freitag hatte es Kritik daran gegeben, Meuthen überhaupt Sendezeit einzuräumen. Es ist ja auch reichlich absurd, den Vorsitzenden der Partei der geistigen Brandstifter zum Thema geistige Brandstiftung zu befragen. Was soll er darauf auch anderes sagen als: „Geistige Brandstiftung. Wir doch nicht!“?

Und so kommt es dann auch. Moderator Wunn führt ein souveränes Interview. Er konfrontiert Meuthen mit der Kritik an der AfD von dem jüdischen Publizisten Michel Friedman („Demokratiefeindliche Partei“), fragt nach nationalsozialistischem Sprachgebrauch von Björn Höcke, erinnert daran, dass Teile der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Und Meuthen? Auch der macht seinen Job. „Blanker Unfug“ sei die Kritik von Friedman, die AfD eine „demokratische Rechtsstaatspartei“. Man sei in der AfD „entsetzt“ wegen des Anschlags. Und überhaupt: „Diese 35.000 Mitglieder [der AfD] haben mit Antisemitismus nichts, aber auch wirklich nichts zu tun.“ Von Jörg Meuthen erfährt man also nichts Neues, nichts Überraschendes in dem Interview. Ihm blieb ja auch keine andere Wahl.

Kein Erkenntnisgewinn

Es ist das seit Jahren etablierte System Meuthen. Wann immer es kritische Fragen zur AfD gibt, Meuthen leugnet, relativiert, lenkt ab und wiederholt seine immer gleiche Floskel, dass die AfD eine „Rechtsstaatspartei“ sei. Meuthen ist womöglich der langweiligste Interviewpartner, den das deutsche Fernsehen zu bieten hat.

Das ZDF hat ihm ohne jede Not und ohne jeden Erkenntnisgewinn die Gelegenheit gegeben, dem geneigten Publikum noch einmal zu sagen, wie bürgerlich doch alles in der AfD zuginge. Dass weite Teile dessen, was Stephan B., der rechtsextreme Terrorist aus Halle, in seinem Video von der Tat sagt, sich mit dem deckt, was AfD-Funktionäre sagen und ihre Anhänger glauben, tritt da in den Hintergrund.

Die gut vier Minuten Sendezeit, in denen Meuthen zugeschaltet wurde, hätte das ZDF gewinnbringender nutzen können. Man hätte Antisemitismusforscher*innen wie Samuel Salzborn oder Monika Schwarz-Friesel zur AfD befragen können. Oder Menschen, die sich seit Jahrzehnten gegen Antisemitismus engagieren, etwa Lala Süsskind, die Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, oder Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. In solchen Gesprächen hätte der ZDF-Zuschauer am Morgen vielleicht etwas Neues gelernt, so wie am Vortag, als der Rechtsextremismusexperte Olaf Sundermeyer in der Sendung sprach.

Erst im September hatte das ZDF Björn Höcke zum Interview geladen. Schon damals zeigte sich, dass es vielleicht besser ist, AfD-Funktionäre nicht mehr zum Fernsehinterview zu bitten.

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26 Kommentare

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  • Es geht nicht um die Frage, ob man AfD-Funktionäre interviewen sollte oder nicht. Es geht darum, ihnen keine propagandistische Plattform zu geben. Dazu muss man beim ZDF dann Herrn Meuthen die richtigen Fragen zu stellen: Wieso ist der Holocaustleugner Gedeon in Baden-Württemberg (Metuhens Landesverband) immer noch Mitglied der AfD? Man muss Leute wie Meuthen journalistisch in die Enge treiben, doch dazu fehlt es bei den Journalisten - mit Ausnahmen - an Format und Courage. Wenn der neue SWR-Intendant Gniffke als einstiger Chef der Tagesschau in einem Kommentar meinte, die Äußerung des Schalke- 04 Vorsitzenden und Massentierschlächters Tönnies über Afrika seien kein Rassismus - wirft das ein bezeichnendes Bild auf das Problem.....

  • Es ist doch absurd sofort und vielleicht noch ausschliesslich auf die AfD zu kommen, nur weil sie der einzig halbwegs demokratische Ansprechpartner im rechten Spektrum ist.

    Der Link zu dieser Partei ist sowieso irrelevant. Oder war es ein Parteimitglied? Vielleicht war der Täter nicht nur AfD-Fan sondern noch Union-Fan oder gar Veganer. Oder Opfer einer Harzt-IV-Sanktion. Dann gibt es plötzlich konkurrierende Ursachen.

    Nein, für die Aufarbeitung muss man sich diese Person genauer anschauen, bevor die üblichen Schlüsse gezogen werden, die alle ja nicht neu ...

  • Ich kann diesem TAZ-Kommentar nur zustimmen und wünschte mir einfach einen Standard, einen Konsens der entweder völlig unnötig macht einen aus der AfD-Meuthe zum Gespräch zu bitten, oder eben wirklich konfrontiert:



    Es besteht überhaupt kein Zweifel an der Feststellung das die Funktion "Juden sind unser Unglück" durch "Ausländer sind unser Unglück" ersetzt worden ist. Journalisten sollten den Meuthens mit derartiger Grundbildung entgegentreten. Selbstverständlich ist bekannt, kann bekannt sein das in den Kreisen der (neuen) Rechten Antisemitismus inzwischen als taktisch unklug gilt. Der ganz Plumpe sowieso. Das ist Stand bei den Kubitscheks und Völkisch-Identitären. Die den wissenschaftlichen Mitarbeiterhintergrund der AfD in Parlamenten bilden. Es bedarf der Parole "Juden raus" auch nicht mehr. Man hat inzwischen einen aktualisierten, massenkompatibleren Sündenbock der systematisch bearbeitet und funktionalisiert wird. Das dahinter selbstverständlich weiterhin auch virulenter Antisemitismus steckt ist klar. Schliesslich bleibt der Sündenbock bei gleicher Funktion austauschbar. Man könnte ja mal davon ausgehen, das das Stand der wissenschaftlich-kritischen Diskussion ist. Und die plausibelste Erklärung weshalb sich Kreise die nach der Macht streben Sündenböcken bedienen. Es ist dieselbe Funktion über die als politische Praxis zu sprechen ist.

    • @Martinxyz:

      " Man hat inzwischen einen aktualisierten, massenkompatibleren Sündenbock .... "

      Die Partei, die ich wie Sie verachte, die AfD, ist aber auch ein Sündenbock. In diesem Fall der Sündenbock für den antisemitischen Anschlag.

      Gibt es gute und schlechte Sündenböcke? Kann man mit Sündenböcken Rassismus und Antisemitismus bekämpfen?

  • Das ist so ein verquastes journalistisches Verständnis von „Ausgewogenheit“.



    Die meinen, dass zu jedem Thema alle denkbaren Positionen gehört werden müssen- egal wie abstrus diese sind und wie kontraproduktiv, wenn es um Erkenntnisgewinn geht.



    Beim Thema Klimawandel wird irgendwelchen „klimaskeptischen“ Spinnern die gleiche Redezeit eingeräumt wie seriösen Wissenschaftlern - beim Thema rechte Hetze und Antisemitismus wird dann halt auch den Hetzern und Antisemiten Raum geben....

  • Kommentar entfernt, bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Moderation

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @magritte:

      1990 waren die Pol-Position ZUFÄLLIG gut besetzt.

      Ibrahim Böhme SPD nicht geschafft!



      Manfred Stolpe SPD geschafft!



      Wolfgang Schnur DA nicht geschafft!



      Gregor Gysi SED-PDS-Linke geschafft!



      Lothar de Maizière CDU geschafft!



      Im Verbund passt da Frau Kahane sehr gut dazu.

      www.tichyseinblick...er-sind-unter-uns/

      Die Revolution frisst ihre Kinder!( im Gang der Ereignisse bleiben ihre Initiatoren leicht auf der Strecke)

      Die Menschen die viel riskiert haben Mut, Einsatz, sehr hohes Risiko verschwinden in der Anonymität oder bekommen Ruhigstellungsposten.



      .

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @magritte:

      Wie ist nochmal die Strafe für eine Zusammenarbeit mit der Stasi?

      Lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung?

      • @88181 (Profil gelöscht):

        [...] Dass ein Meuthen-Interview hier absolut verlorene Sendezeit darstellt, sind wir uns wohl alle einig.

        Kommentar gekürzt, bitte beim Thema bleiben. Danke, die Moderation

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @Emmo:

          Exakt!



          So ganz am Rande ist es immer noch nicht aber es wird!

          Letzter Absatz im Artikel 100% Pro!(älterer Mensch..)

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Emmo:

          Auch wenn die Vorfälle fast 40 Jahre her sind.

          Und:

          "In den MfS-Akteneinträgen wurde sie als „unzuverlässig, politisch-ideologisch unausgereift und schwer zu führen“ eingestuft"

          Und:

          " Er legte im November 2014 seine zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme vor: Die Akten, die das BStU zur Verfügung gestellt hatte, seien nahezu vollständig und zeigten nicht, dass Kahane als IM von 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt habe."

          "de.wikipedia.org/wiki/Anetta_Kahane"

          Was die Verjährung anbelangt, hätte sie wohl ein paar Leute totschlagen können.

          Aber Moral verjährt wohl nie.

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Das Problem bei dem Artikel und dem Zitat ist es, soweit ich es überblicke, dass Kahane die Studie selber in Auftrag gegeben hat.

            • 8G
              88181 (Profil gelöscht)
              @Rudolf Fissner:

              Das habe ich auch gerade gelesen. Das muss aber nicht bedeuten, dass sie gesagt hat, was hineingeschrieben werden soll.

              Die Grünen beispielsweise haben das Gutachten, das die Missbrauchswürfe untersuchen sollte, auch selbst in Auftrag gegeben.

            • @Rudolf Fissner:

              Na, dann doch besser Meuthen und Konsorten weiter einladen, scheint ja angeblich demokratisch gefestigter...

              So ein Schmarrn, die Stasi-Keule wird immer nur ausgepackt, wenn es Menschen sind, die in den vergangenen 30 Jahren was auf die Beine gestellt haben und intelligente Persönlichkeiten sind und vor allem Ideen zur Gesellschaft und konstruktives zu sagen haben. So neben Gregor Gysi, Anetta Kahane z.B. auch Andrej Holm.

              • 0G
                05158 (Profil gelöscht)
                @Hanne:

                Fragen sie doch mal die betroffenen Menschen welche Druckpunkte durch die Keule z.b. die aufgeführten Personen Gysi, Kahane, Holm heute immer noch schmerzen!



                Keinen Orden für Widerstandskämpfer!

                de.wikipedia.org/wiki/Andrej_Holm

                Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Jungs und Mädels die Kurve genommen haben(alles mitgenommen was geht)

              • @Hanne:

                Ihr Ding, wenn Sie da meinen mit den Rechtshampels.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wer für die unrühmliche Geschichte dieses Landes und seiner bis heute nur oberflächlich bewältigten Vergangenheit Augen - oder Sehhilfen - benutzt, sollte mit seinen Verlautbarungen ein klein wenig leiser und zurückhaltender sein.

    Der hier von Foristen entdeckte "Auftrag" der ÖR-Medien und ihre Praxis waren bis Ende letzten Jahrhunderts zwei Paar Schuhe, die nicht miteinander kompatibel sind.

    Mal einen etwas längeren Blick in die deutsche Mediengeschichte werfen. Da besteht wahrlich kein Grund zur Beruhigung.

  • Natürlich sollen die öffentlich rechtlichen R. Informieren. Wenn aber das Interview keine Aufklärung verspricht, sondern eher nur Sprechblasen und Verschleierung, dann sollte man sich um unabhängigere Partner bemühen. Zu vielen Themen, wenn es nicht gerade Beschlüsse der eigenen Partei betrifft, sind Politiker*innen nicht die erste Wahl. In Talkshows langweilen sie schon seit langem das Publikum.

  • „Meuthen ist womöglich der langweiligste Interviewpartner, den das deutsche Fernsehen zu bieten hat“



    Das ist doch aber nicht entscheidend! Ob ein Interview „langweilig“ ist, hängt doch eher vom Moderator ab: Er muss „nur“ die „richtigen“ Fragen stellen! Wer mit solchen Leuten lieber kein Interview führen möchte, gesteht damit die eigene Kapitulation ein, weil er sich deren Argumenten nicht gewachsen fühlt.



    Das ZDF hat vor einigen Wochen mit „Berlin direkt“ gezeigt, wie mit Populisten vom Schlage eines Höcke gesprochen werden muss, so dass dieser schon drauf und dran war, einige Dinge auszusprechen, die er in aller Öffentlichkeit lieber (noch) vermeidet.

    Sein AfD-Pressesprecher konnte nur noch die Notbremse ziehen. Er kannte wohl seinen Chef und wusste, wenn der jetzt in Fahrt kommt, ist alles zu spät (für die AfD). Schade! Wer weiß, was der Interviewer sonst noch aus Herrn H. herausgekitzelt hätte!

  • Meiner Meinung nach muss die AFD entweder verboten oder wie jede andere Partei behandelt werden.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Was für ein Signal, selbst zu diesem Thema einen von der Nazi-Partei einzuladen.

    Ein Fehler, der seit der Existenz dieses Haufens wieder und wieder gemacht wird.

    Als ob Nazis Interesse an einem demokratischen Diskurs hätten. Haben sie nicht, interessiert sie nicht, wollen sie abschaffen. Deshalb kann man sie mit den Mitteln des Diskurses auch nicht greifen.

    Dies dennoch an so einem Tag zu tun, ist empathielos und dumm. Um es höflich zu sagen.

    • 8G
      87203 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Nun, ist die AFD eine (gerade noch) demokratische Partei und hat einen erheblichen Stimmenanteil.



      Auftrag der oeffentlich rechtlichen ist es unter anderem, die gewaehlten Parteien zu Wort kommen zu lassen.

      Gehoert zur Meinungsfreiheit, die geaeusserte Meinung muss ihnen oder mir nicht gefallen.

      • @87203 (Profil gelöscht):

        Richtig. Fernsehanstalten haben keinen missionarischen Auftrag, sondern sollen informieren. Und damit auch Vertreter aller relevanten Parteien zu Wort kommen lassen.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @87203 (Profil gelöscht):

        Hätte der eine oder andere Redakteur einen Arsch in der Hose, hätte zumindest dieser Auftritt nicht stattgefunden.

        Und, anscheinend hat auch nicht einer der Talk-Master und Talk-Masterinnen einen noch so bescheidenen Versuch unternommen, mal keinen von denen einzuladen.

        Das ist dann wohl der aufrechte Gang.



        Streng Öffentlich-Rechtlich.

  • Was hat man den erwartet? Das Meuthen einknickt und sich nicht vor seine voll deppen Partei stellt? Das er geläutert in Buße verfällt?

    Die verdienen doch gut mit ihrem Haß und Spaltung. Die kommen vor Lachen gar nicht mehr in den Schlaf. Super Gehälter beziehen und seine abscheuliche Weltanschauung in die Welt kotzen. Klingt nach nem Traum Job.

    Hetzen, lűgen und rum opfern.....

    • RS
      Ria Sauter
      @Proktologe im Dienst:

      Zustimmung.



      Diesen Nazis eine Bühne zu bieten geht nicht, geht nur im direkten Gegenüber von einem, der sich mit den Lügen auskennt.