Mesut Özils DFB-Rücktritt: Maskulinismus besiegt Melancholie
Der DFB-Rücktritt des Weltklassespielers Özil ist auch ein Triumph der Alphamänner im Feldherren-Fußball. Seine Körpersprache passte ihnen nie.
Özil sei „aufreizend, nicht nur als ,Türke' oder Muslim, ein „postheroischer, andersmännlicher Sportler“, schreibt René Aguigah von Deutschlandfunk Kultur auf Facebook – und verlinkt zu einer Hommage des Standford-Professors Ulrich Gumbrecht aus der Zeitschrift 11 Freunde: Dort feiert Gumbrecht die „erhabenen Momente“ in Özils Spiel als „Eleganz des Minimalismus“: Ihm gelängen „Pässe, die eher aus dem Nichts zu kommen scheinen als aus der epischen Tiefe des Raums.“ Professorale Schwärmereien sind dem gemeinen deutschen Fußballfan mindestens so suspekt wie der Versuch, die Qualitäten eines Spielers statistisch zu belegen.
Das tut Exprofi Stefan Reinartz mit dem „Packing“: Dabei wird gezählt, wie viel gegnerische Spieler mit einem Pass überspielt werden. „Özil polarisiert ohne Ende, aber nur in Deutschland – in England und Spanien wird er gefeiert“, sagt Reinartz. „Er ist ja auch ein seltsamer Spieler: Viele Tore schießt er nicht, ein richtig guter Dribbler ist er auch nicht, und er ist auch nicht besonders schnell.“ Aber: „Er ist die beste Anspielstation. Über ihn sind bei der EM 2016 mit die meisten Gegenspieler überspielt worden, 66. Özils große Stärke ist das Raumverhalten zwischen den Linien. Da ist er der Beste der Welt.“ Und es sieht mühelos aus. Wer Fußball ohne Mühsal spielt, der gerät unter Verdacht.
„Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist“, verkündet Uli Hoeneß in Sport Bild. Özil habe „seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen.“ Womit der Bayern-Patriarch sogar Recht haben könnte. Unnötigen Zweikämpfen geht Özil aus dem Weg, er sucht spielerische Lösungen. Groß ist er in dem, was er nicht tut. Keine Verzweiflungsschüsse! „Hauptsache Abschluss“, sagt eine dieser ewigen Fußballweisheiten, der Schussversuch aus ungünstiger Position soll Willensstärke signalisieren, führt aber kaum zum Erfolg. Besser: Keine Flanken auf gut Glück! Nie hebt Özil die Kugel in den Strafraum, in der vagen Hoffnung auf einen Mitspieler. Stattdessen: weiterspielen und Lücken finden. Risikopässe auf engstem Raum, wenn’s klappt, ist es meistens ein Tor.
„35 Millionen Follower-Boys“
Für solche Feinheiten wird der feine Fußballer Mesut Özil geliebt – und gehasst. Gehasst vor allem von Alphamännern des Feldherren-Fußballs. Wenn er die Hymne nicht singt, soll er nicht für Deutschland spielen, meint Stefan Effenberg, Körpersprache wie ein toter Frosch, blökt Mario Basler. Putin-Freund Lothar Matthäus erkennt, dass Mesut sich im Nationaltrikot nicht wohlfühlt, und Hoeneß würzt seine Tirade mit einer Verschwörungstheorie von Özils „35 Millionen Follower-Boys – die es natürlich in der wirklichen Welt nicht gibt“.
„Follower-Boys“? Das klingt nach „Yogis Schwulencombo“. So bezeichnete Michael Becker 2010 die Nationalmannschaft. Becker war Berater von Michael Ballack, dem letzten Alphamann, der gerade der Schwulifizierung der deutschen Auswahl zum Opfer gefallen war, ins Werk gesetzt von den notorisch unter Homoverdacht stehenden Philipp Lahm und Joachim Löw. Özils Rücktritt ist nicht nur ein Triumph des Rassismus, er ist auch einer des maskulinistischen Rollbacks von rechts, in dem kernige weiße Heteromänner ihre Machtpositionen gegen Genderwahn und Diversity vorwärtsverteidigen.
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