Kommentar Rücktritt aus der Nationalelf: Danke, Özil!
Nicht einmal einer der weltbesten Fußballer ist als Deutscher gut genug. Mit dieser Botschaft spricht Mesut Özil leider vielen Migranten aus dem Herzen.
M esut Özil hat die Schnauze voll. Das kam mit Ansage. Als Deutschland noch über ihn stritt, sandte er bestens gelaunte Sommergrüße via Twitter. „Es geht mir gut“ – noch immer die schönste Art, „Fuck you“ zu sagen. Er ließ streiten, anstatt es selbst zu tun, weil es keinen Sinn macht, in Deutschland über Integration zu diskutieren. Das ist die harte Bilanz.
Özil sprengt die Rolle des Vorzeigemigranten: Der Diskurs lohnt nicht, weil die deutsche Öffentlichkeit den ungehorsamen Migranten zerfetzt, selbst wenn er Erfolg hat. Özil „durfte“ sich nicht einmal an seiner alten Schule engagieren! Gerade das hat ihn tief getroffen – und es zeigt, wie integriert dieser Mann ist: Wer sich wegen eines verweigerten Ehrenamts verletzt fühlen kann, ist ein waschechter Deutscher.
Erfolgreiche Deutsche mit Wurzeln wo auch immer werden ab jetzt den verängstigten Deutschen nicht mehr bestätigen, dass man Einwanderer nicht fürchten muss. Sie brauchen keine Integrationspreise mehr, die sagen: Schau, den haben wir gut hinbekommen!
Als Ex-Bundespräsident Gauck zur Einbürgerungsfeier lud, um deutsche Weltoffenheit zu feiern, war er derselbe Joachim Gauck, der wenig später die Sprachkenntnisse unserer Eltern mit Spott und Tadel versehen würde? Sind dafür alle Eingebürgerten ins Bundespräsidialamt gepilgert, um für ihn zu ministrieren? Mesut Özil sagt: Es reicht. Er wird vielen aus dem Herzen sprechen – trotz des Bilds mit Erdoğan.
ist Autorin und Publizistin. 2016 erschien ihr Roman „Made in Germany - Was ist deutsch in Deutschland?“ bei Hoffmann und Campe.
Integrationserpressung in Reinform
Özil verbrennt damit Millionen, die in Integrationsprojekte gesteckt werden, weil ab jetzt jeder Taxifahrer, jedes Kind und die ganze Welt wissen: Nicht einmal einer der weltbesten Fußballer ist als Deutscher gut genug.
Özils Bombe ist ein Befreiungsschlag. Die deutsche Gesellschaft ist kein Magnet mehr, nach dem sich alle ausrichten werden.
Von einem Nationalspieler mehr Haltung zu verlangen als von der eigenen Regierung, die mit der Türkei Flüchtlingsabkommen abschließt und Handel betreibt, ist Integrationserpressung in Reinform. Und das in Zeiten, in der eine WM in Russland läuft und die nächste in Katar, alles Hochburgen der Demokratie.
Özil sagt jetzt: Wer Erfolg hat, spielt das Spiel nicht mehr mit! Vive la Liberté! Wir spielen das Spiel jetzt nach unseren Regeln!
Lesen Sie zum selben Thema den Text Mesüt Özil tritt zurück und den Text Der Fall Özil ist ein Fall Grindel von Jan Feddersen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe