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Lohnfortzahlung im KrankheitsfallEine Frage des Vertrauens

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag streichen? Bei Faulpelzen ist das sicher angebracht. Aber die meisten Kol­le­g:in­nen machen nicht blau.

Vertrauen ist gut Foto: imago

V ersetzen wir uns einmal in die Lage von Arbeitgeber:innen, also zum Beispiel in die von Allianz-Chef Oliver Bäte. Der Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns würde die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag am liebsten abschaffen. Es melden sich einfach zu viele Menschen zu oft krank, argumentiert er, nämlich durchschnittlich 20 Tage im Jahr. In der EU hingegen seien es im Durchschnitt nur 8 Tage.

Als Res­sort­lei­te­r:in ist man zwar nicht direkte Arbeitgeber:in, in jedem Fall aber verantwortlich dafür, dass der Laden läuft. Und als Res­sort­lei­te­r:in weiß man auch, was es bedeutet, wenn Kol­le­g:in­nen sehr häufig krank sind: Die Arbeit wird abgewälzt auf jene, die im Büro, an der Werkbank oder wo auch immer brav am Platze sind. Solange das Vertrauensverhältnis zwischen Che­f:in und Kol­le­g:in stimmt, solange sich Vorgesetzte darauf verlassen können, dass ihre Untergebenen nicht blaumachen, ist das alles kein Problem. Wer krank ist, muss sich auskurieren, Ende der Diskussion.

Doch wenn sich Kol­le­g:in­nen überaus oft krank melden, sogar öfter als 20 Tage im Jahr und gern am Montag oder Freitag, für einen oder zwei Tage, ist es Ar­beit­ge­be­r:in­nen nicht zu verdenken, dass sie stutzig werden. Die Lohnfortzahlung für den ersten Tag dann streichen zu wollen, ist in solchen Fällen durchaus nachvollziehbar.

Aber das Ganze könnte nach hinten losgehen. Nein, nein, nicht für Arbeitnehmer:innen, die einen Teil ihrer Krankheitskosten dann selbst tragen müssten, sondern für die Arbeitgeber:innen. Clevere Blau­ma­che­r:in­nen – doch, das darf man sagen, denn die gibt es in jedem Unternehmen – lassen sich dann gleich für eine ganze Woche krankschreiben. So nach dem Motto: Wenn ich schon Miese mache, dann organisiere ich mir wenigstens ein paar Tage mehr Freizeit – und lass mir die bezahlen.

Klingt hart, neoliberal, voreingenommen? Vielleicht. Aber die Erfahrung lehrt: Manchmal ist Misstrauen angebracht. All die anderen aber, die Mehrheit der Kolleg:innen, die darf man nicht bestrafen. Man würde nur ihr Vertrauen verlieren. Und: Res­sort­lei­te­r:in­nen sind auch nur Arbeitnehmer:innen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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31 Kommentare

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  • Wenn man das Gros der Kommentare liest, bekommt man einen Eindruck von der sozialen Zusammenstellung der TAZ-Leserschaft. Normale Angestellte kennen es eher so herum: Oft wird noch krank zur Arbeit gegangen! Das hilft am Ende niemandem und ist getrieben von einer übertriebenen Arbeitsmoral oder der nackten Angst um den Arbeitsplatz. Diese Idee ist mal wieder so richtig typisch! Vorverurteilungen bei Arbeitnehmern werden nicht einmal als Problem angesehen. Ich möchte den Aufschrei mal erleben, wenn Sondersteuerprüfungen für sämtliche Einkommensmillionäre gefordert würden.



    Dass ein hoher Krankenstand auch etwas mit der grundsätzlichen Arbeitsorganisation zu tun haben kann (Stichwort: Arbeitsverdichtung!), kommt in der ganzen Disk. keinem in dem Kopf. Es ist ja auch möglich, dass diese Zahlen anzeigen, dass die Belastung in vielen Berufen an irgendeinem Punkt zu viel geworden ist. Krankheitsbilder wie Burn-Out werden ja auch immer häufiger. Außerdem wäre eine Aufschlüsselung nach Arbeitsplatz evtl. erhellend: möchte wetten, dass der Krankenstand in Vorstandsetagen geringer ist - aber dort ist das Verhältnis von Arbeitsleistung vs. Verdichtung vs. Lohn auch ein völlig anderes!

  • Natürlich wäre es für den einen oder anderen angebracht aber für die Mehrheit wäre das nichts.

  • Als kleiner Arbeitgeber erhalte ich Erstattungen von meist 80% für Krankheitstage aus der Umlage. Natürlich weiß ich, dass Krankheitstage vermehrt dann auftauchen, wenn Stress im Job herrscht, bei mir als Anwalt meist am Jahresende mit vielen Fristsachen. Es würde mit aber gar nichts nützen, wenn diese Flucht in den freien Tag, den ich ja gegenwärtig auch von der Krankenkassse weitestgehend bezahlt bekomme, wegfällt, und ich dann mit dem Arbeitnehmer zusätzlichen Beef habe, weil der erste Tag ihm nicht bezahlt wird, so dass er dann lieber gleich die ganze Woche blau macht.

  • Man sollte an der Stelle erwähnen, dass bei der Allianz schon viel getan wurde, z.B. Homeoffice sehr stark genutzt wird. Interessant wäre aber, wie sich die Krankheitstage bei der Allianz in den letzten 10 bis 15 Jahren entwickelt haben. Denn als Arbeitgeber zählen ja nicht nur die Scheine, die bei der Krankenkasse gelandet sind, so dass man da ein viel besseres Bild hat.

  • Bäte und der Lakai Raffelhüschen neoliberalisieren wieder jenseits von Wirklichkeit und Zweckmäßigkeit.



    Soll wieder Ansteckung das Ziel sein? Wo Work from home nicht existiert? Bereits heute kann am ersten Tag ein Attest verlangt werden (es lebe die Bürokratie). Bevor sich also extrem überbezahlte Ex-Burschi-BWLer äußern, sollten sie sich über Basics schlaumachen.

  • "Clevere Blau­ma­che­r:in­nen – doch, das darf man sagen, denn die gibt es in jedem Unternehmen"

    Ist das so? Ich arbeite in einem Team von 17 Erzieher:innen und bin mir sicher wenn da jemand montags fehlt, geht es ihm oder ihr nicht gut. Allen ist klar was es für den Rest des Teams bedeutet, wenn jemand fehlt. Alle tragen aber auch absolut mit, dass zu Hause bleibt, wem es nicht gut geht. Dazu ist der Job zu fordernd. AU ab dem dritten Tag halte ich für vernünftig. Es kommt vor, dass ich nach einem Tag zu Hause wieder auf dem Damm bin. Wenn ich die Hälfte dieses Tages im Wartezimmer verbringen muss, werden eher zwei Tage draus, oder meine Ärztin schreibt mich für eine Woche krank, damit ich nicht übermorgen wieder auf der Matte stehe. Wenn ein AN tatsächlich ständig an einzelnen Tagen krank "feiert", ist die Führungskraft gefragt. Ansonsten kann jeder AG ab dem ersten Tag eine AU verlangen, aber nach meiner Erfahrung spricht das für mangelndes Vertrauen und generiert mehr Kranktage.

    Am ersten Kranktag die Lohnfortzahlung zu streichen schädigt die AN, die wirklich einen Tag krank sind. Oder s.o. - mehr Kranktage.

  • ich emfinde es sowiso schon als Schikane, dass ich für verschreibungspflichtige Medikamente jedes Quartal meine Karte beim Arzt abgeben muss. Eine Krankschreibung ab dem ersten Tag würde ich als Extra-Schikane emfinden.



    Keine Lohnfortzahlung wäre nicht schikanös, allerdings wäre ich dann ohne jedes schlechtes Gewissen sehr oft einen Tag lang krank (gibt halt dann auch keinen Mehrwert mehr).

  • Warum nicht andersherum

    In den USA, bekannt für wenige Urlaubstage in Arbeits-/Tarifverträgen, gibt es Regelungen die abgestuft zusätzliche Urlaubstage generieren.

    0 Krankheitsbedingte Fehltage > 10 zusätzliche Urlaubstage



    1 Krankheitsbedingter Fehltag > 8 zusätzliche Urlaubstage



    usw.

    • @jeggert:

      GANZ dünnes Eis! Genau das hat heute morgen nachweisbar ein FDPler vorgeschlagen, also ist es Böse! Böse! Böse!

      Man muss aber tatsächlich sagen, dass gerade eine Überkompensation (also dass ein Fehltag zwei Urlaubs-Bonustage kostet) natürlich die Schwelle sehr stark anhebt, sich diesen ersten Fehltag zuzugestehen. Dann lieber gar nicht erst zum Arzt, wenn man hustet und röchelt...

    • @jeggert:

      So ist es bei uns in der Firma geregelt. Je ein Bonusurlaubstag für jedes Quartal ohne Krankmeldung und 1 Bonustag für alle Nichtraucher.

  • Es ist doch wie zu fast jedem Thema: egal ob 2,5 oder 10%, in jedem Bereich gibt's die Trickser und Selbstoptimierer auf Kosten Anderer, letztlich Betrüger.



    Völlig egal ob Sylvesterböller mittags, morgens abends, Steuerehrlichkeit bei Cum Ex, Jahressteuer oder Erbschaft, im Straßenverkehr sowieso, bei jedweder Bescheinigung die einem nützt ebenfalls.



    Was ist also zu tun, auch unter dem Aspekt Gleichbehandlungsgrundsatz?



    "Och alles nicht so schlimm und xund90% sind doch ok?" Nee, genau nicht, die xund90% sehen das nämlich meist ein und freuen sich über faire Verhältnisse. Und nein, es geht nicht darum Misstrauen zu fördern, sondern verlorenens Vertrauen, gegenüber einem als unfair agierendem Staat wieder herzustellen.

  • In meinem Unternehmen sind viele Kollegen oft nur einen Tag krank geschrieben und das auffallend oft an Freitagen und Montagen.

    Ich wäre tatsächlich dafür da die Lohnfortzahlung abzuschaffen. Ist jemand eine ganze Woche krank, dann sollte aber auch der erste Tag bezahlt werden.

    • @Juleischka :

      Damit auch gleich die Woche genommen wird?

      Kleine Denksportaufgabe: warum sind Freitag und Montag ohne Blaumachen häufiger krank als andere Tage? Weil man sich ins Wochenende (fast) rettet oder es versucht hatte, womöglich?

      Tipp: Wertschätzungskultur für alle senkt auch schon empirisch die Krankheitsrate. - Danach hört sich das gerade noch nicht an.

      • @Janix:

        Dem Arzt eine einwöchige Krankheit vorzugaukeln ist aber schon bedeutend schwieriger als ein Tag, wo es reicht zu behaupten Durchfall zu haben.

        Mir ging es auch nicht um die Leute die so viel kriminelle Energie haben, dass sie am liebsten gar nicht arbeiten, sondern die normalen, die mal Krankfeiern, zb. weil sie am Tag zuvor zu viel gebechert haben.

        • @Juleischka :

          Ausgerechnet donnerstags saufen?



          Ich würde tatsächlich, vielleicht mit professioneller externer Unterstützung oder als anonyme Briefkastenbefragung auf den Busch klopfen. Stehen die Tische vielleicht zu niedrig, sind die Führungskräfte kleine Brüllaffen, gibt es unfaire Arbeitsverteilung, steht man "im Zug", kommen Leute mit Covid ins Büro und stecken alle an? Wird Lohn/Wertschätzung als deutlich zu niedrig empfunden? Läuft die Kommunikation gut und transparent? Sind die Ziele klar und gemeinsame Anstrengung oder geht es eher gegeneinander?



          Nach der Bestandsaufnahme könnten Ansätze getestet werden. Denn insgesamt haben alle am meisten davon, dass wer gesund ist, auch arbeitet (und wer nicht, nicht).

  • Es gibt ganz wunderbare Bücher über Motivation.

    Drive von Daniel Pink kann ich hier empfehlen.

    Wenn die Motivation fehlt hilft Druck nicht diese aufleben zu lassen.

    Wenn ein Mitarbeiter blau macht sollte ich mich fragen was an meinem Unternehmen falsch ist dass meine Mitarbeiter es nicht wert finden dafür zu arbeiten sondern "blau machen".

    Vielleicht sollten die Chefs von Allianz und Co Mal selbst reflektieren was sie die letzten Jahre über falsch gemacht haben statt den Fehler grundsätzlich bei der Belegschaft zu suchen.



    Mitarbeiter als auswechselbare Ressourcen zu behandeln und über KPI das letzte auspressen zu wollen aus reiner Profitgier scheint ja wohl nicht so sonderlich gut zu funktionieren. Aber wer bin ich schon um das zu bewerten.

  • Was hilft ist, mal in § 5 EFZG reinzuschauen und dort steht, dass nach § 5 I 2 EFZG schon für den ersten Tag die Vorlage einer AU-Bescheinigung verlangt werden kann. Wenn mensch den halben Tag beim Arzt rumhängen müsste, wäre der Tag nur noch hellblau; deswegen richtet sich die Kritik gegen die telefonische Krankschreibung.



    Im Übrigen regelt das Problem in der Praxis ein guter Arbeitgeber zu sein und die Kolleg*innen schauen dann darauf, dass mitarbeiten lassen nicht kollegial ist. Damit fallen wohl schon die meisten Arbeitgeber raus und wenn es nicht zum aushalten ist...

  • Zum einen gehört die telefonische Krankschreibung wieder abgeschafft.



    Ich weiß die Stoßrichtung war eine Entlastung der Hausarztpraxen, aber es ist ein sehr anfälliges Instrument für Betrug. Und wie soll ein Arzt überhaupt eine adäquate Diagnose via Telefon stellen? Wenn es zumindest via Videoanruf wäre...



    Und zweitens müssen die Karenztage weg. Ein bis drei Tage (je nach Arbeitgeber) krank zuhause ohne gelben Schein ist auch viel zu verlockend.



    Allein das es mittlerweile einen Begriff wie die "Bettkantenentscheidung" gibt zeigt wie fatal sich die Arbeitsmoral entwickelt hat.



    Würde man die beiden Stellschrauben Karenztage und telefonische Krankschreibung zurückdrehen würde der Krankenstand definitiv spürbar sinken, jede Wette.



    Und erzähle mir keiner die Menschen seien durch Corona sensibler geworden oder unser Immunsystem habe deshalb noch Nachholbedarf - der Artikel führt es ja selbst auf, die Krankmeldungen in Deutschland liegen mehr als doppelt so hoch als im europäischen Mittel - die restlichen Europäer hatten auch Corona und waren auch im Lockdown...



    Wir müssen zurück zu Fleiß und Arbeitsmoral - den Wohlstand von heute haben wir nicht durch Karenztage und Bettkanten aufgebaut.

    • @Farang:

      Ein Troll ?

      Vielleicht erstmal zur Begriffsklärung:



      Der Otto von der Allianz spricht vom Wegfall der Lohnfortzahlung - egal ob Gelber Schein oder nicht.



      Das ist gesetzlich geregelt.



      Die andere Sache ist, ab wann ein Arbeitgeber einen Gelben Schein sehen möchte - ab dem 1. oder dem 3. Tag Krankheit. Das ist jedem Arbeitsgeber überlassen.

      Und zur telefonischen Krankschreibung: Klar ist das einfacher und die Hemmschwelle ist kleiner. Gern auch per Video, warum nicht. Aber ob ich nun an der Kamera, am Telefon oder beim Arzt jammere, ist doch wurscht. Wenn ich simulieren will, dann man ich das auch vor Ort. Das hat es doch schon immer gegeben, und die Ärzte die gern und lang krank geschrieben haben, waren doch bekannt.

    • @Farang:

      @Farang: Tatsächlich ist es bei mir so, dass die Krankheitstage, die durch eine Coronainfektion zustande kamen, meine durchschnittlichen Krankheitstage der 10 Jahre davor entsprechend erhöht haben. Sprich ohne diese Infektionen läge ich (abgesehen von einem Unfall) weiter bei diesem Durchschnitt. Das ist auch bei anderen, die ich kenne, ähnlich.

      Und der andere Punkt: Ich habe ehrlicherweise die Krankschreibungen meistens nicht an die Krankenkasse geschickt. Da ich ohnehin nie ins Krankengeld gekommen bin, hatte das auch keine Auswirkungen. Wenn dann darauf basierend die Durchschnittswerte erfasst wurden und heute dank eAU alles korrekt erfasst wird, das darüber läuft, ist klar, dass die Werte gestiegen sind.

    • @Farang:

      Die Karenztage darf doch jeder Arbeitnehmer abschaffen und die AU am ersten Tag verlangen.



      Wenn das aber trotz der Vermutung, dass die Leute nur blau machen, kein Arbeitgeber nutzt, scheint das ja auch von Arbeitgeberseite nicht gewollt zu sein.



      Und übrigens liegt Deutschland nicht nur bei den Krankheitstagen, sondern auch beim Anteil älterer Arbeitnehmer in Europa recht weit vorne. Das hat bisher auch noch niemand auseinander gerechnet, wie das zusammenhängt.

      • @Herma Huhn:

        "Die Karenztage darf doch jeder Arbeitnehmer abschaffen und die AU am ersten Tag verlangen."



        Fragt man sich doch glatt, warum der Mann das nicht tut und stattdessen populistische Stimmungsmache betreibt.

  • Das kann auch nach hinten losgehen, weil gerade in schlecht bezahlten und körperlich fordernden Berufen Menschen krank zur Arbeit gehen, weil sie sich den Lohnausfall nicht leisten können. Was schlußendlich in einer längeren Krankschreibung, angesteckten Kolleg:innen und schlimmstenfalls dauerhaft reduzierter Leistungsfähigkeit endet.

    Und vielleicht müssen sich Arbeitgebende damit abfinden, dass nicht mehr sie allein in der Lage sind Arbeitnehmende zu schikanieren, weil sich in Zeiten von Fachkräftemangel auch solche Kräfteverhältnisse verschieben. Bestenfalls lernen dann auch die letzten "Bosse" noch den anständigen Umgang mit ihren mitarbeitenden Mitmenschen.

  • taz: *Allianz-Chef Oliver Bäte [...] würde die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag am liebsten abschaffen.*

    Schon wieder so eine "tolldreiste Idee" von einem Menschen der Betriebswirtschaftslehre studiert hat; also die 'Welt der echten Arbeit' nur theoretisch kennt, zuhause aber nicht einmal einen Nagel gerade in die Wand schlagen kann. Leute wie Oliver Bäte möchten wohl gerne das 'US-Modell' bei uns einführen, wo kranke US-Amerikaner sich zur Arbeit schleppen, weil sie Angst vor einer Kündigung haben.

    Was soll eigentlich das Wort "Faulpelze" im taz-Kommentar? Bin ich hier noch in einer linken Zeitung oder doch schon in der Springer-Presse, wo man gerne mit diesem Wort um sich wirft, um damit von den echten Faulpelzen und Schmarotzern geschickt abzulenken?

    • @Ricky-13:

      Die Unterscheidung zwischen Faulpelzen und kranken Arbeitnehmern sollte doch im Artikel sehr deutlich geworden sein. Da geht es doch genau um diesen Verdacht gegen alle Krankgemeldeten. Oder ist es nun schon nicht mehr links genug, wenn man jemanden, der ohne Krankheit krankfeiert, als faul ansieht? Ohne Worte...

  • Sicher, wer seinen Beschäftigten zutiefst mißtraut, ist dafür sie für ihre Krankheit zu bestrafen, nur wenn das Mißtrauen auch den Mitarbeiter erfasst, kann es schnell zu Verlust gereichen und neue Mitarbeiter zu finden, die immer gesund bleiben ist mit Sicherheit ein Zauberkunstück - aber sicher, wenn der Wind aus der rechten Ecke immer stärker wird, werden viele Arbeitnehmer, wie in D so üblich, einknicken und diejenigen, die Solches propagieren reiben sich die schmutzigen Hände ...

    Schöne neue alte Welt

  • Geschwächtes Immunsystem dank Coronamaßnahmen und Überalterung hinterlassen nun mal ihre Spuren.

    Grund genug, um darüber ein Deutschland eine Schaufensterdebatte zu führen.

  • Da Prof. Raffelhüschen ja schon nachgelegt hat, wollen wir doch bei der Wahrheit bleiben:



    „Die Lebenserwartung von Armen geht zurück. [....] Arme müssen nicht mehr so lange arm sein wie früher. Das ist ja eigentlich ein Positivtrend.



    taz.de/Die-Wahrheit/!5105276/

  • Ich wüsste nicht, warum man als Arbeitnehmer auch nur ein das geringste bisschen Sympathie auf das Getrommel der Kapitalseite haben sollte, die aus Zwecken der Meinungsmache Faulpelze und (chronisch) Kranke pauschal in einen Topf werfen und sich zu denkfaul geben, darauf zu kommen, dass in Ländern mit geringerem Krankenstand sich vielleicht viele Kranke schlicht nicht leisten können, zuhause zu bleiben und dann krank zur Arbeit gehen müssen.

    Das Recht bei Krankheit sanktionsfrei zuhause zu bleiben, müssen wir Arbeitnehmer aber kompromisslos verteidigen, denn die "Sozialpartnerschaft" kennt seit langem nur Zugeständnisse in eine Richtung! Der Arbeitgeber kann ja auch auf einer Krankschreibung bestehen, wenn er Zweifel an der rechtmäßigkeit hat.

    Auf keinen Fall sollte man sich auf eine vorgeschobene Gerechtigkeitsdebatte einlassen. Ein paar hervorgezerrte "Faule" als Sündenböcke durchs Dorf zu jagen, um dann die gesamte Arbeiterklasse disziplinieren zu können ist nichts weiter als Klassenpolitik von Oben und als nichts anderes sollte es jeder mit einem bisschen dialaktischem Verständnis auch enordnen. Insbesondere natürlich Autor:innen in einem progressiven Medium.

  • Einer meiner Arbeitgeber hatte eine Art Anreizsystem. Man bekam eine Prämie, und für jeden Tag krank wurde etwas abgezogen - max. fünf Tage, dann war man bei Null.



    Damit waren dann unsere älteren Fahrer (Tanktransport, Heizöl, Wetter, Schichtdienst - eine schwere Arbeit) jedes Jahr raus, die haben nix bekommen. Die jungen haben es versucht - aber wenn die mal wirklich krank waren, dann war es denen auch egal.



    Ich hatte nie das Gefühl, dass es weniger Krankheitstage gab als woanders. Die Tage haben sich lediglich verschoben.

    So wird es hier dann auch sein. Natürlich geht man dann häufiger krank erstmal zur Arbeit. Aber wenn ich dann krank bin (vielleicht auch deshalb, weil man sich nochmal hingeschleppt hat), dann isses doch auch egal wie lange.

    Zudem - wer in der Hackordnung weiter oben steht, der erzählt was von busy und Homeoffice und legt sich dann ins Bettchen.



    Der Amazonfahrer kann das nicht. - aber der hat ohnehin einen bulgarischen Arbeitsvertrag

    • @Tz-B:

      Danke, so isses doch auch.



      Früher hab ich mich schniefend und hustend ins Büro geschleppt, um zu meine Einsatzbereitschaft zu zeigen, dann war ich wochenlang krankgeschrieben, weil die Erkältung ne Bronchitis wurde. Danach waren dann die angesteckten Kolleg:innen dran.



      Heute bleib ich 1-2 Tage zu Hause und dann geht es oft schon wieder, und allen ist gedient. Wenn es nicht reicht, gibt es ne AU, dann wird kuriert.

      Ein Hoch auf Gewerkschaften und Tarifverträge. Und die paar wenigen Kolleg:innen, die es ausreizen, die hat man doch eh immer.