Live-Übertragung von Trump-Briefings: Sogar Fox hat keinen Bock mehr
Der Fernsehsender MSNBC hat erstmals die Übertragung von Trumps täglichem Corona-Briefing gekappt. US-Stationen erwägen, nun gemeinsam vorzugehen.
D ie Show war großartig. Tucholskys Ratschläge an einen schlechten Redner wurden zu 150 Prozent befolgt. Und dann auch noch der peinliche Einspielfilm. Nein, nicht „Anne Will“, die ist ausgefallen, weil ja Ostern war. Gemeint ist das soundsovielte „White House Briefing“ mit einem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Und Donald Trump war in Form.
Derart in Form, dass der US-Nachrichtensender MSNBC die Übertragung abbrach. Hat man das schon mal erlebt? Ein Newskanal kappt das Livegequassel eines US-Präsidenten, und Moderator Ari Melber sagt, völlig zu Recht, „Wir vermeiden jetzt, noch mehr von diesem White House Briefing zu senden.“ Hat man nicht erlebt. Will man auch nie wieder. Wird aber noch häufiger vorkommen.
„Ein Kleinkind hat sich am Montagabend live im Fernsehen in einen Anfall voller Selbstmitleid hineingesteigert. Leider war es 73 Jahre alt, trug eine lange rote Krawatte und regiert das mächtigste Land der Erde“, fasst der Washington-Korrespondent des Guardian, David Smith, den Auftritt zusammen.
Dass Trump Journalistinnen und Journalisten beschimpft und beleidigt und ansonsten 1-a-Stuss erzählt, ist ein alter Hut. Trotzdem markiert das tägliche Corona-Briefing aus dem „White House Press Room“ vom Montag einen Paradigmenwechsel. Denn Trump und sein Team haben dem Press Corps im Weißen Haus mit ihren Einspielfilmchen derart plumpe Falschinformationen und Propaganda serviert, dass der wegretouchierte Trotzki auf den Bildern der russischen Revolutionäre vor 100 Jahren geradezu subtil daherkommt.
So billig, so Trump
Der Grund lag auf der Hand: Die „Fake News New York Times“ (O-Ton Trump) hatte am Ostersamstag eine lange „Fake News“-Geschichte (O-Ton Trump) veröffentlicht, wie sehr Trumps Regierung in der Coronakrise wertvolle Zeit verschenkt und die Warnungen der eigenen Experten in den Wind geschlagen hat. Klar, drum muss er sich aufregen und wie bei Orwells 1984 die Geschichte ändern?
So billig, so Trump. Also gab es einen Wissenschaftler, der im Januar Corona in irgendeiner TV-Show noch nicht für so wichtig hielt. Und einen Zeitstrahl, der zeigen sollte, dass Trump das Virus von Anfang an ernst genommen und entschieden und beherzt gehandelt hat. Auf die entgeistert-höfliche Frage nach der Glaubwürdigkeit dieses vom „White House Social Media Team“ hingerotzten Quarks, rastete Trump dann völlig aus. Alles Fake, die NYT, CBS und CNN sowieso. „Everything we did was right“, so der Präsident.
Kommen wir also zum Paradigmenwechsel. Selbst Fox News übertrug nicht bis zum bitteren Ende. Zwischen den Sendern gibt es vielmehr Überlegungen, die Trump-Show gar nicht mehr live zu senden. Und das wäre dann mal wirklich fast schon ein Happy End.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen