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Linken-Fraktionschef tritt nicht mehr anDietmar Bartsch reicht es

Der Fraktionschef der Linken wird bei der Vorstandswahl nicht erneut kandidieren. Ohnehin ist fraglich, wie lange es die Linksfraktion noch gibt.

Linken-Fraktionsvorsitzender Bartsch bei der Pressekonferenz am 16. August Foto: Philipp Znidar/dpa

Berlin taz | Die Linksfraktion im Bundestag steht vor einem personellen Umbruch. Nach Amira Mohamed Ali hat nun auch Dietmar Bartsch mitgeteilt, bei der Neuwahl am 4. September nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Anders als sie verband er seine Ankündigung weder mit Attacken auf innerparteiliche Geg­ne­r:in­nen noch mit einem Abgesang auf die Linkspartei. Er werde sich „nicht negativ über die aktuelle Situation äußern, sondern darum kämpfen, dass die Linke wieder auf die Erfolgsspur kommt“, sagte Bartsch am Mittwoch in Berlin.

Seinen Entschluss hatte der den Linken-Abgeordneten am Mittwochmittag schriftlich mitgeteilt. Bartsch steht seit 2015 der Fraktion vor, zunächst gemeinsam mit Sahra Wagenknecht, seit 2019 mit Mohamed Ali.

Die Entscheidung, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren, sei „lange vor der letzten Bundestagswahl gefallen“, heißt es in dem Schreiben. In den vergangenen Tagen und Wochen hätten ihn zwar viele „heftig gedrängt, in dieser für die Partei nicht leichten Situation noch einmal zu kandidieren“. Doch letztlich sei er bei seiner Entscheidung geblieben.

Er habe oft erlebt, „wie unserer Partei der Untergang prophezeit wurde“, schreibt der 65-Jährige zur Krise der Linken. „Gemeinsam haben wir das Blatt jedes Mal gewendet.“ Viele würden aktuell wieder über das Ende der Linkspartei schwadronieren. „Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen, wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln, wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen“, so Bartsch in seiner Mitteilung an seine Fraktionskolleg:innen.

Auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz im Reichstag betonte Bartsch, dass sein Rückzug von der Fraktionsspitze keineswegs heiße, dass er „in irgendeiner Weise die Linke aufgegeben“ habe. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagte er. Selbstverständlich werde er sich denn auch dafür einsetzen, „dass es auch im nächsten Bundestag eine linke Fraktion gibt“.

Allerdings ist es höchst fraglich, dass die Linksfraktion überhaupt die gegenwärtige Legislaturperiode überlebt. Ex-Fraktionschefin Wagenknecht hat angekündigt, sich bis zum Ende des Jahres zu entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründen will. Vieles spricht dafür, dass sie es tut.

Die Vorbereitungen ihrer politischen Vertrauten für eine Abspaltung laufen jedenfalls bereits auf Hochtouren. Wenn es so kommt, wäre das auch das Ende der Linksfraktion. Denn verliert sie nur drei Mitglieder, ist der Fraktionsstatus futsch. Neben Wagenknecht könnten sich zwischen sieben und elf Abgeordnete an dem anvisierten neuen „linkskonservativen“ Projekt beteiligen, heißt es aus Fraktionskreisen. Dann bliebe den übrigen Linken-Abgeordneten nur noch die Möglichkeit, eine Gruppe zu bilden, mit weniger Rechten und Ressourcen.

Die beiden Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan dankten Bartsch in einer gemeinsamen Erklärung „für die Zusammenarbeit, die Offenheit und klaren Worte“. Sie seien in den vergangenen Tagen in einem engen Austausch mit ihm gewesen, hätten großen Respekt für seine Beweggründe und bedauerten seine Entscheidung. „Wir wissen, dass wir mit ihm immer einen Verbündeten haben im Kampf um eine starke und geeinte Linke“, so Wissler und Schirdewan.

Wer Bartsch, Mohamed Ali und auch dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Jan Korte, der schon vor Monaten seinen Rückzug angekündigt hat, nachfolgen wird, gilt als offen. Darüber will die zerstrittene Linksfraktion auf einer zweitägigen Klausurtagung Ende August beraten. Den Parteivorsitzenden steht für die Besetzung der Fraktionsspitze ein Vorschlagsrecht zu. Unklar ist jedoch derzeit noch, ob sie es auch ausüben wollen.

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19 Kommentare

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  • Der Untergang der Linken liegt weder im Abgang Bartschs noch in den Zukunfstplänen Wagenknechts begründet, sondern in ihrem Parteiprogramm: Zuviel Identitätspolitik für Wähler, welche eigentlich die Grünen bevorzugen, zu wenig Politik der sozialen Verantwortung für Wähler, die nicht zu den Gewinnern in dieser Gesellschaft gehören.

  • Wer ist verrückt genug einer Partei Regierungsverantwortung an der Wahlurne übertragen zu wollen, die sich nicht einmal selbst erhalten kann. Richtig, so gut wie niemand. Da braucht es noch nicht einmal diverse Elefanten im Raum.

  • Aus meiner Sicht war die Linke von Anfang an eine Fehlkonstruktion. PSD und WASG sind zwei diametral gegensätzliche Weltanschauungen, was sich in der Praxis immer wieder gezeigt hat. Mit Gewalt wurde das immer gerade gebogen, was aber nie zu innerparteilichem Frieden geführt hat. Es wäre an der Zeit jetzt einen Schnitt zu machen und den historischen Fehler zu korrigieren. Zwei linke Parteien wäre jede einzelne stärker als die Linkspartei als Zwangsklammer. Spanien hat gezeigt, wie es besser geht. Dort kämpft die PSOE auck lieber gegen Sumar, als gegen die Konservativen, doch Sumar als solche bleibt zweistellig. Das Festhalten an alten Konzepten hilft niemandem. Die Linke sollte sich teilen - so schnell wie möglich!

  • Mit dem Abgang von Herrn Bartsch dürfte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass es die DIE LINKE zerlegen wird.

    Er schrieb ausdrücklich, "eine linke Opposition werde im Bundestag und in der deutschen Gesellschaft dringend gebraucht". Das lässt vollkommen offen, ob er damit seine Partei meint.

  • Jetzt zeichnet sich ab, dass Wagenknecht mit Erfolg raus gemobbt wurde und nun machen jene die das nicht verhindert haben auch noch den Abflug. Wie bescheuert ist das denn?

    • @uffbasse:

      Pffft. Wer immer wieder bewußt öffentlich gegen Parteibeschlüsse schießt, mitten im Wahlkampf ein Buch veröffentlicht, das mit der eigenen Partei abrechnet und sich dafür noch im BT von der AfD beklatschen lässt, der hat sich -wenn überhaupt- selbst "rausgemobbt".



      Wagenknecht ist sich selbst am Allernächsten und ist der treibende keil bei Splatung der Partei.



      Dass sie in ihrer Argumentation auch in ein, zwei Punkte nicht falsch liegt, ändert daran nicht das Geringste

      • @Deep South:

        Ja, eben.

        Für Egozentriker*innen, die dem gutsituierten, verbürgerlichten Facharbeiter einreden, er sei ärmer und elender als Ukraineflüchtlinge, und die boat people wollten ihm sein Häusle und seinen SUV wegnehmen wollen, gibt es bereits FDP und AfD.

  • "sondern darum kämpfen, dass die Linke wieder auf die Erfolgsspur kommt“, sagte Bartsch am Mittwoch in Berlin."

    Spannend wie er das besser machen kann wenn er seinen Job abgibt.

  • Dann kann ja der eine Flügel mit den Grünen und der andere mit der AfD fusionieren. Das wars dann, der letzte macht die Lichter aus.

  • Können diejenigen die die Linke als Partei verlassen, nicht theoretisch trotzdem in der Fraktion bleiben?

    • @Jesus:

      Bin nicht sicher, aber wenn es ein Direktmandat ist, müsste das eigentlich gehen. Dann hat man ja die Person gewählt und das war auch in der Vergangenheit so, dass Leute dann einen parteilosen Status hatten.



      Aber die Linke ist ja sowieso schon nur wegen der drei Direktmandate drin, sie hatten ja nur 4,9%. Ich schätze, damit ist es dann aus für sie.



      Dann gibt es keine Partei mehr im Bundestag, die unbequeme aber wichtige Fragen an das Parlament stellt. Dann haben wir sozusagen eine "GroOp". Denn Koalition kann man das ja nicht nennen. Momentan sind eigentich alle Parteien in der Opposition. Vor allem gegen die Grünen.

      • @Jalella:

        Nein, die Linke bleibt noch im Bundestag, auch wenn mehrere aus der Fraktion austreten. Nur der Fraktionsstatus ändert sich dann.

      • @Jalella:

        Welchen Sinn soll es machen aus einer Partei auszutreten aber in ihrer Fraktion zu bleiben. Und welchen Sinn sollte es machen wenn die Linke Abgeordnete die aus ihrer Partei ausgetreten sind, weiter in der Fraktion zu belassen. Schliesslich sind die die austreten nicht mehr mit der Politik der Linke einverstanden.

        Rechtlich ist es natürlich möglich das die in der Fraktion bleiben. CDU und CSU bilden ja auch eine Fraktion.

  • Beide Seiten brauchen einander, Wagenknecht kann nicht ohne die Partei die Linke und ihre Struktur, eine eigene Partei aufbauen ist viel Arbeit, erfordert Glück und Netzwerke und vorallem sind so Ein-Frau Parteien immer extrem volatil. Die Linkspartei kann aber auch nicht ohne Wagenknecht und Konsorten schlichtweg weil dann die Wähler fehlen. Das Linke Lager ist ideologisch gespalten aber beide Lager sind nicht lebensfähig ohne einander. Mittelfristig könnte die SPD profitieren die sich ein wenig linker aufstellt und Wähler der Linkspartei absorbiert. Wobei auch die AFD Protestwähler aufnehmen könnte.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""„Sie werden sich ein weiteres Mal irren, wenn die Werte, um die wir in der Gesellschaft kämpfen, wie Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und viel Lächeln, wieder unser Handeln bestimmen und wir zugleich aus der Geschichte linker Parteien die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen“.........""!

    ==

    Bartsch war wohl in der Vergangenheit derjenige der die unvereinbaren Flügel zusammen gehalten hat, weil er genau wußte, das bei einer Trennung "Die Linke" in die Bedeutungslosigkeit mangels Wählerstimmen abgleitet.

    Das Bartsch seinen Rückzug als lange geplant und letztendlich aus familiären Gründen erklärt ist unglaubwürdig . Wer brutalst inszenierten Imperialismus und den Versuch, die staatliche Integrität eines ganzen Volkes auszulöschen, nicht klar und hörbar beim Namen nennt, kann selbst die Hoffnung darauf, das ""Menschlichkeit, Solidarität, Herzlichkeit und Lächeln"" die Atmosphäre dieser Partei prägen wird, getrost vergessen.

    Für das Eingeständnis, das seine politische Idee, unvereinbare Blöcke zu vereinen gescheitert ist - dafür hätte er meinen Respekt bekommen.

  • Der (vermutlich) finale Todesstoß



    Mit Dietmar Bartsch verlässt einer der von außen meist respektierten, gemäßigten linken Politikern die Bühne der Linke. Das dürfte ein harter Schlag für die Linke sein, die nun fast ganz sicher in die Bedeutungslosigkeit abrutschen wird. Ich wähle zwar weder weit rechts noch weit links, aber die Linke als Partei würde ich weit mehr vermissen als die AfD auf ihren völligen Abwegen. Eigentlich schade, wenn/falls sie jetzt von der Politbühne in Berlin verschwindet.

  • Für eine linke Partei gäbe es mehr als genug zu tun. Was ich mir von einer linken Partei in Deutschland erwarten würde: Kampf und Einsatz für

    - gute öffentliche Infrastruktur



    - Löhne, von denen man auch leben kann



    - hohe öffentliche Sicherheit



    - ausreichend bezahlbarer Wohnraum



    - gute öffentliche Schulen und sonstige öffentliche Bildungsangebote



    - Entlastung von Eltern durch ausreichend viele Kitaplätze



    - bezahlbare Energiekosten.

    Wenn diese Punkte verwirklicht würden, wäre für diejenigen Bürger, die auf das obige angewiesen sind (weil sie eben nicht zu den Reichen oder Wohlhabenden gehören), schon sehr viel erreicht.

    • @Stefan Schaaf:

      Und was soll die 4,9 % Partei im Bundestag ändern. Für Geseztzesänderungen braucht man eine einfache oder 2/3 Mehrheit.

    • @Stefan Schaaf:

      Und die Wahrung von Menschenrechten von Migrant/innen