Linke Medien in der Krise: Was verloren geht
Ob „ND“, „Missy“, „Oxi“ oder auch „Katapult“ und „Titanic“: Wir müssen die linke Gegenöffentlichkeit retten. Die Rechten weiten ihre gerade aus.
E s sind keine guten Wochen für das, was einmal als Gegenöffentlichkeit galt. Diese Woche wurde bekannt, dass sowohl das Magazin Katapult als auch das Satireblatt Titanic vor der Insolvenz stehen und Tausende Abos brauchen, um ihre Existenz weiterhin zu garantieren.
Diese Nachrichten reihen sich ein in eine ganze Serie von Hiobsbotschaften: Die linke Tageszeitung Neues Deutschland (ND) warnte im Juni, dass der Zeitung 635.000 Euro fehlten und sie eine Rettungsaktion starten, um das Ende der ND abzuwenden. Auch das feministische Missy Magazine braucht neue Abos, um weitermachen zu können.
Ein echtes, aber leider wenig beachtetes Desaster ist das Ende der gedruckten Oxi. Am 11. August erschien die finale Ausgabe der Wirtschaftszeitung, die eine wichtige Lücke füllte. Denn es gibt schlicht nicht genug Berichterstattung und Analyse über wirtschaftliche Zusammenhänge aus linker Perspektive. Damit erreichte Oxi leider zu wenige Leser. Weiter geht es vorerst als Blog. Zum Glück gibt es noch kleine Publikationen wie Express, die aus sozialistischer Warte ausgezeichnete Berichterstattung und Analysen über Arbeits- und Gewerkschaftsthemen liefert.
Aber die Inflation macht kleinen Publikationen zu schaffen. Druckkosten und Papierpreise sind explodiert, sodass Magazine wie das aufwendig designte Jacobin Spendenaktionen starten mussten. Auch die Monatszeitung AK, die oft wichtige Debatten anstößt und Themen in den Diskurs einbringt, muss immer wieder auf Spenden zurückgreifen.
Wer berichtet über Arbeitskämpfe?
Es ist ein grundlegendes Problem gesellschaftskritischer Medien: Wo die Vertreter des Kapitals oder konservativer Kräfte zahlungskräftige Förderer im Rücken haben oder von Werbeetats großer Konzerne profitieren, haben Linke meist nur ihre Arbeitskraft, die sie unter Wert in publizistische Projekte stecken.
Doch wenn fortschrittliche Medienalternativen verloren gehen, dann verschwinden wichtige Themen aus der Öffentlichkeit. Wer berichtet über Armut oder Arbeitskämpfe, wenn nicht linke Medien? Wer berichtet über Machtmissbrauch und Korruption, wenn nicht linke Medien? Wer recherchiert über illegale Pushbacks und rechte Gewalt, wenn nicht linke Medien?
Katapult ist nicht unbedingt ein klassisches linkes Medium, aber das Magazin ist doch auch mit einem politischen Anspruch gestartet. Eine „kleine Medienrevolution“ hätte das werden sollen. Ursprünglich für seine gewitzten Infografiken und Karten bekannt geworden, wollte Katapult bald mehr: eine Lokalzeitung, eine Journalistenschule und nebenher auch noch ukrainischen Medienschaffenden aushelfen.
An vielen dieser Vorhaben gab es bald Kritik von Beteiligten, aber auch das Kerngeschäft scheint nicht zu laufen. Der Verlag habe 2022 eine Verlust von 290.000 Euro eingefahren. Dass sich Gründer Benjamin Fredrich immer wieder verzettelte, zuletzt mit der größenwahnsinnigen Ankündigung, gleichzeitig zur drohenden Insolvenz ein neues Twitter aufzuziehen, ist deshalb schade, weil Katapult auch gegründet wurde, um in Mecklenburg-Vorpommern dem Anwachsen rechter Umtriebe und Verschwörungstheorien verbreitenden Lokalzeitungen medial etwas entgegenzusetzen.
Ein Trauerspiel in der Mitte
Während es am linken Rand bröckelt, sieht man in der liberalen Mitte der Medienlandschaft ein Trauerspiel. Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen schaffen es partout nicht, den Eindruck zu entkräften, dass sich die Spitzen der verschiedenen Sender auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen vollmachen. Auf Kritik kennen sie nur eine Antwort: sparen.
Dass die Kritik sich nicht an den 18,36 Euro monatlichem Beitrag aufhängt, sondern am Gefühl, dafür nicht genug Qualität zu bekommen, scheint nicht Teil der Kalkulation zu sein. Stattdessen kürzen die Sender das vielfältige Kulturprogramm in Bayern bis zur Unkenntlichkeit zusammen oder streichen in Berlin und Brandenburg hundert Stellen und mehrere Sendungen.
Ist ihre Antwort auf die vielen Probleme der Gegenwart wirklich weniger Information, weniger Reflexion, weniger kritische Auseinandersetzung mit der Welt, der Gesellschaft und, ja, auch der Kultur? Es ist, als würden viele Medienmanager mit einem rein quantitativen Begriff von Leistung operieren, statt qualitative Ansprüche zu begründen. Dabei müsste doch der ÖRR, eben weil er von uns allen finanziert wird, nicht auf die blanken Zahlen starren wie ein Reh im Scheinwerferlicht, sondern könnte seine Freiheit nutzen, um Lücken zu füllen, was private Medien nicht leisten können oder wollen.
Ein rechter Aufstieg
Denn auf der anderen Seite des politischen Spektrums steht der Krise liberaler und linker Medien die Finanzkraft rechter Medienprojekte entgegen. Neben einem florierenden Blätterwald rechter Presse von Compact bis Junge Freiheit sind die Gegner von Freiheit, Gleichheit und Fortschritt nun auch crossmedial unterwegs. Seit Sommer ist Nius online, ein Projekt des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, das vom CDU-nahen Multimilliardär Frank Gotthardt unterstützt wird.
Selbst aus dem Ausland drängen reaktionäre Stimmen auf den deutschen Markt. Die in den letzten Jahren von einer liberal-konservativen Traditionszeitung zu einem hysterischen Anti-Wokeness-Sturmgeschütz mutierte Neue Zürcher Zeitung bedient schon länger eine deutsche Leserschaft. Hans-Georg Maaßen bezeichnete die NZZ darum schon als „Westfernsehen“, als würden wir in einer Diktatur leben.
Auch aus der Schweiz drängt das Magazin Weltwoche nach Deutschland, und zwar mit einem E-Paper und einem ans deutsche Publikum gerichteten täglichen Podcast von Chefredakteur Roger Köppel, der auch Politiker der weit rechts stehenden populistischen Partei SVP ist. Aus Österreich bläst derweil der Sender AUF1 zum „Großangriff“ auf den nördlichen Nachbarn. Dessen Themen sind nach eigener Aussage „ ‚Great Reset‘, Hitzehysterie und Coronalügen“. Die Medienaufsicht will prüfen, ob der Sender nicht mit Einseitigkeit und Desinformation gegen den Medienstaatsvertrag verstößt.
Das klingt nach wenig Widerstand von offizieller Seite. Dabei kam es in den letzten Jahren immer wieder zu unrühmlicher juristischer Drangsalisierung linker Medienprojekte von Indymedia bis Radio Dreyeckland. Der Staat geht gegen linke Medienöffentlichkeit vor, während er der rechten Gegenöffentlichkeit wenig entgegenhält. Wie immer haben Progressive nur einander. Wir können Abos abschließen, spenden, Werbung machen. Denn eine Zukunft ohne linke Gegenöffentlichkeit sieht düster aus. Wie die ak schreibt: „Ein neues Abo können sich viele noch leisten, das Ende linker Medien niemand.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen