Landesparteitag in Potsdam: Grüne wollen AfD-Verbot
Der Brandenburger Landesverband beschließt sein Programm für die Landtagswahl am 22. September und fordert ein Verbotsverfahren.
„Unsere Demokratie sollte ein Verbot der AfD prüfen“, ist eingangs von der Landesvorsitzenden Alexandra Pichl zu hören. Denn der AfD rutsche „die Maske immer mehr vom Gesicht“. Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang als Gastrednerin sieht das kaum anders, auch sie befürwortet, prüfen zu lassen, ob ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht Erfolg haben könnte.
Es ist viel von Gemeinsamkeit zu hören und von Abscheu über das zu hören, was bei dem Rechtsextremen-Treffen unter „Remigration“ lief und laut dem Brandenburger AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt kein Versprecher war, sondern „ein Versprechen“ für den Fall einer AfD-Regierungsübernahme sein soll.
Was in ihren Eingangsreden weder die Grünen-Parteispitze noch die designierten Spitzenkandidaten Benjamin Raschke und Antje Töpfer ansprechen: In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Instituts Insa im Auftrag mehrerer brandenburgischer Zeitungen sprechen sich auch 51 Prozent der Grünen-Anhänger für eine härtere Asylpolitik in Deutschland aus – mehr als bei der FDP mit 39 Prozent. Führend hier mit 89 Prozent und gleichauf mit der AfD: das „Bündnis Sahra Wagenknecht“, das in der Umfrage aus dem Stand auf 13 Prozent gekommen ist.
Grüne in Umfragen bei 7 bis 8 Prozent
Was die Parteioberen erst prüfen wollen, zurren die Delegierten fest: Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen sprechen sich die Brandenburger Grünen für ein Verbotsverfahren aus. „Wenn wir heute beginnen, können wir darauf hoffen, 2029 eine AfD-Bundesregierung und damit eine neue faschistische Regierung Deutschlands zu verhindern“, heißt es in dem Antrag dazu.
Der Potsdamer Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek hatte zuvor gegenüber der Deutschen Presse-Agentur auf mögliche Folgen eines Verbots hingewiesen: „Wenn man die Partei verbietet, hat man die Wählerinnen und Wähler aber noch lange nicht verboten“, sagte er. „Die Menschen haben zum Teil ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild und werden sich weiter artikulieren – und die Gefahr ist, dass der legale Rahmen verlassen wird.“
In den jüngsten beiden Umfragen für die Landtagswahl liegen die Grünen mal bei 7, mal bei 8 Prozent. Das ist deutlich unter ihren rund 11 Prozent bei der Wahl 2019, aber zu weit weg von der 5-Prozent-Hürde, um in der Schinkelhalle Zweifel an einem erneuten Landtagseinzug aufkommen zu lassen. Auch über die weitere Rolle ist man sich klar. „Wir wollen weiter mitregieren“, sagt Co-Landeschefin Hanna Große Holtrup. Seit 2019 bilden die Grünen mit SPD und CDU eine nach den Partei- und Flaggenfarben so benannte Kenia-Koalition.
Das allerdings hält die führenden Kräfte des Landesverbands nicht davon ab, ihre dortigen Partner hart zu kritisieren. Für Parteichefin Pichl ist nicht nachvollziehbar, warum Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) jüngst einen verabredeten Klimaplan anhielt, um die Kosten prüfen zu lassen. „Nicht der Klimaplan ist zu teuer, die Klimakrise ist teuer“, sagt Pichl. Für sie sind „wir in dieser Koalition die, die antreiben“.
Genervte Koalitionspartner
Fraktionschef Benjamin Raschke, der zusammen mit Antje Töpfer im März zum Spitzenkandidaten gewählt werden soll, vermisst bei Woidke Führungsstärke und jegliches Erklären seiner Politik. Zu den im Grünen-Wahlprogramm festgeschriebenen Vorhaben gehört, dass Brandenburg schon vor 2030 aus dem Braunkohleabbau aussteigt – die Koalition hatte sich 2019 auf 2038 verständigt.
Raschke sagt, SPD und CDU würden „den Menschen in der Lausitz Sand in die Augen streuen“, wenn sie behaupteten, der Abbau gehe noch bis 2038 weiter. Raschkes Beschreibung der Stimmung im rot-schwarz-grünen Bündnis: „Unsere Koalitionspartner sind genervt von uns – ich nehme das als Kompliment.“
Wäre die jüngst veröffentliche Insa-Umfrage das Wahlergebnis vom 22. September, würde es allerdings für diese Koalition nicht mehr zu einer Mehrheit reichen. Zusammen kommen die drei Parteien dabei nur auf 43 Prozent. Die AfD allein erreicht 28 Prozent, in einer fünf Tage älteren Umfrage des Instituts Forsa sogar 32 Prozent.
In einer sogenannten Potenzialanalyse der Insa-Umfrage rangieren die Grünen weit unten: Derzufolge können sich in Brandenburg 53 Prozent der Befragten „grundsätzlich gar nicht“ vorstellen, die Grünen zu wählen. Über die AfD sagen das 48 Prozent, über die SPD 28 Prozent.
In der Schinkelhalle am Potsdamer Havelufer mag Bundesvorsitzende Lang gar nicht bestreiten, dass die Stimmung aktuell nicht gerade grünenfreundlich ist. „Ich weiß, dass es etwas anderes heißt, in Brandenburg an die Orte zu gehen, wo es weh tut“, sagt sie. Auch deshalb verspricht sie massive Unterstützung im Wahlkampf: „Das ist nicht nur eure Wahl, das ist unser aller Wahl.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus