Ladenketten kündigen Mietzahlungsstopp an: Knauserige Konzerne

Deichmann, H&M und Adidas wollen während der Coronakrise keine Miete mehr für ihre Geschäfte zahlen. Politiker*innen rufen zum Boykott auf.

Geschlossene Glastüren und ein Schaufenster mit Schaufensterpuppen, darüber der Schriftzzug H&M

Hamburg, 28. März: eine wegen der Coronakrise geschlossene H&M-Filiale Foto: Fabian Bimmer/reuters

BERLIN taz | Das kleine Restaurant um die Ecke zahlt mit Mühe weiter seine Miete. Einige Großkonzerne reagieren hingegen gewohnt flink auf die Möglichkeit, Mietzahlungen in der Pandemiekrise hinauszuzögern: Nach entsprechenden Ankündigungen am Freitag schlug Firmen wie Adidas, H & M und Deichmann übers Wochenende von allen Seiten Empörung entgegen.

Spitzenpolitiker*innen geißelten das Verhalten der Großunternehmen als unsolidarisch, während Kund*innen auf Sozialmedien schworen, nie wieder deren Produkte zu kaufen. „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Das Hilfsgesetz sei für Unternehmen gedacht, die sich wirklich in Zahlungsschwierigkeiten befinden.

Die Schuhkette Deichmann spekuliert in einer Mitteilung bereits offen darauf, dass sie die einbehaltene Miete auch später nicht nachzahlen müsse, weil der Staat einspringe. Bei Adidas erfolgte der Zahlungsstopp wohl als Teil einer Gesamtstrategie: Freiberufler aus der Werbebranche klagen auf Twitter, der Konzern bezahle mit Hinweis auf Corona seine Rechnungen nicht mehr. Adidas hat im vergangenen Jahr 2 Milliarden Euro Gewinn gemacht und hat laut Bilanz von 2019 gut 800 Millionen Euro auf der hohen Kante.

In dem entsprechenden Gesetz fehlt tatsächlich die Einschränkung, dass die Erleichterungen nur für Privatleute und Kleinunternehmen gelten sollten, nicht für Weltkonzerne mit hohen Reserven.

Politik ist empört

Vielleicht reagierten gerade deshalb die Politiker der Regierungskoalition, die das Hilfspaket verabschiedet hat, so betont empört. „Ich bin der Meinung, dass wir unser Gesetz nicht dafür beschlossen haben, dass sich DAX-Konzerne schadlos halten“, sagt der 38-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post in einem Video, das er am Samstagabend auf Twitter gestellt hat. Darin verbrannte er symbolisch ein T-Shirt des Sportartikelherstellers: „Ich werde keine Adidas-Sachen mehr tragen.“ Zuvor hatte sich auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) „sehr enttäuscht“ gezeigt.

Das Justizministerium hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass das Gesetz nicht so gemeint sei, wie die Unternehmen es jetzt interpretieren. Es sieht im Wortlaut nur eine „Beschränkung der Kündigung“ durch den Vermieter vor, keinen landesweiten Mietaufschub für alle Betroffenen.

Inzwischen ruderte Adidas-Chef Kasper Rorsted zurück: „Wir zahlen privaten Vermietern die April-Miete.“ Der FAZ sagte Rorsted: „Nur im Ausnahmefall sind unsere Vermieter Privatpersonen; wir haben sie ausgenommen, sie werden ihre April-Miete wie gewohnt erhalten.“ Die meisten eigenen Geschäfte würden von großen Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds angemietet. Sie hätten für die Maßnahme, die Mietzahlungen vorläufig einzustellen, „überwiegend Verständnis gezeigt“.

Auch Vermieter sind Menschen

Die Bundesregierung hat indes sofort klargestellt: „Die Pflicht des Mieters oder Pächters zur fristgerechten Zahlung bleibt auch in dieser Zeit bestehen.“ Die Vermieter können die Geschäftsinhaber bloß nicht mehr sofort hinauswerfen, wenn sie in Verzug geraten. Es geht also ausdrücklich um den Fall, dass der Mieter kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht.

Ökonomen befürchten erhebliche Folgeeffekte, wenn jetzt alle plötzlich ihre Miete nicht mehr zahlen – schließlich geht die Krise an niemandem spurlos vorbei. Auch, wenn es vielen Bürger*innen nicht immer so erscheint: Vermieter sind auch Menschen, und die Betreiber von Gewerbeimmobilien sind ebenfalls Wirtschaftsakteure.

Wenn ein Shopping-Zentrum mit Krediten finanziert ist und jetzt die Einnahmen ausbleiben, dann kann der Betreiber seinerseits seine Raten nicht zahlen. Wenn so etwas vielfach geschieht, bringt es die Banken in Bedrängnis. Die wiederum haben dann Schwierigkeiten, neue Kredite an notleidende Kunden zu vergeben – weil ihnen ihrerseits das Geld ausgeht. Die Konzerne betonen, im Interesse ihrer Aktionäre das Geld zusammenhalten zu wollen – doch sie verschärfen dadurch für alle die Wirtschaftskrise.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.