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Kritik an IslamismusTödliche Ideologie

Während Rechte den Islamismus pauschal mit dem Islam gleichsetzen, bagatellisieren ihn Linke oft. Dabei hat er einen globalen Herrschaftsanspruch.

Diese êzîdische Frau ist dem IS entkommen und lebt jetzt in einer Einrichtung in Plochingen Foto: Maria Feck/laif

Für mich ist der Islamismus nie weit weg gewesen und nie abstrakt. Ich kenne Islamismus von meinen Aufenthalten in den kurdischen Gebieten in Irak, Syrien und der Türkei. Ich habe gesehen, was Islamismus anrichtet, wenn Frauen sich nicht von ihren gewalttätigen Männern trennen können, weil islamisches Recht gilt und den Männern im Falle einer Scheidung die Kinder zugesprochen würden. Ich habe gesehen, was Islamismus anrichtet, wenn Ladenbesitzer, die Alkohol verkaufen, um ihr Leben fürchten müssen. Ich habe gesehen, was Islamismus anrichtet in den vielen Flüchtlingscamps im Nordirak, wo diejenigen leben, die dem Terror, aber nicht dem Trauma entkommen sind.

Islamismus ist der Grund, weshalb meine Großmutter, mein Onkel und seine Familie sowie der Großteil meiner êzîdischen Verwandtschaft aus Syrien und Irak fliehen mussten.

Doch Islamismus beschränkt sich nicht auf den Nahen Osten, sondern ist eine globale Ideologie mit weltweitem Herrschaftsanspruch. Islamismus bedient sich religiöser Sprache und Inhalte, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Islamismus hat viele Gesichter. Islamist*innen können auch weiße Deutsche sein, wie der Youtube-Salafist Pierre Vogel, der ehemals Linksextreme Bernhard Falk oder die IS-Anhängerin Jennifer W., die nach Syrien gereist ist, um sich dem „Islamischen Staat“ (IS) anzuschließen, und gerade in München wegen Mordes an einem fünfjährigen êzidischen Mädchen angeklagt ist.

Islamist*innen können gewaltbereit sein, sich Terrorgruppen wie al-Qaida, IS, Hamas oder Hisbollah anschließen oder als Einzeltäter im Sinne einer islamistischen Ideologie handeln, die nicht in eine Organisation eingebunden ist. Islamismus kann terroristisch sein, aber auch legalistisch. Legalistischer Islamismus lehnt Gewalt ab, versucht seine Ziele politisch durchzusetzen und kommt oft harmlos daher, wie beispielsweise Milli Görüş, Ditib und die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG), die der Bayerische Verfassungsschutz den Muslimbrüdern zuordnet. Es gibt Islamisten, die Bart und Pluderhose tragen, andere tragen Jeans und Hemd.

Der Begriff emotionalisiert

Egal wie er daherkommen mag: Jeder Islamismus bedroht unsere Gesellschaft. Islamismus, nicht der Islam. Das eine ist Ideologie, das andere Religion. Und über Ideologie müssen wir sprechen, auch aus einer linken Perspektive. Einfach ist das nicht. Allein das Wort „Islamismus“ emotionalisiert.

Ronya Othmann

Ronya Othmann ist Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Sie schreibt für die taz zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress. Am 17. 8. 2020 erscheint ihr Roman „Die Sommer“, Hanser Verlag, 288 Seiten, 22 Euro.

Die Linke tut sich schwer mit einer klaren Haltung zum Islamismus. Sie schwankt zwischen pauschalisierender und rassistisch anmutender Islamkritik und Relativierung des Islamismus als Teil des antikolonialen Widerstands.

Auch im linksliberalen Spektrum wird Islamismus kaum thematisiert. Unter dem Banner „gemeinsam gegen rechts“ werden Querfronten gebildet, wie bei dem Bündnis #Unteilbar, bei dem der Zentralrat der Muslime (ZDM) Erstunterzeichner ist. Zum ZDM gehören unter anderem der Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB), der den Grauen Wölfen zugerechnet wird, und das Islamische Zentrum Hamburg, das dem obersten Geistlichen des Irans untersteht.

Man will möglichst divers sein, intersektional. Mit wem man sich eigentlich verbündet, ist oft zweitrangig, XYZ sei ja schließlich von Rassismus betroffen und man selbst weiß, deswegen nicht in der richtigen Sprecher*innenposition. Dazu kommt häufig die Angst, rassistisch zu sein oder als rassistisch zu gelten. Aber auch in Antira- und Bipoc-Communitys wird geschwiegen und relativiert, etwa mit dem Argument, es gebe weitaus mehr Todesopfer rechter als islamistischer Gewalt in Deutschland.

Ich finde es zynisch, Todesopfer gegeneinander aufzurechnen. Oft habe ich Muslim*innen klagen hören, es werde zu viel über den 11. September, den Terror des „Islamischen Staats“ in Irak und Syrien geredet. Das würde doch nur antimuslimische Ressentiments verstärken. Auch das finde ich als Ezîdin, deren Familie von diesem Terror betroffen ist, zynisch.

Kritisiere ich diesen Islamismus und das Schweigen, wird mir Nestbeschmutzung vorgeworfen. Es heißt: „Du spaltest“, „für die Nazis sind wir eh alle gleich“. Mir wurde auch schon gesagt, dass Ezîd*innen per se antimuslimische Rassist*innen sind. Da Ezîd*innen als Minderheit in islamischen Gesellschaften seit Jahrhunderten verfolgt werden, ist das eine perfide Täter-Opfer-Umkehr.

Islamismus ist faschistisch, totalitär und antidemokratisch

In dieser Gemengelage ist ein Sprechen über Islamismus kaum möglich. Hinzu kommt, dass es an Grundwissen fehlt. Da wird eine Ditib-Moschee mal als salafistisch bezeichnet. Der Unterschied zwischen Salafismus – eine islamistische Strömung, die die Rückkehr zu den so angenommenen Wurzeln des Islams anstrebt – und Ditib, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet untergeordnet ist und einen türkischen Staatsislamismus vertritt, wird übersehen. Wobei es nicht nur ein Nichtwissen, sondern oft auch ein Nicht-wissen-Wollen ist. Sprechen über Islamismus ist anstrengend, aber das war antifaschistische Arbeit schon immer.

Universale Gewalt

Islamismus ist faschistisch, totalitär und antidemokratisch: der globale Herrschaftsanspruch, die Vorstellung eines reinen Islams, die radikale Auslegung von Koran und Haditen, die keine Ambivalenzen erlaubt, das in sich geschlossene Weltbild, das Propagieren einer Umma, der Gemeinschaft aller Muslime, von der bedingungslose Loyalität erwartet wird und die von Abweichlern und anderen Gruppen (wie die sogenannten „Kafir“, Ungläubige, Homosexuelle und Jüd*innen) zu reinigen ist.

Islamismus ist gefährlich. Im Namen einer islamistischen Ideologie wurde 2014 ein Genozid an Ezîd*innen begangen. Weltweit wurden islamistische Terroranschläge verübt, auch in Deutschland 2016, beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz.

Auch der legalistische Islamismus bedroht Feminist*innen, queere Menschen und Minderheiten, er bedroht mich. Ich kann mich noch gut an eine Demonstration erinnern, 2014 in München, als gerade der IS in Shingal, das êzîdische Siedlungsgebiet im Irak, eingefallen war, auf der Salafisten die überwiegend êzîdischen Demonstrant*innen angriffen, bedrohten und beleidigten und die Polizei einschreiten musste. Oder daran, dass 2014 Ezîd*innen in Herford und Celle von Salafisten angegriffen wurden. Ich kann mich an êzîdische Geflüchtete erinnern, die aus Angst vor Anfeindungen in den Flüchtlingsheimen ihre êzîdische Identität geheim hielten. Ich kann mich daran erinnern, wie ich auf Social Media als Kafir, Ungläubige, beschimpft wurde.

Doch nicht nur Ezîd*innen sind betroffen. Erst Mitte Juni wurden auf einem Friedhof in Ludwigsburg alevitische Gräber geschändet. Die Liste islamistischer Gewalttaten ist lang. Nicht zuletzt werden sie an Muslim*innen verübt.

Rechtfertigung für Rassismus

Oft wird versucht, Kritik am Islamismus mit antimuslimischem Rassismus gleichzusetzen. Im Jahr 2014 veröffentlicht die Seta-Stiftung, das wissenschaftliche Sprachrohr der Erdoğan-Regierung, den Europäischen Islamophobie-Report, in dem Kritiker*innen des Islamismus pauschal des antimuslimischen Rassismus bezichtigt werden. Unter den Kritisierten befinden sich der muslimische Theologe Mouhanad Khorchide, die Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli, der Psychologe Ahmed Mansour, die Journalisten Tunca Öğreten und Bülent Mumay.

Rechte nutzen den Islamismus dabei tatsächlich, um ihren antimuslimischen Rassismus durch die Gleichsetzung von Islamismus und Islam zu legitimieren. Und auch sie instrumentalisieren die Opfer von Islamismus. 2018 war ich in der kurdischen Autonomieregion Irak. Dort erzählte mir ein Ezîde, dass ein Bundestagsabgeordneter ezîdische Überlebende des Genozids besucht habe. Weitere Unterstützung sei von ihm aber nicht gekommen. Wie sich dann herausstellte, war es der AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme.

Rechten und Islamist*innen geht es nicht um eine pluralistische Gesellschaft. Zum Glück gibt es Stimmen, die den Kampf gegen Islamismus und den gegen Rechtsextremismus zusammendenken.

Ich muss an die Autorin Sineb El Masrar denken, die sich für einen islamischen Feminismus einsetzt, in ihren Büchern gegen das Patriarchat anschreibt. An die Rapperin und Wissenschaftlerin Reyhan Şahin, die zum muslimischen Kopftuch geforscht hat. Ich muss an Düzen Tekkal denken, die Menschenrechtsaktivistin, die in ihrem Buch, „Deutschland ist bedroht“ von den „bösen Zwillingen“ spricht, die unsere Freiheit gefährden: die Islamisten und die Rechten.

Der Kampf gegen den Islamismus ist Teil des antifaschistischen Kampfes. Deshalb müssen wir solidarisch sein mit den Opfern des Islamismus. Mit den religiösen Minderheiten, den Alevit*innen, Assyrer*innen, Chaldäer*innen, Armenier*innen, Zo­ro­astri­er*innen, Kakai, und vielen mehr, aber auch mit den queeren Menschen im Nahen Osten, den Athe­ist*in­nen und nicht zuletzt den vielen Mus­li­m*in­nen, die vor islamistischer Gewalt fliehen.

Der Islamismus wird nicht verschwinden, wenn wir ihn ignorieren. Beschweigen wir ihn, verlieren wir alle.

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49 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Vielleicht resultiert die Beishemmung unter vielen Linken auch aus einer Unschärfe der Begrifflichkeit, in der Abgrenzung Islam Islamismus.

    Einen guten Vorschlag hat in dieser Hinsicht das Institut für Weltanschauungsrecht erarbeitet, einen Katalog von sieben Fragen:

    1. Stehen der säkulare und weltanschaulich neutrale Rechtsstaat des Grundgesetzes und die Urteile staatlicher Gerichte aus Ihrer Sicht über den religiösen Rechtsnormen aus Koran, Sunna und den Scharia-Regelungen?

    2. Sollten aus Ihrer Sicht Nicht-Muslime und Muslime immer und überall ebenbürtige und gleichberechtigte Menschen sein?

    3. Sollten aus Ihrer Sicht muslimische Frauen im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze frei darin sein, denjenigen oder diejenige ihrer Wahl zu heiraten?

    4. Sollten aus Ihrer Sicht muslimische Frauen als Individuen im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze frei darin sein, sich immer und überall so zu kleiden, wie sie es für richtig halten?

    5. Gelten für Menschen, die sich vom Islam abwenden aus Ihrer Sicht immer und überall das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und alle weiteren Grundrechte?

    6. Gelten aus Ihrer Sicht für Homosexuelle das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und alle weiteren Grundrechte?

    7. Finden Sie es richtig, dass im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze Zeichnungen und Karikaturen von Mohammed veröffentlicht werden dürfen?

    Jede Positionierung, welche nicht ein klares Ja in allen sieben Fragen zur Antwort hat, verdient die Bezeichnung Islamistisch.

    Bezeichnend ist es, dass der ZMD trotz wiederholten Nachfragen durch das IFW es unterlässt, sich zu den Fragen zu positionieren.

    • @HumanistDE :

      @HumanistDE

      ifw ist mir bekannt, aber wo finde ich die Quelle für die sieben Fragen? Danke!

    • @HumanistDE :

      Stimmt der ZMD ist unfähig Position zu beziehen.

      Vlt. ist es das gespaltene Weltbild, welches noch nach theologischen Lösungen sucht?

  • Wow. Ich bin begeistert und hätte eine so offene und ehrliche Beschreibung in der taz nicht mehr erwartet. Danke dafür und weiter so. Für eine offene und pluralistische Gesellschaft in der ruhig alle ein bisschen nachdenken dürfen und auch ihre Meinung kundtun können.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Beitrag wurde entfernt.



    Die Moderation

  • Man sieht halt schon die brennenden Moscheen, wenn man den Rechten die Bühne aufgestellt hat. Unbegründet ist die Sorge nicht, sich einem antimuslimischen Framing hinzugeben. In Sachen Antisemitismus und israelischer Rechter sind die Vorzeigekommentatoren sensibler. Ihre Sache, sich zu hinterfragen, weshalb das so ist.

  • Viele gute Punkte, aber auch blinde Flecken. Zur Differenzierung aufzufordern, dann aber Islamismus und Faschismus in einen Topf zu werfen offenbart einen völlig unzureichenden und diffusen Faschismus-Begriff, dessen Inhalte aber eigentlich recht konkret definiert sind.



    Ebenso fehlen mir Überlegungen dazu wie es kommt, dass der - zurecht rechts verortete - Islamismus dort wo er politische Relevanz hat idR in Konkurrenz zu ebenfalls rechten, militaristischen Kräften steht, während eine linke Opposition dort iA nicht existent ist.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Ingo Bernable:

      " offenbart einen völlig unzureichenden und diffusen Faschismus-Begriff, dessen Inhalte aber eigentlich recht konkret definiert sind."

      Wenn ich [1] lese, scheint der Begriff "Faschismus" nicht so klar definiert zu sein, teilweise sogar widersprüchlich:

      "Verschiedene Theorien interpretieren den Faschismus als gewaltsamen Versuch einer beschleunigten Modernisierung oder gegensätzlich als Revolte gegen die Moderne. "

      Wenn die Faschismusdefinition von Gentile verwendet wird, kann man zumindest beim IS bei einigen Punkten eine Haken machen:

      * das Führerprinzip (Kalifat)



      * der Totalitätsanspruch (Islam regelt alles)



      * eine kulturstiftende Mythen, Riten und Symbole einer Religion

      [1] de.wikipedia.org/wiki/Faschismustheorie

    • @Ingo Bernable:

      Einfach dazu mal Hamed Abdel-Samadlesen, der vertritt als Politologe diese Aufsassung ganz gut begründet. Immer nur von europäischen Versionen des Faschismus her zu denken ist heutzutage a bisserl eurozentrisch, auch wenn dort der Begriff herkommen mag.

    • @Ingo Bernable:

      Was, genau, verstehen Sie unter "rechts"?

  • Die AnhängerInnen eines islamischen Fundamentalismus haben es in Deutschland relativ leicht, weil die Angst der aufgeklärten Gesellschaft vor einer verleumderischen Denunziation Richtung Islamophobie oder Rassismus haben und vor einer Gleichsetzung berechtigter Kritik mit rassistischer Hetze der Rechten. Diese Gleichsetzung hat sich pandemisch ausgebreitet auf andere Bereiche. Immer dann, wenn Argumente nicht vorhanden sind, kommen denunziatorische Behauptungen, dass auch Rechte eine ähnliche Meinung vertreten würden. Ein Totschlag"argument". So werden wichtige Diskussionen verhindert.

    Wer das Glück hat, aufgeklärte Freunde aus dem islamischen Kulturkreis zu haben, kennt deren Ängste vor treuen Erdogan Spitzeln, grauen Wölfen und Kurdenhassern. Und der kennt auch deren Unverständnis für die Mutlosen, die stets meinen, auf der guten Seite zu stehen.

    • @Rolf B.:

      Ich kann Ihren Punkt verstehen. Überall, wo Interessen aufeinanderprallen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Kontroverse entgleist. Von allen Seiten besteht die Annahme, dass eine Weiterentwicklung nicht erforderlich sei. Dabei sind die Gründe identisch, ob sie formell formuliert begrüßt oder abgewiesen werden: Inflexibilität, vermauerte Überzeugungen.

  • Für mich ist das der beste Beitrag den ich in der TAZ zu diesem Thema je gelesen habe.

    • @Justin Teim:

      Dem stimme ich 100% zu.



      Ein SEHR wichtiger und hochwertiger Artikel.

  • Danke für den Artikel.

    Eine Anmerkung zu: "Rechten und Islamist*innen geht es nicht um eine pluralistische Gesellschaft."

    Aus meiner sicht geht es sehr vielen nicht um eine pluralistische Gesellschaft. Vielleicht die meisten verstehen darunter, dass sie offen dafür sind, dass andere Menschen ihren Werten beitreten (plus ein wenig Exotik).

    Aber auch realistisch überlegt: ist bei den starken Gegensätzen in der Welt eine wirklich pluralistische Gesellschaft (die auch nur halbwegs die vorhandene Vielfalt in der Welt abdeckt) überhaupt möglich und wünschenswert.

    Würden wir mit voneinander getrennten Regionen nicht besser leben, und es wechseln die Menschen, die auch ein Interesse an den anderen Regionen haben?

    • @Markus Michaelis:

      Kommt wohl auf das Interesse an. 🙂 Ich denke, dass vorher Wohlstand geteilt werden müsste, zumindest um schlimmste Formen von Armut zu beseitigen, da erstmal Gleichwertigkeit von wesentlichen Zuständen herrschen müsste.

  • Wessen bedarf es, dass liebgewordene Scheuklappen abgelegt werden?

  • Der Artikel hat mir ausgesprochen gut gefallen ... weiter so!

  • Am 23.07. berichtete Taz noch "Rassismus kostet das Geschäft", weil ein Edeka-Leiter, der sich weigerte, einer 16-jährigen Trulla einen Ferienjob zu geben, weggemobbt wurde.



    Immerhin scheint man bei der Taz nun dahinter zukommen, was hinter dem Kopftuch steckt, und zitiert sogar "die Rapperin und Wissenschaftlerin Reyhan Şahin, die zum muslimischen Kopftuch geforscht hat."



    Wenngleich Dr. Bitch Ray dieses durchaus kontrovers diskutiert (www.br.de/nachrich...bitch-ray,Ripgjdc)

    • @Heiner Hirn:

      Ein Koptuch zu tragen, macht niemanden zur Islamistin und nach der Gesetzteslage war das Diskriminierung.

  • "Deshalb müssen wir solidarisch sein mit den Opfern des Islamismus. Mit den religiösen Minderheiten, den Alevit*innen, Assyrer*innen, Chaldäer*innen, Armenier*innen, Zo­ro­astri­er*innen, Kakai, und vielen mehr, aber auch mit den queeren Menschen im Nahen Osten, den Athe­ist*in­nen und nicht zuletzt den vielen Mus­li­m*in­nen, die vor islamistischer Gewalt fliehen."

    Mir fehlen in der Liste die jüdischen und christlichen Minderheiten.

    • @Rudolf Fissner:

      Assyrer*innen, Chaldäer*innen und Armenier*innen sind Christ*innen, wobei die Chaldäische Kirche mit Rom uniert (also zum Katholizismus zählt) ist, die andern beiden jedoch nicht. Assyrer*innen feiern ihre Gottesdienste übrigens auf Aramäisch, der Muttersprache Jesu.



      Lediglich Jüd*innen erwähnt die Autorin tatsächlich nicht.

    • @Rudolf Fissner:

      Tatsächlich ist es so, dass Juden und Christen nach dem Koran eine relativ geschützte Sonderstellung hatten. Sogar der IS hat sich daran geahlten. Christen, die die vom IS besetzten Gebiete verlassen mussten, konnten das (unter Preisgabe ihrer Wertgegenstände) körperlich unversehrt tun.

      Jesiden und Aleviten ging und geht es unter islamistischer Herrschaft erheblich schlechter.

      • @Breitmaulfrosch:

        Also in Ägypten wären eine Menge von Christen froh (gewesen), wenn Sie Recht hätten und man ihre Kirchen nicht angezündet und sie nicht massakriert hätte...

      • @Breitmaulfrosch:

        Allerdings ist es wohl kein Zufall, dass sich die Zahl der Christen in der Heimatregion des Christentums, dem Nahen Osten, in den letzten Jahren dramatisch verringert hat. Und es gibt genügend Bilder entweihter und zerstörter Kirchen aus dem Herrschaftsgebiet des IS.

      • @Breitmaulfrosch:

        Wer noch mit dem Hemd am nackten Leib davon rennen darf, ist also kein Opfer?

        • @HugoHabicht:

          Ein guter Artikel, dem ich in diesem Fall zustimmen kann.

          Auch, wenn dieser nicht zu 100% mit meiner linken Ideologie konform ist.

  • Danke für den Beitrag.

    "Pluralistische Gesellschaft" ist hier vielleicht ein Schlüsselbegriff.

    Menschen neigen offenbar dazu, in zwei Kategorien einzuteilen, denen dann gut und böse zugeordnet werden.

    Das erinnert mich immer an eine Diskussionsrunde der damaligen Friedensbewegung in einem vollen Hörsaal, wo alle Redner, die nicht derselben Meinung waren, wie die Mehrheit von einer größeren Grupe nidergeschrien wurden (und es war nicht mal die Mehrheit im Saal). Ich dachte damals: "nicht friedensfähig". Das war meine erste Begegnung mit dem Paradox einer radikalen Friedensbewegung.

    Schon bei drei Parteien wird es für viele zu schwierig.



    Je nachdem welchen Aspekt man betrachtet, müsste man eher die eine oder die andere Gruppierung unterstützen.

    In diversen Gemenge-Lagen wie Türkei/Kurden/Syrien/Assat/IS/Russland/USA/usw. wird es dann besonders kompliziert. Keine klare gut/böse Einteilung in Sicht.

    Aber wie im Beitrag schon sichtbar wird, ist es vielleicht gar nicht so schwer, wenigstens die größten Fehler zu vermeiden. Wer antritt, Andersdenkenden ihre Rechte abzusprechen oder gar zu Gewalttaten oder gar Vernichtung aufzurufen oder aktiv diese Rechte beschneidet (oder sogar dafür tötet), hat sich selbst disqualifiziert. Wenigstens in den krassen Fällen ist das schon recht eindeutig.

    Dazu kommt natürlich, dass oft Minderheiten unterdrückt, verfolgt, getötet werden.

    Weitere Probleme auf die man dabei zwangsläufig trifft:



    * Lügner, Betrüger, Faktenleugner vs. Meinungsfreiheit



    * Fake



    * Dummheit



    * Ignoranz von Argumenten



    * Rechtfertigung von Gewalt durch Anspruch auf angeblich(?) notwendige Revolution



    * "Pluralismus" sehen manche auch nur als ein Konzept, das angezweifelt werden kann



    ...

  • Für Linke besonders in Deutschland wiegt der Rassismusvorwurf schwer und Kritik an rassistischer Sichtweise bzw Alltagsverhalten wird als persönliches moralisches Totalversagen empfunden. Auch daher kommt Abwehr und Wegsehen.

  • Danke für den guten Artikel.



    Ich möchte allerdings anfügen, dass, dass die LInke plötzlich ganz doll islamismuskritisch wird, sobald es darum geht, Assad (äh Russland) zu beschützen. Da dürfen dann gerne Menschen in Krankenhäusern und Schulen zerfetzt werden, ist ja für eine gute Sache.

  • Welche Ideologie ist mit dem Begriff "Islamismus" hier gemeint? Ungläubige sind lebensunwerte Wesen, Frauen (gläubige Frauen) haben kein Recht auf selbstbestimmtes Handeln, die Wahrheit ist für gewisse, göttlich auserwählte Personen zugänglich, alle anderen haben sich zu fügen? Gut, so ein Islamismus ist abzulehnen und zu bekämpfen. Dort ä, wo er die Regierung oder gar wie im Iran das Staatswesen dominiert, zu bekämpfen. Aber man vergesse nicht, dass auch das Christentum bis heute in vielen Ländern (in Lateinamerika, in sowjetischen Ex-Republiken usw) genau das predigt. Und in West-Europa i)war das vor einigen Jahrzehnten nicht anders. Daher gefällt mir der Begriff "Islamismus" überhaupt nicht, er hat wirklich etwas von Islamophobie in sich.

    • @Links van der Linke:

      Bis Anfang der 90er dominierte in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung der Begriff Fundamentalismus der die radikale "Wiederherstellung" (erträumter keinesfalls realer) vormoderner idealisierter Fundamente der "eigenen" (im Sinne von ich und sonst keiner bestimme wie meine Religion zu sein hat) betrieb. Die Schriftenreihe "the fundamentals" (1910-1915) von Protestanten in den USA gilt als Geburtstunde des (religiösen) Fundamentalismus. Mit diesem Begriff lassen sich nun auch wesentlich besser ideologische Bewegungen die sich selbst als einzig wahre Bestimmer "ihrer" Religion sehen analysieren. Tatsächlich gehen sie in ihrem Kampf gegen "Ungläubige" der "eigenen" Religionsgemeinschaft die ja weltweit sehr heterogen sind vor allem gegen alle als säkularisiert oder liberal verachtete Anhänger der eigenen Religion oder jene die "ihre" Fundamente mit anderer Interpretationverraten hätten besonders brutal vor da diese ihren Alleinherrschaftsanspruch am stärksten gefährden. Natürlich gibt es auch Ähnlichkeiten zu säkularen auf Rassismus statt Religion basierenden Ideologien die statt die religiösen "Fundamente" dann die (erträumten keinesfalls reale) vorgestellte glorreiche Vergangenheit der eigenen wie auch immer ethnisch definierten Gemeinschaft wieder herstellen wollen, der entscheidende Unterschied ist aber der religiöse Fundamentalisten nicht per se rassistisch denken sondern aufnehmen der oder die sich zu "ihrer" Religion und ihrer Deutungshoheit bekehrt. Auch der Begriff faschistisch passt nicht zum religiösen Fundamentalismus sondern wurde von den säkularen rassistischen Ideologien geprägt bei dem die Definition wer dazugehört und wer nicht und damit sein Leben aus Sicht der Anhänger quasi seit Geburt verwirkt hat auf eben jener rassistischen Grundlage basiert. Das heißt nicht dass das eine harmloser als das andere sei aber saubere Analyse hilft bei der Bekämpfung.

      • @Nina Janovich:

        Wers philosophisch mag findet großartige Analysen zu fundamentalistischen Ideologien im Islam beim leider früh verstorbenen Nasr Hamid Abu Zaid: Auf Deutsch z.B.: Politik und Islam: Kritik des Religiösen Diskurses, translated by Cherifa Magdi, Dipa-Verlag, Frankfurt, 1996.

  • Vielen Dank für diesen Beitrag:

    "Hinzu kommt fehlendes Grundwissen."

    So ist es. Deshalb: danke dafür.

    "Oft wird versucht, Kritik am Islamismus mit antimuslimischem Rassismus gleichzusetzen."

    Diese Muster sind hinlänglich bekannt. Immer eine gute Gelegenheit Kritiker*innen zu diskreditieren. Ja, antifaschistische Arbeit ist anstrengend. Einerseits muss mensch sich selbst ständig hinterfragen, andererseits darf mensch nicht in solche Fallen tappen. Ist so.

    Danke für Frau Tekkals Bild der "bösen Zwillinge". Sehr treffend.

  • Starker und mutiger Text!

    Vielen Dank!

  • Da sich die Autorin mehrmals ausdrücklich als Jesidin bezeichnet, wären eine kritische Anmerkung über die jesidische Kultur ebenfalls angebracht gewesen. Sind eine ausschließlich aus der Abstammung abgeleitete Zugehörigkeit, das Fehlen jeder Möglichkeit zur Konversion und strikte Endogamie (der Ausschluss aus der Gemeinschaft bei Heirat einer/eines Nicht-Jesiden) heute noch zeitgemäß? Von der Akzeptanz von LGBT ganz zu schweigen..

    • @Maschor:

      Immerhin versuchen Jesiden aber nicht, anderen diese Religion mit Gewalt aufzuzwingen.

  • RS
    Ria Sauter

    DANKE vielmals für diesen wichtigen Einblick!



    Der letute Absatz müsste grossflächig plakatiert werden.

  • Wann wurde das Ideal "Egalismus" durch das ideologische Ziel "Pluralismus" ersetzt?



    Gibt es einen Sh**storm für die Autorin, wenn ein "böser Rächter" es gut findet, daß anscheinend nicht jegliche Islamkritik mit Islamophobie gleichgesetzt wird?



    Andererseits wird es dessen wahrscheinlich gar nicht bedürfen, weil allein die entfernte Möglichkeit, daß der Text von Rechten instrumentalisiert werden könnte, heutzutage die Autorin schon zum legitimen Angriffsziel macht :-(



    .



    taz, danke, und bitte weiter so.



    www.fischundfleisc...vor-der-zeit-52327

  • Danke für den persönlichen und fundierten Artikel.

    Islamismus ist von allen Linken und allen Demokratinnen und Demokraten genauso zu bekämpfen wie Rassismus, Faschismus und Antisemitismus.

    Diese peinliche Leisetreterei vieler Linker, wenn es um Islamismus geht, die auch stark im Hinblick auf die mörderische und menschenverachtende Diktatur im Iran zum Tragen kommt, ist möglicherweise als anti-westliches, anti-amerikanisches Vorurteil zu lesen.

    Die Umma als Gegenmodell zur verkommenen westlichen / amerikanischen Gesellschaft.

    • @Jim Hawkins:

      Beanstandungslos richtig. thanks

      • @lulu schlawiner:

        Da hat uns Jimmy aber noch mal Glück gehabt. Gellewelle&Wollnichwoll. - 👻 -

        Wie ich den Anarcho-Autonomen kenne



        “Beanstandungslos“ - von uns Lersche!



        Als Kopfnote - Läßtersich - 🖼 - Newahr.



        Norma - der alte Schlawiner vonne Alb •

    • @Jim Hawkins:

      Schließe mich vollumfänglich an.

      "Diese peinliche Leisetreterei......."

      Lassen sie uns diese Leisetreterei ein für allemal beenden!

      Bin mal so dreist und mache ungeniert Werbung für einen Politaktivisten: twitter.com/Imamofpeace

      M.M.n. muss die Stimme dieses Typs sehr unbedingt verstärkt werden. Aus 2 Gründen.

      1.: Er hat das Potenzial sowohl den Irrweg der Rechtsextremen (von wegen "Islam ist nicht reformierbar") wie auch der Linksextremen (von wegen "not all muslims") aufzuzeigen und er macht sich nicht nur gegen Islamismus sondern gegen jedweden Extremismus stark.

      2.: Auch die Personen für die er sich regelmäßig einsetzt verdienen wesentlich mehr Aufmerksamkeit als ihnen normalerweise gewidmet wird.

      Aktuell geht es darum die Abschiebung von Arezu Eliassi, eine 22 jährige kurdisch-iranische Menschenrechtsaktivistin von der Schweiz in den Iran zu verhindern.

      imamtawhidi.com/sa...zu-eliassi-fund-2/

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Inhaltlich bin ich bei Ihnen.

      Die Aufzählung:



      "allen Linken und allen Demokratinnen und Demokraten" finde ich aber ebenfalls aufschlussreich.

      Es gibt also Linke und Demokraten.

      Inhaltlich bin ich bei Ihnen.

      • @06360 (Profil gelöscht):

        Das mit den Linken und den Demokraten ist noch Teil des alten Leidens aus autonomen Tagen.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Wenn man jetzt noch Leninismus, Stalinismus und Maoismus in die Aufzählung mit aufnehmen würde, wäre die Linke vor der Bagatellisierung verbrecherischer Ideologien noch besser geschützt.

  • Na das nenne ich mal einen aufgeklärten informativen TAZ-Artikel. Mehr davon.

    Auch wenn ich an einigen Stellen mit der Autorin nicht übereinstimme, ist es doch eine schonungslose und sehr gute Analyse des derzeitigen Ist-Zustandes.