Muslime rügen pauschale Islamkritik: Asta warnt vor Islamisten

Die Studentenvertretung beklagt Angstmache durch radikale Muslime. Auch die Schura hatte gegen einen vom Asta veranstalteten Vortrag protestiert.

Werbung fürs muslimische Gebet im Raum der Stille an der Hamburger Universiät

Offen für alle Religionen: Raum der Stille in der Uni Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Mit einem dramatischen Hilferuf hat sich der Asta der Universität Hamburg an die Öffentlichkeit gewandt. „Nach wiederholten islamistischen Drohungen sehen wir die Wissenschaftsfreiheit bedroht“, schreibt die Studentenvertretung. „Dies muss endlich ein Ende haben!“

Die Pressemitteilung bezieht sich auf zwei Vorträge im November: „Frauenrechte im Iran“ sowie „Die islamischen Dachverbände und ihr Verhältnis zur Demokratie“, die der Asta gemeinsam mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG) auf dem Uni-Campus organisierte. „Im Vorfeld dieser Veranstaltungen wurden wir mit einer massiven, bisher für uns unbekannten Bedrohungslage konfrontiert!“, schreibt der Asta.

Konkret nennt die Studentenvertretung zwei Reaktionen auf den Vortrag des Bloggers „Schmalle und die Welt“ zum Thema islamische Dachverbände: Das Netzwerk Generation Islam kommentierte den Ankündigungstext auf Twitter mit der Warnung, Muslime sollten die Gefahr von links nie unterschätzen. „Zwar trachten die Rechten nicht selten nach dem Leben der Muslime, aber Linke wollen unsere islamische Überzeugung auslöschen und das ist gefährlicher“, heißt es dort.

Haben muslimische Studierende Schwierigkeiten, eine Moschee zu finden, in der keine reaktionären und homophoben Inhalte vermittelt werden? Die Schura sieht in dieser Behauptung Diskriminierung

Der Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura) wandte sich zunächst an die Hochschulleitung und dann auch an die Wissenschaftsbehörde, weil muslimische Studenten den Einladungstext in der Langfassung als diskriminierend empfanden. Darin heißt es: „Viele studierende Musliminnen und Muslime können in Hamburg kaum eine Moschee finden, in der keine reaktionären oder homophoben Inhalte vermittelt werden.“

Der Vortrag, so heißt es weiter, „leistet Aufklärung über die Islamverbände und kritisiert ihre reaktionäre Ausrichtung, die zuallererst liberalen Muslimen schadet“. Die Dachverbände verträten höchstens 20 Prozent aller Mus­li­m*in­nen in Deutschland und pflegten Verbindungen zu Organisationen wie der islamistischen AKP des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der Milli-Görüş-Bewegung, dem iranischen Gottesstaat oder dem Spektrum der rechtsextremen türkischen Gruppierung Graue Wölfe. Sie würden „in vielen ihrer Gemeinden ein reaktionär politisches Islamverständnis propagieren, welches regelmäßig in Reibung mit den Menschenrechten kommt“.

Viele Studenten hätten in diesen Aussagen unzulässige und falsche Pauschalisierungen erkannt und sich besorgt an die muslimische Hochschulgemeinde gewandt, sagt die stellvertretende Schura-Vorsitzende Özlem Nas. Sie hätten das als umso gravierender empfunden, als die Einladung über das offizielle Kommunikationsnetz Stine der Uni verbreitet wurde. „Wenn das über das Netzwerk der Uni verschickt wird, wirkt das so, als stünde die Uni dahinter“, sagt Nas. „Das sieht dann so aus, als ob das eine Tatsache wäre.“

Besonders irritiert seien die Studenten darüber, wer in wessen Namen und auf welcher Grundlage die Behauptung aufstellen könne, dass viele Studenten keine nicht reaktionäre oder homophobe Moschee finden könnten. Nas schrieb deshalb an die Uni-Vizepräsidentin Susanne Rupp: „Da wir nach so vielen Zuschriften stark davon ausgehen, dass diese Veranstaltung Unruhe und Unfrieden stiftet und viele den Drang verspüren, ‚dagegen etwas unternehmen zu müssen‘, wende ich mich an Sie und bitte Sie darum, mir eine Rückmeldung zu geben, inwiefern die UHH dieses Veranstaltungsformat unterstützt und ob diese Veranstaltung mit diesem Inhalt tatsächlich durchgeführt werden wird.“

Keine Antidiskriminierungsrichtlinien?

Sie habe den Brief verfasst, weil sich viele muslimische Studenten verunglimpft und dem Angriff gegenüber hilflos gefühlt hätten, sagt Nas. Der Antwort des Universitätspräsidiums habe sie entnommen, „dass es scheinbar keine Antidiskriminierungsrichtlinien für die Nutzung der Kommunikationskanäle der UHH seitens der Asta gibt“. Ähnlich erfolglos sei ihre Nachfrage bei der Wissenschaftsbehörde gewesen, sagt Nas. Die Universität und die Behörde antworteten der taz vor Redaktionsschluss nicht.

Nas sagt, ihr Ziel sei es gewesen, eine Spaltung der Universität zu verhindern. Umso misslicher sei es, dass der Brief an den Asta weitergegeben worden sei. „Meine Warnung wurde nicht ernst genommen“, sagt sie, „sondern es wurde noch eins draufgesetzt“. Auch der Asta meldete sich vor Redaktionsschluss nicht zurück. So bleibt auch offen, ob die Drohgebärden, mit denen die militant-islamistische Gruppe Hizb ut-Tahrir laut Asta versuchten, „in unserer Universität Angst zu verbreiten und Kom­mi­li­to­n*in­nen einzuschüchtern“, über den Twitter-Eintrag der „Generation Islam“ hinausgehen.

Bei „Generation Islam“ handelt es sich nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes um eine informelle Gruppierung, die vor allem im Internet agiere. Ihre veröffentlichte Inhalte wiesen deutliche Überschneidungen mit der Ideologie der Hizb ut-Tahrir auf.

Den Ablauf des eigentlichen Vortragsabends schildert der Referent Schmalle auf Facebook als vergleichsweise harmlos: Zwei Stunden lang habe er ohne große Störungen seine Thesen dargelegt. Leider seien er und einige Ge­noss­*in­nen mehrfach fotografiert worden, obwohl gebeten worden sei, dies zu unterlassen. „Im schlimmsten Fall landen die Fotos nun in islamistischen Hetzgruppen“, schreibt Schmalle. Zudem sei im Publikum auch das Handzeichen der neofaschistischen Grauen Wölfe gezeigt worden. Einer solchen Machtdemonstration gelte es zukünftig entschiedener mit entsprechenden Sicherheitskonzepten zu begegnen.

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