Krieg in der Ukraine: USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Die USA will der Ukraine Landminen liefern. Ziel ist wohl, dass Russland bis zu Trumps Amtseinführung wenig Gelände gewinnt. Die Lieferung ist umstritten.
Wie viele Minen exakt geliefert werden sollen, ist nicht bekannt. Die USA verfügen laut Medienberichten über ein Arsenal von rund drei Millionen Stück. Geliefert werden soll jetzt eine Sorte, die nur mit den eingesetzten Batterien funktionieren soll. Sobald diese alle sind, könnten die Minen nicht mehr explodieren, heißt es aus Washington, deshalb sei die langfristige Gefahr für die Zivilbevölkerung gering – und jedenfalls viel kleiner als bei jenen Landminen, die die Ukraine selbst herstelle, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Washington.
Die Entscheidung Washingtons stieß sofort auf Kritik. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL), die am Mittwoch einen neuen Bericht über die Folgen von Landminen weltweit vorgelegt hatte, nannte es „eine schreckliche Entscheidung“ und forderte die US-Regierung auf, diesen Schritt nicht zu gehen. Auch die Ukraine müsse „deutlich machen, dass sie diese Waffen nicht akzeptieren kann und will“, forderte die ICBL.
Der Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von Landminen sind nach der sogenannten Ottawa-Konvention von 1997 verboten. Dem Abkommen sind bislang 164 Länder beigetreten – die USA und Russland gehören nicht dazu, die Ukraine aber schon.
23 Prozent ukrainisches Territorium vermint
Allerdings setzen sowohl Russland als auch die Ukraine in diesem Krieg schon seit Jahren Landminen im großen Stil ein. Nach einem Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) vom Oktober gelten rund 23 Prozent des ukrainischen Territoriums als potenziell vermint. Bis August diesen Jahres seien 1.286 Zivilisten Opfer von Minen und Blindgängern geworden.
Auch große Teile der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche sind vermint – und die Räumung dauert. Die USA haben im Zuge der Lieferung erklärt, die Ukraine nach dem Krieg auch bei der Beseitigung der Minen zu unterstützen. Schon vor vielen Monaten hatten die USA der Ukraine auch Streumunition geliefert – Geschosse also, die kurz über dem Boden Dutzende Sprengköpfe einzeln freisetzen, von denen immer ein Prozentsatz als Blindgänger und also Quasilandmine verbleibt und später Zivilisten gefährdet. Auch Streumunition ist nach der Ottawa-Konvention geächtet.
In dem lang andauernden Stellungskrieg im Osten der Ukraine haben zunächst Russland, dann auch die Ukraine, weite Teile des Geländes vermint, um schnelle Vorstöße der Gegenseite zu verhindern – oder den jeweils feindlichen Kräften nur den Weg über recht freies Gelände zu gestatten, wo sie Ziel von Artillerie- und Drohnenangriffen sein können.
Die Entscheidung Joe Bidens ist insofern keine, die diese eigentlich geächteten Waffen erst in den Ukraine-Krieg einführt. Gleichwohl ist es zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Monate vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, ein politisches Zeichen, nur zwei Tage nach der Entscheidung, der Ukraine den Einsatz von US-Raketen vom Typ ATACMS auch auf russischem Territorium zu gestatten.
Biden will offenbar verhindern, dass Russland vor Trumps Amtseinführung allzu große Geländegewinne macht. Verwundernd ist allerdings, dass die Minen nicht auf russischem Territorium eingesetzt werden sollen – hat die Bidenregierung doch die Entscheidung zu den ATACMS-Raketen gerade mit der Abwehr der sich formierenden Angriffstruppen aus russischen und nordkoreanischen Soldaten in der Region Kursk begründet, wo die Ukraine seit dem Sommer einige Quadratkilometer russischen Territoriums besetzt hält. Die ATACMS dürfen von der Ukraine ausschließlich im Kursker Gebiet eingesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!