piwik no script img

Krieg in der UkraineUnreflektierter Pazifismus

Gerne werden mit Blick auf den russischen Angriffskrieg Nazi-Vergleiche bemüht. Solche Analogien bringen nichts, findet unsere Autorin.

Putin-Hitlervergleich bei einer Demonstration in Barcelona Foto: Paco Freire/Zuma/imago

S eit Russlands Angriffskrieg in der Ukrai­ne laufen die Feuilletons und sozialen Medien mit historischen Vergleichen über. Auf Ukraine-solidarischen Demonstrationen habe ich schon einige Male Plakate gesehen, auf denen man Russlands Präsidenten als Hitler sah („Stop Putler“). So mit Bart und Scheitelfrisur, Sie wissen schon.

Bekannte Historiker haben in großen Medien Abhandlungen darüber geschrieben, warum es Parallelen zwischen den beiden gebe. Auch die taz befragte den Historiker ­Herfried Münk­ler dazu. Götz Aly nennt als Beispiele die Vorbereitung und Rechtfertigung des Kriegs.

„Auch Hitler hat ja enorme Truppen aufmarschieren lassen, während gleichzeitig versichert wurde: ‚Der Führer will nichts anderes als den Frieden‘ “, sagte er der dpa.

Eine Gleichsetzung halten die meisten, und da bin ich ja froh, für nicht zulässig. Putin wirke wie ein gelehriger Schüler Adolf Hitlers, da auch Putin versuche, die von ihm angestrebte Wiederherstellung eines vermeintlichen früheren Großreichs historisch zu untermauern, schrieb Heinrich August Winkler in der Zeit.

Plumpe Analogien

Gut, der letzte Satz ist komplett übertrieben. Bei plumpen Putin-ist-fast-wie-Hitler-Analogien zuckt in mir immer etwas zusammen. Wozu das Ganze? Wo bleibt der Erkenntnisgewinn? Braucht es diesen dramatischen Vergleich, um größere Empathie für die Ukrai­ne zu erreichen?

Der Zweite Weltkrieg spielt im deutschen Diskurs nicht erst seit dem 24. Februar eine Rolle. 2014, nach der Annexion der Krim, sagte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: „Das kennen wir alles aus der Geschichte. Mit solchen Methoden hat schon der Hitler das Sudetenland übernommen – und vieles andere mehr.“ Später räumte er ein, er habe es „klar abgelehnt, Russland in irgend­einer Weise mit dem Dritten Reich zu ­vergleichen“. Und Damals-Kanzlerin Angela Merkel musste daraufhin versichern: „Ich betrachte den Fall der Annexion der Krim als einen für sich stehenden Fall.“

Von der aktuellen Bundesregierung wurde der Zweite Weltkrieg zunächst argumentativ benutzt, um sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auszusprechen. Die Verantwortung, die aus der eigenen Geschichte erwächst, hat demnach zur Folge: Deutschland dürfe keine Kriegspartei werden.

Erinnerungskultur als Ausrede

Deutschlands Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg ist längst zu einem „Ersatz für die Konfrontation mit der Gegenwart geworden“. Das schrieb Karl Schlögel im März in einem Beitrag für die NZZ: Das rituelle Gedenken beschreibt er als ein Hindernis, heutzutage politische Verantwortung zu übernehmen. Wenn „Nie wieder“ als Lehre aus dem von Deutschen begangenen Vernichtungskrieg Ausgangspunkt eines unreflektierten Pazifismus wird, wie viel ist er dann noch wert? Darf sich ein Land, das seit über 30 Jahren umringt ist von Freunden und nicht Feinden, heute zum Moralapostel aufspielen?

Geschichte wiederholt sich nicht. Theoretisch kann man aus ihr lernen. Wozu aber all die Bezüge, Vergleiche, Analogien, wenn daraus die falschen Lehren gezogen werden?

In ihrem Buch „Offene Wunden Osteuropas“, das die Dimensionen des deutschen Vernichtungskriegs in Ost(mittel)europa aufzeigt, stellen Franziska Davies und Katja Makhotina eine treffende Frage: „Hätte eine stärkere Sensibilisierung in Deutschland für ostmitteleuropäische Perspektiven auf den Krieg vielleicht dazu beigetragen, die Positionen der Ukrai­ne in den letzten Jahren besser zu verstehen?“

Um glaubwürdig den Opfern der Vergangenheit zu gedenken und für die Opfer des russischen Kriegs einzustehen, müssen Erinnerungslücken in Bezug auf die deutsche Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts in Osteuropa geschlossen werden. Putin mit Hitlerbart hingegen möchte ich nicht mehr sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
Mehr zum Thema

38 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @INGO BERNABLE

    Sehen Sie? Sie machen's ja auch.

    Nicht alle morden und vergewaltigen. Viele werden in ihren Sardinenbüchsen gegrillt bevor sie "Spezialoperation" ausbuchstabieren können.

    Ja, es gibt auch die hartgesottenen, Wagner-Söldner, die durch Syrien und Lybien gegangen sind, Kadyrowskis, Tschetschenen-Vets; auch unter den Neulingen dürfte es einige furchtbare Menschen geben, die nie eine Waffe in die Hand hätten bekommen sollen.

    Es passiert viel Grausames. Dennoch: "alle Orks" ist genau das, was solche Kriege eskaliert und perpetuiert.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Allen Anfeindungen zum Trotz: Man darf auch gegenteiliger Meinung sein. Andernfalls wären wir ja wie in der U,,, genau!

  • Putins Aggressivität hinsichtlich der Annexion und des Krieges ist durchaus mit Hitlers aggressiver Expansionspolitik zu vergleichen. Man muss doch trennen zwischen dem Kriegsherren Hitler als treibender Kraft im Zweiten Weltkrieg, mit dem Putin durchaus vergleichbar ist, und Hitler als Hauptverantwortlichen in Bezug auf Holocaust und Völkermord, was mit Putin bisher nicht zu vergleichen ist. Ich wundere mich darüber, dass diese augenfällige Differenzierung noch nicht vorgenommen wurde.

    • @Kagel :

      Das ist garnicht so weit hergeholt.



      Es würden sich wohl bessere geschichtliche Gleichnisse finden lassen, wo zerfallene Reiche sich aggressiv nochmals aufbäumten, eine gewaltsame Wiedervereinigung erzwungen werden sollte, obwohl die Wiedereinzugliedernden schon längst mit der Idee des Großreichs abgeschlossen hatten.



      Allerdings ist die schulische und mediale Breitenbildung hierzulande leider sehr auf jüngere europäische Geschichte verkürzt, somit grenzt sich die Anzahl der Aufmerksamkeit erregenden und nuztbaren Vergleiche arg ein. Außerdem wird auf Greuel wesentlich weniger emotional reagiert, wenn diese in ferner Vergangenheit oder weit weg geschehen sind. Dass deswegen jegliches grobes Unrecht automatisch mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verglichen wird, ist schade, aber eigentlich nicht überraschend. Und dass andere (s. Griechen) diesen Hitlerfetischismus in Deutschland versuchen für sich zu nutzen, und sei es noch so plump, ist auch verständlich.



      Da sich aber offenbar immer wieder zeigt, dass reißerische Schriften und grelle Botschaften in der Aufmerksamkeitsökonomie erfolgreich sind, sehe ich nicht wie sich daran im Rahmen der FDGO irgendetwas ändern ließe.

    • @Kagel :

      Ich sehe nicht wie man den von Nazi-Deutschand betriebenen Krieg vom Völkermord trennen und davon losgelöst beurteilen könnte. Gerade in Osteuropa war dieser Krieg eben nicht 'nur' auf Eroberung sondern auch auf die systematische(!) Auslöschung der dort lebenden Menschen hin angelegt.



      Solche Vergleiche zeugen nur von einem Mangel an historischem Bewusstsein und sind - so furchtbar die russischen Massaker und Kriegsverbrechen auch sind - vollkommen unangebracht.

      • @Ingo Bernable:

        "Ich sehe nicht wie man den von Nazi-Deutschand betriebenen Krieg vom Völkermord trennen und davon losgelöst beurteilen könnte."

        Die in der öffentlichen Debatte bemühten historischen Parallelen - so weit sie ernstzunehmen sind - beziehen sich auf das politisch-militärische Vorgehen Hitlers gegenüber der Tschechoslowakei. Hitler spekulierte dabei darauf, dass Großbritanien und Frankreich keinen Kriegseintritt riskieren würde und er sich den tschechischen Landesteil ohne großen Widerstand würde aneignen können - wie sich zeigte, zu Recht. Die Tschechoslowakei wurde zerschlagen, der tschechische Landesteil als Reichsprotektorat dem Deutschen Reich eingegliedert. Das Vorgehen war zweifellos brutal und völlig skrupellos, aber eben noch kein Vernichtungskrieg und kein Völkermord. Insofern drängen sich hier die Parallelen zu Putins Vorgehen durchaus auf.



        D.h. aber nicht automatisch, Putin mit Hitler gleichzusetzen, denn zwischen beiden Regimen gab es selbst noch bis 1938/39 grundsätzliche Unterschiede. Historisch unzulässig wäre m. E. auch eine Gleichsetzung des russischen Überfalls auf die Ukraine mit dem deutschen Angriff gegen die SU ab 1941, der von Beginn an als Vernichtsungskrieg geplant war.

        Vergleichen kann man übrigens alles. Sogar Äpfel und Birnen. Man kommt dann aber halt zu dem Schluss, dass es doch Unterschiede gibt. Oder, wie es Herfried Münkler sagte: "Vergleichen heißt immer Beobachten von Ähnlichkeiten und Differenzen." taz.de/Politologe-...inekrieg/!5851962/

  • Das ist wieder so eine Elfenbeinturmdenke. Wenn die Menschen eine Symbolik für schwerste politische Verbrechen brauchen, dann bietet sich Hitler eben an, mit Hochfasson aus der Stirn gekämmt und Schneuzer. Stalin, Pol Pot oder andere Menschenschlächter eignen sich eben nicht so gut als Symbol.

  • Der Autorin ist zu danken, unangemessene Vergleiche mit der Shoa im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu thematisieren. Auch in der Debatte um den Offenen Brief an Scholz ist das zu beobachten. So formulierte z. B. Grünen-Politiker Peter Heilrath auf Twitter: "Ich frage mich, ob die Unterzeichner des #offenerbrief den Kämpferinnen und Kämpfern des Aufstandes im Warschauer Ghetto auch zum Aufgeben geraten hätten, um unnötige Opfer zu verhindern".



    Ein Satz, der keine Kritik oder Nachfrage zum Verständnis auslöste. Bei seiner Rede auf dem Kleinen Parteitag der Grünen betonte Heilrath: "Ich verstehe die Angst der Menschen vor der Ausweitung des Krieges mit mehr Waffenlieferungen in die Ukraine nicht! .." und sprach im Folgenden statt von einem brutalen und grausamen, russischen Angriffskrieg von einem russischen Vernichtungskrieg in der Ukraine. Vernichtungskrieg ist in dem Zusammenhang ein historisch falscher Begriff und der Vergleich im Tweet nicht angemessen.



    Unklar ist deshalb, warum die Autorin ihren Artikel mit „Unreflektierter Pazifismus“ überschreibt, obwohl das Beispiel Heilrath zeigt, wie gefährlich es ist, im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und der Erinnerung an die Shoa mit einem falschen Vergleich und einem falschen Begriff zu arbeiten.

    twitter.com/heilrath/status

    /1520140501504204805?cxt=HHwWioC9je3uz5gqAAAA



    www.youtube.com/watch?v=_d9RvbAzTag

  • Sie ,, wollen " solche Vergleiche nicht .



    Ohne eine einleuchtende Begründung steht das so für sich und man fragt sich : aha , was wollen Sie eigentlich ?



    Geschichte wiederholt sich nicht ? Doch , tut sie. Gerade jetzt.

  • Naja heutzutage ist doch jeder ganz schnell Hitler, da kann man ja nicht mehr viel drauf geben.



    2003 wars Bush, in der Finanzkrise wars Merkel für viele Griechen, dann Trump, jetzt eben Putin. Es langweilt und hebt mich zumindest nicht mehr an.

  • Wir vergleichen unsere AfD gerne mit Nazis. Täglich und allerorten.



    Was ich gar nicht kritisieren will.

    Nun aber kommt da en kleiner faschistischer Diktator aus Russland an, der in Nachbarländern einmarschiert, um seine großrussischen Träume zu befriedigen und schon regt man sich über Wortspiele auf, die eben solche Vergleiche auf.

    Nie wieder Faschismus! Überall!

    • @Rudolf Fissner:

      Bei der AfD hat man aber jahrelange Exegese von Reden, Programmen, Veröffentlichungen betrieben bis man diese Vorwürfe auch wenigstens halbwegs plausibel belegen konnte, wobei ich auch bei der AfD die Kategorie des Proto-Faschismus für präziser halte als die des Faschismus, weil sie sich selbst eher in der Kontinuität der Konservativen Revolution als des NS verortet.



      In Bezug auf Putin habe ich eine solche plausible Herleitung noch nirgends vernommen.



      Zumal sich in diesem Kontext auch das Problem der Relativierung stellt. Wenn das heutige Russland Faschistisch ist, müssten die Zustände in Deutschland 33-45 ja ungefähr ähnlich gewesen sein wie die heutigen in Russland und schon lässt sich darüber diskutieren ob russische Straf- mit deutschen Vernichtungslagern vergleichbar sind. Mit solchen Beschreibungen kann man sehr schnell auf eine extrem schiefe Ebene gelangen und das vollkommen unnötig weil sich in der politischen Theorie reichlich ausreichend präzises Instrumentarium findet um Regime wie Putins beschreiben zu können.

      • @Ingo Bernable:

        Schauen Sie sich den englischen ( en.wikipedia.org/wiki/Putinism )und deutschen ( de.wikipedia.org/wiki/Putinismus ) Artikel in der Wikipedia zum Putinismus an. Da werden Sie bezüglich der Herleitungen fündig.

        Ihren Ansatz, DE und die Massenvernichtungen als Maßstab für Faschismus zu setzen halte ich für heikel. Zum einen weil der Faschismus von 33 nicht der von 45 war. Zum anderen, weil viele faschistische Regime bei einer solchen Einstellung des Radars herausfallen.

        Und by the way: Wo haben Sie gelesen, dass mit der Bezeichnung Putins als Faschisten eine Gleichsetzung mit dem deutschen Faschismus von 33-45 und seinen Vernichtungslagern mit gemeint ist? Das ist imho ein selbst gebasteltes argumentatives Absprungbrett.

  • Ich kann mich mit dem Artikel anfreunden. Pazifismus als mögliche Alternative zu gegenwärtigen Kriegsmeucheleien anzuführen, gelingt allerdings nicht. Der Schrecken kommt unter Menschen dem gleichen Sensationsklischee bei wie die Himmelfahrt. Wir vergleichen den aktuell größten Schrecken (zB. Merkel gleich Hitler, s. Eurorettung Griechenland) mit dem jüngst erlebten Schrecken, ohne die Gegenwart zu verarbeiten. Unser Ziel ist die Himmelfahrt, Urlaubsflieger nicht der Pazifismus kommen dem am nächsten.

  • "Braucht es diesen dramatischen Vergleich, um größere Empathie für die Ukrai­ne zu erreichen?"

    Danke! Sehr fein beobachtet.

  • Was ist denn das für ein argumentfreier Text? ---------------Na, was können wir den aus der Appeasementpolitik gegenüber Nazideutschland lernen.

  • Ich verstehe den Zusammenhang von Hitler Vergleich und Pazifismus nicht. Beide Punkte werden unabhängig von einander diskutiert. Und würde man den Absatz über Pazifismus entfernen, würde es nicht auffallen.



    Und die aufgeführten historischen Vergleiche sind jetzt auch kein Beispiel für unreflektierte Gleichsetzung. Sie zeigen die Gemeinsamkeiten und die Lehre die man aus der Vergangenheit/Hitler ziehen kann ist, was man für die Zukunft von Putin erwarten kann. Z.B was ist bei Putin im Bezug auf Diplomatie und Zugeständnissen zu erwarten. Was bringt das für einen stabilen Frieden. Also ja, bitte mehr Kommentare von Historikern.

  • Hm. Eigentlich, so meine ich, sind solche Vergleiche immer das Gegenteil des echten Pazifismus.

    Solche "historische Figuren" (hier Hitler) sind in unserer Wahrnehmung irgendwie "ausserhalb des Menschlichen" (ein grosser Fehler).

    'Putler' und 'Raschisten' (was von den Ukrainer*innen selbst so oder ähnlich verwendet wird) dient der Entmenschlichung des "Feindes" -- anders kann mensch es nicht aushalten, notfalls auf die zu schiessen.

    Ich würde keinen Menschen, der in der Notsituation steckt so etwas vorwerfen. Wenn aber "wir", aus der Bequemlichkeit unserer Ohrensessel auch damit anfangen, dann vergehen wir uns an der Menschlichkeit.

    Auch auf russischer Seite sterben Menschen. Junge Soldaten, die möglicherweise nicht wissen, wie ihnen geschieht. Auch das ist eine grosse Tragödie.

    Das auszuhalten, ohne den Ukrainer*innen im Geringsten das Recht absprechen zu wollen, sich zu verteidigen.

    • @tomás zerolo:

      "'Putler' und 'Raschisten' (was von den Ukrainer*innen selbst so oder ähnlich verwendet wird) dient der Entmenschlichung des "Feindes""

      Man darf den armen Putin keinen Faschisten nennen? Die AfD keine Nazis?

      Doch doch. das darf man Nazis darf man Nazis nennen. Und Putin auch Putler.

    • @tomás zerolo:

      "Junge Soldaten, die möglicherweise nicht wissen, wie ihnen geschieht. Auch das ist eine grosse Tragödie."



      So, so, die wissen also gar nicht wie ihnen geschieht, wenn sie da in patriotischer Pflichterfüllung vergewaltigen und morden. Schließlich haben sei dabei von alldem nichts gewusst und nur ihre Befehle befolgt. Mir klingen derartige Rechtfertigungen aus der eigenen Geschichte nur allzu vertraut im Ohr. Falsch und verlogen waren sie aber auch schon nach `45. Menschen sind für ihr Tun verantwortlich und deshalb muss man Täter auch Täter nennen.

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Ich möchte noch ein Beispiel nennen. Der Vater meines Jugendfreundes war Signalgast auf dem Zerstörer Z1. Er konnte toll erzählen von den Schlachten-Aufmärschen auf See. Aber er erzählte auch davon, dass natürlich das Schiff in dieser Situation das höchste Gut ist, auch um das eigene Leben zu bewahren. Also wurden Manöver gnadenlos durchgezogen, durch Schiffbrüchige, Freund oder Feind.



        Kann ihm als Teilnehmender an einer eigentlich ungeheuerlichen Tat, nämlich die Verweigerung einem Hilfsbedürftigen genau diese Hilfe zu gewähren, Schuld angelastet werden?

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        "Wir haben Ihnen einen guten Jungen übergeben. Und Sie liefern uns einen Mörder zurück."



        So die Eltern eines wg. Kriegsverbrechen verurteilten US-Soldaten.



        Dass macht der Krieg mit den Menschen. Hüben wie Drüben. Aber natürlich haben Sie Recht wenn es um die Planer und politischen Hasardeure geht.

  • Will sie nicht sehen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Der Vergleich Putin mit Hitler ist völlig berechtigt.



    Ich verstehe überhaupt nicht, warum Frau Zingher sich darüber aufregt.

    Es ist leider exakt so pervers: Der 9. Mai ist, wenn auch mit 77 Jahren Verspätung, der Sieg Hitler-Deutschlands über Russland. Der Statthalter Hitlers heisst heute Vladimir Putin, sitzt im Kreml und quasselt äber die Denazifizierung der Ukraine.



    Zugleich ist die Bombardierung der ukrainischen Bevölkerung sowie dreiste Landnahme integraler Bestandteil der Kriegsführung der russischen Faschisten.

    Es tut mir leid, Frau Zingher, aber Sie sind komplett auf dem Holzweg. Schäuble hatte damals völlig Recht, als er die Annexion der Krim mit der Annexion des Sudetenlandes verglich.



    Ich füge aktuell hinzu, dass auch Putlers Begründung für den Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine exakt so klingt wie Hitlers Begründung beim Überfall auf Polen: "Ab 5:45 wird zurückgeschossen!"

    Mit Appeasement ist dem russischen Hitler, der den zukünftigen Angriff auf die östlichen NATO-Staaten bekanntlich auch schon zu Papier gegeben hat, jedenfalls nicht beizukommen.

  • Ich glaube hier wurden zwei bis drei Themen zusammen geworfen die man nicht zusammen werfen sollte und das Endresultat ist verwirrend.

  • 1/2



    Ein besonnen nachdenklicher und für ein Nachdenken wichtiger Artikel. Vorweg: Vielleicht ist es, meine – spekulative – Deutung so, dass wir aus, neben vielen anderen zueinander vielleicht sogar widersprüchlichen Gründen, ein Geschehen das als besonders abscheulich angesehen wird, deshalb fast ein wenig „reflexhaft“ als nazistisch, faschistisch…kennzeichnen, weil die Untaten des Nationalsozialismus für uns als eine Art historischer Referenzpunkt „dienen“ und wir den Wortgebrauch dafür dann in Bezug auf andere Untaten gebrauchen, um sie als solche besonders hervorzuheben. Wie gesagt, das ist eine spekulative Meinung. Ich erinnere mich daran, dass „wir“ bei so manchen studentischen Diskussionen damals, oft unbedacht mit dem Wort „faschistisch“ umgegangen sind. Bis uns dieser inflationäre Gebrach selbst auffiel, schon weil er zur Verharmlosung des Begriffs und seiner Inhalte führen kann.



    Mir scheint, dass man z. B. die Untaten eines Regimes wie das Putins, zuerst für sich das Schreckliche „aussprechen“ lassen sollte. Sie sprechen ja „für sich“. Der Ukrainekrieg wurde wieder das Völkerrecht begonnen. Die russischen Truppen begehen in der Ukraine Kriegsverbrechen. Der Krieg zielt auf die Zerstörung der Ukraine als souveräner Staat und der Identität seiner Staatsbürgerinnen u. Staatsbürger, auch in dem die Morde, die Folter, die Vergewaltigungen und die Beraubung an ihnen wohl zumindest „bewusst billigend“ von der russischen Führung „in Kauf“ genommen werden… Putin ist nicht Hitler. Wenn ein solcher Despot sich der Methoden der nationalsozialistischen Herrschaft bedient, weil er von denen gelernt hat, was durchaus sein kann, dann macht das erst einmal seine Unmenschlichkeit aus und die des Geschehens, dass er losgebrochen hat.

  • 2/2



    Das meint für mich nicht, dass in der aktuellen Analyse des Geschehens, keine Analogschlüsse gezogen werden dürften oder in einer historischen Aufarbeitung. Die dürften notwendig sein. Aber in einer dann wie oben benannten „reflexhaften“ Gleichsetzung z. B. von Putin und Hitler liegt dann genau die Gefahr, eben nicht mehr das Geschehen als solches möglichst „objektiv“ als das Schreckliche das es ist verstehen gilt zu erkennen. Sondern prompt zu letztendlich (gefährlich) falschen Schlüssen zu gelangen. Es ist für mich schon so, dass ich mir deshalb einen Putin besser nicht in Naziuniform und Schnauzer vorstellen mag. Auch wenn ich eine solche Darstellung in politischen Karikaturen als bewusst gesetzte Provokation gelten lassen würde. Nur eben nicht, um es bildhaft auszudrücken, in allgegenwärtigen „Plakationen“, als „plakatives denken“. Ich glaube, damit entfernen wir uns vom eigentlichen Problem und tun uns keinen Gefallen damit, wie versucht zu erklären. Und: Auch oder gerade weil die medial isolierte russische Bevölkerung der Propaganda unterliegt, ich muss doch aufpassen, dass ich „die Russen“ nicht gleich als „faschistisch“, als „Faschisten“ verstehe. Oder gar als „wilde asiatische Horde“, wie es genau die Nazi-Propaganda wollte! Und ich heute noch darauf hereinfalle! Schon deshalb, weil ich nicht in diesem Land lebe und selbst nie einer Propaganda – dieser Art – ausgesetzt sein musste. Ich meine, ich würde mich gleich in zwei Irrtümer verlaufen. Einmal in einen über den Nationalsozialismus und einmal in einen über das Geschehen des Ukrainekriegs.

  • Ich teile die Meinung der Autorin bezüglich Hitler-Putin-Gleichsetzungen und unreflektiertem Pazifismus.

    „Putler“ und ähnliches ist jedoch wohl eine ukrainische Erfindung und spiegelt damit die ost(mittel)europäische Sichtweise wider.

    Natürlich geht man dort mit Hitler anders um als in Deutschland.

    Und die Deutschen müssen die ukrainische Art auch nicht gutfinden.

    Es ist nicht an den Deutschen, den Ukrainern zu erläutern, wie man mit Hitler umzugehen hat.

    Andernfalls wird man schnell zum Welzer.

    Obwohl Hitler-Putin-Gleichsetzungen einen nicht weiterbringen und sich Geschichte nicht wiederholt, kann man jedoch Hitler als Fallbeispiel nehmen, um faschistische und imperialistische Strategien zu entlarven oder die Wirksamkeit von Appeasement-Politik zu hinterfragen.

    Bei den vielen Leuten, die stramm viel Verständnis für Putin, aber so gar keines für die ost(mittel)europäische Perspektive aufbringen, die einen Faschisten nicht mal mehr erkennen, wenn er vor ihnen steht und seine faschistische Esoterik von sich gibt, ist vielleicht mal ein drastisches Fallbeispiel als Vergleich notwendig.

  • Ich verstehe diesen Beitrag nicht. Was genau möchte damit gesagt werden? Habe ihn jetzt dreimal gelesen. Ich verstehe nur, dass die Autorin Putin mit Hitlerbart nicht mehr sehen möchte.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Gnutellabrot Merz:

      Für mich stellt sich Ihre Frage nicht. Mit der Überschrift des Kommentars und im Absatz "Erinnerungskultur als Ausrede" wird doch klar kommuniziert wohin die Reise gehen soll: " ... gern möchte ich meinen Verstand ausschalten und eintauchen in den allgemeinen Taumel der Kriegsbegeisterung". Zitat, so oder ähnlich.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Da möchte ich gerne versuchen zu helfen. Zugegebenermaßen fehlt es dem Beitrag ja gerade gegen Ende an Deutlichkeit. Es geht einfach darum, dass die deutsche Erinnerungskultur und ihre Anwendung auf Russlands Krieg gegen die Ukraine in mehrfacher Hinsicht fragwürdig ist. Erstens ist da die überbriebene und damit angreifbare Dämonisierung eines Putins. Zweitens ist da die gegenläufige Tendenz aus der deutschen Geschichte heraus etwas zu konstruieren, was letztendlich zur Verantwortungslosigkeit verkommt. Drittens ist da die Frage, ob all diese Diskussionen nicht überhaupt selbst schon Schutzmechanismen sind um nicht einfach nur über das hier und jetzt sprechen zu müssen. Letztendlich sind sich scheinbar moralische Positionen und scheinbar gegensätzliche Positionen eben darin ähnlich, dass sie sich der Geschichte bemächtigen, dabei arg einfache Schlussfolgerungen postulieren und massive blinde Flecken aufrechterhalten. Letztendlich hätte, das jetzt meine Sicht, eine stärkere "Sensibilisierung in Deutschland für ostmitteleuropäische Perspektiven" aber auch nicht geholfen Nord Stream 2 zu verhindern. Da hätte nur weniger deutscher Egoismus geholfen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Schließe mich ihnen an. Der Kommentar wirkt, als wäre er aus zwei oder drei Teilen zusammengesetzt,die nichts miteinander zu tun haben.

      • @Nansen:

        Hier sitzt die Klammer:

        "Um glaubwürdig den Opfern der Vergangenheit zu gedenken...



        in Bezug auf



        DIE DEUTSCHE GEWALT des 20. Jahrhunderts



        IN OSTEUROPA.

        Putin mit Hitlerbart hingegen möchte ich nicht mehr sehen."

      • @Nansen:

        Ich schließe mich ebenfalls an. Der Vergleich zwischen Hitlers und Putins Strategie ist durchaus zulässig, nicht aber das Gleichsetzen.

        Natürlich waren die deutsche und EU-Politik gegenüber dem "Osten" herablassend, das ist sie bis heute gegenüber allen Entwicklung-, Schwellen und nicht weißen Ländern.

        Nur was hätte man dem Putin-System gegenüber machen sollen? Morde an der Journaille ziehen sich seit den Nullerjahren durch, kriegerische Handlungen ebenso. Die Dialogversuche sind hier m.E. nicht am "Westen" gescheitert, sondern anscheinend am Kalkül Putins. Denn was hätten Resultate gebracht, wäre man womöglich auf Putins Forderungen eingegangen? Ich habe mich schon seit eben jenen Nullerjahren gefragt, welches Ziel Schröder, Merkel und Konsorten mit ihrer Russlandpolitik eigentlich vor Augen hatten?

    • @Gnutellabrot Merz:

      ... geht mir genauso.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wenn ich allein die Überschrift



      " Unreflektierter Pazifismus "



      dreimal lese - wird mir schon schwindelig, auch weil sie nicht im Geringsten etwas mit dem Inhalt zu tun hat.

      Wenn ich dann lese: " Geschichte wiederholt sich nicht. Theoretisch kann man aus ihr lernen. "



      - denke ich: Hitler, Franco, Mussolini, Honecker, Ceausescu, Putin, Idi Amin... warum nicht ihren Aufstieg und Fall vergleichen, analysieren und praktisch daraus lernen - um nicht immer wieder in der Theorie stecken zu bleiben ? Jede/r 3. in Polizei, Sicherheitsbehörden oder Bundeswehr hat sich inzwischen solch ein Hitlerbärtchen verdient - warum nicht auch Putin ? ...