Krieg in Ukraine und Russland: Verhandeln ohne Verhandlungsbasis
Kanzler Scholz will in der Ukraine „zügiger zu einem Frieden“ kommen. Russland reagiert gelangweilt und hat seine eigenen Vorstellungen von Frieden.
„Was soll denn bitte verhandelt werden?“, fragte Russlands Außenminister Sergei Lawrow am Montag nach einem Treffen des Golfkooperationsrates in Riad. In Saudi-Arabien reagierte er recht gelangweilt auf den Vorstoß des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, „aus der Kriegssituation (in der Ukraine) doch zügiger zu einem Frieden zu kommen“, wie sich der SPD-Politiker in seinem Interview mit dem ZDF gewunden ausdrückte.
Lawrow sagte: „Wir verteidigen Menschenrechte. In der Ukraine wurden sie per Gesetz zertrampelt. Das sollten alle begreifen.“ Erst dann könne über irgendwelche „Friedenspläne“ nachgedacht werden. „Uns ging es nie um Territorien“, behauptete der 74-Jährige. Den Zynismus versteckt keiner von Russlands Offiziellen.
Der Westen tue alles, um Russland eine Niederlage auf dem Schlachtfeld zuzufügen, sagte Lawrow. Russland aber werde das nicht zulassen. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin wiederholt immer wieder, Russland werde siegen. Gleichzeitig bringt er – ebenfalls immer wieder – „Verhandlungen“ ins Spiel, lässt dabei aber gern beiseite, was er unter „Verhandlungen“ versteht: die Kapitulation der Ukraine.
Putin verweist stets auf die sogenannten Vereinbarungen von Istanbul, auch wenn es solche Vereinbarungen nie gegeben hat. In Istanbul gab es im März 2022 Gespräche zwischen der Ukraine und Russland, doch bei strittigen Punkten waren sich die Parteien nicht einig: Bei der Verminderung der ukrainischen Streitkräfte und noch weniger bei den Sicherheitsgarantien. Neben den USA, Großbritannien, Frankreich und China hätte auch Russland ein solcher Garant werden sollen.
Das Verdrehte als Faktum
Es kam zu keiner Unterschrift, auch wenn Moskau das Dokument gern als „fertig ausgearbeitet“ verkauft und meint, die Briten hätten die Ukrainer dazu gedrängt, es nicht zu unterschreiben. Ohnehin ist davon auszugehen, dass sich westliche Staaten kaum auf solche Garantien eingelassen hätten, weil sie nicht mit eigenen Streitkräften für die Ukraine in der Ukraine kämpfen wollen.
Für Moskau aber haben die „Vereinbarungen von Istanbul“ bei jedem Gespräch über mögliche Verhandlungen regelrecht Bestand. Es ist die übliche russische Taktik, so lange über etwas Verdrehtes zu sprechen, bis das Verdrehte als Faktum wahrgenommen wird.
Derweil heißt es in Russland: „Der Sieg wird unser sein.“ Der Satz ist längst zu einem Mantra geworden, das russische Politiker*innen, Propagandist*innen und auch Passant*innen auf der Straße immer wieder sagen, wenn sie meinen, es sei nun wirklich alles gesagt worden. Der russische „Sieg“, das macht der Kreml immer wieder deutlich, bedeutet russische Kontrolle über die Ukraine, die Zerstörung der Ukraine als Staat.
Russland hält die Ukraine für einen Vasallenstaat der Amerikaner, und so will Russland nicht mit Kyjiw sprechen, sondern eben mit den „Herren der Nazis“, wie es Moskau voller Verachtung ausdrückt: mit Washington.
„Das Land, das den kollektiven Westen dirigiert“
„Wir hören unterschiedliche Aussagen aus europäischen Ländern, aber nichts aus den USA, dem Land, das diesen Prozess steuert, das den kollektiven Westen dirigiert“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.
Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Sergei Schoigu, meinte, Verhandlungen mit der Ukraine seien „indiskutabel, bis wir die Ukraine von unserem Territorium vertrieben haben“. Damit spielte er auf die ukrainische Kontrolle in Teilen der russischen Region Kursk an. In den sozialen Netzwerken hieß es derweil: „Fahrt zur Hölle mit euren Friedensplänen!“
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